Das Buch der Nächte

Freitag, den 29. Juni 2007

Zu jener Zeit streunten die Wölfe noch in eisigen Winternächten durchs Land und kamen auf Nahrungssuche bis in die Dörfer, wo sie Geflügel, Ziegen und Schafe ebenso rissen wie Esel, Kühe und Schweine. In Ermangelung von Besserem schlangen sie manchmal sogar Hunde und Katzen hinunter, doch sobald die Gelegenheit sich bot, labten sie sich begierig an Menschenfleisch. Sie schienen übrigens eine ganz besondere Vorliebe für Kinder und Frauen zu haben, deren zarteres Fleisch ihrem Hunger zu gefallen wusste. Und ihr Hunger war wirklich ungeheuerlich, er wetteiferte mit der Kälte, dem Elend oder dem Krieg, dessen letzter Widerhall und dreistester Ausdruck er zu dieser Zeit zu sein schien.

Sylvie Germain, aus: „Das Buch der Nächte“

Sylvie Germain••• Im Urlaub habe ich einen der besten Romane gelesen, der mir je untergekommen ist: „Das Buch der Nächte“ der Französin Sylvie Germain. Auf 300 Seiten erzählt Sylvie Germain die europäische Version von „Hundert Jahre Einsamkeit“. Es ist die Geschichte von 100 barbarischen Jahren (1850-1950), die Geschichte dreier grosser Kriege, die Geschichte von fünf Generationen der Familie Peniél, denen je ein Kapitel dieses Romans gewidmet ist. Germain nennt die Kapitel Nächte (Wasser, Erde, Rosen, Blut, Asche). Und diese Nächte sind Sinnbild der Einsamkeit und Isolation der Peniéls in einer fremden, feindseligen Welt, ausgesetzt in einem ganz unausweichlich sich entfaltenden Plot grausamer Zerstörung.


Den ganzen Beitrag lesen »