Epilog

Donnerstag, den 17. September 2009

Truman Capote & Autograph
Truman Capote & Autograph

Es werden mehr Tränen über erhörte Gebete vergossen als über nicht erhörte.

Theresa von Avila (aus d. Gedächtnis nach T. Capote)

••• Am vorletzten Tag des Jahres kommt ein Epilog gerade recht, umso mehr, wenn darin von »Answered Prayers«, also erhörten Gebeten, und Tod die Rede ist.

Am Wochenende liegen die Bücher des Gerichts offen da: Wer wird leben, wer wird sterben? Und wenn ich dieses Jahr an den »großen weißen Tagen« meinen Kittel anziehe – Vorgeschmack auf die Tachrichim, die Grabkleider – wird das nach meinen Erfahrungen in Antwerpen noch einmal eine ganz andere Dimension haben als in den Jahren zuvor.

Mit dem Gebet ist es auch so eine Sache. Man muss vorsichtig sein. Man könnte erhört werden.


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Literature and Morality

Mittwoch, den 2. September 2009

A response to D. G. Myers‘ „Remembering Truman Capote“ (»» Deutsche Version lesen)

••• Now that D. G. Myers’s „Remembering Truman Capote“ has been posted here in German, I can finally begin to respond. How much one likes Capote may vary—one may not even like him at all—but what Myers does posthumously to the eccentric Truman demands explicit contradiction.

At least four claims in Myers’s post rub me the wrong way. He begins with the claim that Capote’s novels before „In Cold Blood“ are mere collages of what Capote had read. Apparently, this is made sufficiently clear (otherwise it would not have been worth mentioning) by the fact that Capote’s debut, „Other Voices, Other Rooms,“ was published when the author was just 24. Well, whoever thinks a twenty-four-year old can have nothing to say except what he has read surely did not have a complex childhood shaped by unstable relationships and abandonment; beyond that, though, whether the author has experienced and suffered every detail of what he relates has never been a valid literary-critical criterion.

Immediately after that point, Myers claims that Capote’s prose is so clearly mannered that it is hardly worth mentioning. I would really like to know the basis of this assertion. To me, „Breakfast at Tiffany’s“—as I am already on the record as saying here—is a flawless novel. It may not shed light on whatever the world revolves around, but in terms of technique, the book seems to me to be beyond criticism. Capote himself may have been mannered—but his prose is not. This is not just my opinion. None other than Norman Mailer, after all (who definitely had at least one or two hard-to-swallow experiences with Capote), admitted that

Truman Capote is the most perfect writer of my generation. … I would not have changed two words in „Breakfast at Tiffany’s“

Such a blanket condemnation as Myers’s must be justified in detail. I cannot accept how it has just been tossed off so acidly.


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Wahrheit in fiktionaler Form

Mittwoch, den 2. September 2009

Lawrence Grobel
Lawrence Grobel

Grobel: Glauben Sie, dass Joyce und Proust den Roman bis an seine Grenzen herangeführt haben?

Capote: Oh, nein, ganz und gar nicht. Es besteht ein Bedürfnis nach Fiktion, aber ich glaube, es wird sich wohl zunehmend um das drehen, was ich zu machen versuche, das heißt, Wahrheit in Fiktion zu verwandeln, oder Fiktion in Wahrheit — ich weiß nicht, was es ist, aber es dreht sich im Grunde um Wahrheit, abgehandelt in fiktionaler Form.

Grobel: Doch Ihrer Meinung nach sind Fiction und Nonfiction verschmolzen?

Capote: Es ist eigentlich keine Frage von Wahrheit oder Nicht-Wahrheit. Es ist eigentlich eine Frage des Erzählens. Darum geht es. Darum, daß man lernt, den Erzählfluß so in den Griff zu bekommen, daß er schneller abrollt und zugleich tiefer schürft.

aus: »Ich bin schwul, ich bin süchtig, ich bin ein Genie«,
Ein intimes Gespräch zwischen
Truman Capote und Lawrence Grobel
Aus dem Englischen von Thomas Lindquist
© Diogenes Verlag 1986

Liebe auf den ersten Blick

Dienstag, den 1. September 2009

Natürlich denke ich
auch schon an deinen Schoß
wie ich ihn küssen
will daß er naß wird
und wieder trocken
und was mir
oder meinen Fingern
einfallen wird bei dir

Du findest das ungehörig?
Gut: wenn es dir lieber ist
will ich deine Haare
nahe an deinem Ohr
nur fast, doch nicht wirklich küssen
und an deine Augen denken
und mir ein für alle mal sagen
daß dein Schoß für
mich nicht existiert.
So fügsam bin ich –
Warum bist du jetzt beleidigt?

Wahrscheinlich glaubst du
wenn zwei Menschen einander sehr bald
ihre Namen sagen
und miteinander essen
und fragen was sie arbeiten
und was sie denken
daß daraus dann nie mehr
eine wirkliche Freundschaft wird

Erich Fried (1921-1988)

••• Ich habe noch weiter in dem Fried-Band gestöbert. Mir ist aufgefallen, dass es wohl Markus‘ »Schuld« sein muss, dass wir jetzt hier sowas verhandeln, genau, das Vinícius-Interview: »Aber ich glaube auch, dass jene Liebe, die für die Ewigkeit erschafft, die Liebe der Leidenschaft ist. Diese Liebe ist die einzige, die diese Dimension der Ewigkeit besitzt.« Wie kommt er eigentlich darauf?

Ich lese gerade einen Band mit Interviews, die Lawrence Grobel mit Truman Capote geführt hat. In einem dieser Interviews geht es um »Liebe, Sex und Angst«.


