••• Meine Frau hat Wort gehalten. Unter den Überraschungen zu Chanukkah fand sich auch der vom Rimbaud-Verlag besorgte Band „Aschenzeit“ mit einem Querschnitt durch das poetische Werk von Immanuel Weissglas. [Der Verlag hält sich an die deutsche Schreibung mit ß.]
So sehr ich mich über das Buch auch gefreut habe, die Gedichte selbst sind leider eine Enttäuschung. Überall scheint er allzusehr Gefangener der von ihm gewählten Formen zu sein. In dem hier zuvor zitierten Gedicht „ER“ ist das ebenfalls spürbar. Doch er ist in diesem Gedicht in seinen Bildern noch am originellsten. Warum ausgerechnet dieses Gedicht nicht in die Sammlung aufgenommen wurde, ist mir ein Rätsel.
Unbedingt lesenswert ist das Nachwort „Eine leise Stimme“ von Leo Buck.
Diejenigen, die mit ihm [Weißglas] zu tun hatten, betonen übereinstimmend das unauffällige, zurückhaltende und bescheidene Auftreten dieses Mannes. Die Zurückgezogenheit gehörte offenbar zu seinem Lebensprogramm. Insofern kann es nicht wundernehmen, daß Weißglas seine Hauptleistung, die Versübertragung beider Teile der „Faust“-Dichtung Goethes [ins Rumänische], unter einem Pseudonym veröffentlichte. Ebenso tief bezeichnend sind kritische Vorbehalte und lebenslanges Zögern gegenüber der eigenen literarischen Arbeit. Das Frühwerk verwarf er gänzlich. Vielsagend schrieb er hierzu am 14. März 1974 (seinem 54. Geburtstag): „Das Wortwrack meiner Frühzeit möge ungeborgen bleiben“. Selbst den Weggang aus dem Leben hat Weißglas getreu seiner Maxime eines Daseins „in der weisen Einsiedelei“, konsequent vorbedacht. Während seiner langen Krankheit – er starb an einem Gehirntumor- verfügte er seine Einäscherung ohne jede Zeremonie sowie eine Form der Bestattung, die keine Spuren hinterläßt. Seine Asche wurde ins Schwarze Meer gestreut.
Seine Entscheidung, in Rumänien zu bleiben, als Paul Celan 1947 das Land verliess, spricht ebenfalls Bände. Der Celansche Anspruch „Und setze dich frei“ hatte offenbar für Weissglas keine Geltung. Dem Thema der frühen Freundschaft, die mit dem Weggang Celans endete, der Frage von Nähe und Distanz zwischen beiden widmet sich das Nachwort ebenfalls ausführlich.
Nein, poetische Entdeckungen gab es für mich in diesem Buch nicht. Aber immerhin verdanke ich dem Rimbaud-Band nun doch die Bekanntschaft mit einer ungewöhnlichen Biographie.