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Literatur und Moral

Montag, den 31. August 2009

Eine Erwiderung auf D. G. Myers‘ „In Memoriam Truman Capote“ (»» Read the English Version)

••• Nachdem D. G. Myers‘ Beitrag »In Memoriam Truman Capote« nun auch in deutscher Übersetzung hier veröffentlicht ist, will ich endlich zu einer Antwort ansetzen. Man mag Capote mehr oder weniger oder gar nicht schätzen, aber was Myers hier dem exzentrischen Truman post mortem antut, kann man nicht unwidersprochen lassen.

Mindestens vier Behauptungen in Myers Beitrag gehen mir gegen den Strich. Es beginnt mit der, Capotes Romane vor »Kaltblütig« seien einzig Collagen von Angelesenem. Man könne das wohl, warum würde es sonst erwähnt, schon daran erkennen, dass Capotes Debüt »Other Voices, Other Rooms« erschien, als der Autor gerade einmal 24 Jahre alt war. Darauf nur zwei Dinge: Wer meint, man könne mit 24 Jahren nur Angelesenes zu sagen haben, hat sicher keine komplexe, von unsicheren Bindungen und Verlassenheit geprägte Kindheit durchlebt; und darüber hinaus ist es noch nie ein valides Kriterium zur Beurteilung von Literatur gewesen, ob der Autor auch jede Einzelheit des von ihm Erzählten selbst erlebt und durchlitten hat.

Gleich im Anschluss behauptet Myers, Capotes Prosa sei so eindeutig manieristisch, dass es kaum der Erwähnung bedürfe. Ich wüsste gern, worauf sich dieses Urteil gründet. »Frühstück bei Tiffany« – das habe ich hier schon zu Protokoll gegeben – halte ich für einen makellosen Roman. Er mag nicht erhellen, um welches Zentrum die Welt kreist, aber handwerklich lasse ich nichts auf dieses Buch kommen. Manieristisch – das war Capote selbst, seine Prosa ist es nicht. Ganz allein stehe ich mit dieser Ansicht nicht. Es war immerhin Norman Mailer (der durchaus das eine oder andere schwer zu verdauende Erlebnis mit Capote hatte), der einräumte:

Truman Capote ist der perfekteste Schriftsteller meiner Generation. Ich hätte keine zwei Wörter in »Frühstück bei Tiffany« ändern wollen.

Ein derart heftiges Pauschalurteil, wie es uns Myers hier liefert, müsste schon im Detail begründet werden. Einfach nur scharfzüngig hingeworfen kann ich es nicht akzeptieren.


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In Memoriam Truman Capote

Montag, den 31. August 2009

Ein Gastbeitrag von D. G. Myers
(Englische Originalversion v. 25. 08. 2009)

Truman Capote

••• Heute ist die Jahrzeit von Truman Capote, der fünfundzwanzigste Jahrestag seines Todes wegen einer »Lebererkrankung, kompliziert durch Venenentzündung und multipler Drogenvergiftung«, wie der Untersuchungsbeamte des Bezirks Los Angeles pflichtgemäß berichtete – wenngleich Jahrzeit womöglich nicht das passende Wort ist im Zusammenhang mit jemandem, der einst »die jüdische Mafia in der amerikanischen Literatur« attackierte, die »den Literaturbetrieb weitgehend kontrolliert« mithilfe von »jüdisch dominierten« Publikationen, die »das Schicksal von Schriftstellern in der Hand haben, indem sie ihnen Aufmerksamkeit schenken oder sie zurückhalten«.1

Die Provokation, die sich hinter Capotes Ausfall verbirgt, offenbart sich nicht auf den ersten Blick. Von »Commentary«, der am stärksten von Juden beherrschten Publikation von allen, kann kaum behauptet werden, dass sie »In Cold Blood« (»Kaltblütig«), überging, hat sie dieses Buch in ihrer Ausgabe vom Mai 1966 doch mit immerhin 2.200 Wörtern gewürdigt. William Phillips, der Rezensent, der zufällig auch die »Partisan Review« herausgibt, eine weitere von Juden beherrschte Publikation, räumte sogar ein, dass das Buch »auf seine Art gut« sei, wenn er auch die Frage hinzufügte – »wie in dem alten jüdischen Witz – ob ‚Kaltblütig‘ auch gut für die Literatur sei«.2 Vielleicht hatte Truman keinen Sinn für jüdischen Witz.


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D. G. Myers zu »Kaltblütig«

Mittwoch, den 26. August 2009

••• Ich lese mit andauernder Begeisterung D. G. Myers‘ »A Commonplace Blog«. Myers ist Associate Professer for English and Religious Studies an der Texas A&M University. Seine Artikel – publiziert in einschüchternder Länge und Frequenz – zeugen von seinem umfassenden Wissen nicht nur im Bereich der Literatur. Entdeckungen und neue Erkenntnisse sind garantiert, wenn man im »Commonplace Blog« stöbert.

Anlässlich meiner gestrigen Reminiszenz an Capote kam ich auf die Idee, Myers anzuschreiben und um einen Gastbeitrag zu Capote zu bitten. »Frühstück bei Tiffany« bescherte mir im letzten Jahr zwei glückliche Tage. Es ist nach meiner unmaßgeblichen Überzeugung einer der wenigen wirklich makellosen Romane, die ich je gelesen habe.

D. G. Myers sagte spontan zu und schickte wenig später seinen Beitrag. Ich hatte vor, ihn zu übersetzen und zeitgleich mit Myers Originalversion in seinem Blog hier im Turmsegler zu publizieren. Das ist mir nicht gelungen. Für die Übersetzung hätte ich sicher einen Tag gebraucht (und werde sie nachreichen, wenn die Turmsegler-Leser das wünschen). Vor allem aber war der Beitrag, als ich heute morgen (in anderer Zeitzone als Myers) erwachte, bei ihm bereits erschienen.


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