Susanne Lange zu Don Quijote
Donnerstag, den 11. September 2008Ein […] Faszinosum des Romans ist die Beziehung zwischen Fiktion und Wirklichkeit. Don Quichote erfindet sich seine ganze Wirklichkeit. Er muss sich nur sagen: „Ich bin Ritter“ und er ist Ritter. „Das, was ich da sehe sind Riesen“ und es sind Riesen für ihn. Wie dann seine ganze Umwelt darauf reagiert und wie er wiederum auf die Reaktion der Umwelt selbst reagiert, das ist ein faszinierendes Spiel von Reflektionen und Brechungen, von Wirklichkeit und Fiktion. Das ist so ungeheuer modern, wie es kaum Autoren nach ihm so raffiniert erreicht haben.
[Der Roman] bricht immer wieder die Erzählebenen. Eigentlich ist der Don Quichote – was mir als Übersetzerin sehr spannend erscheint – eine fiktive Übersetzung aus dem Arabischen. Cervantes bezeichnet sich gar nicht als Autor, sondern nur als jemand, der etwas wiedergibt, was übersetzt wurde. Und der vermeintlich übersetzte Text ist wiederum auch nur eine Erzählung von jemand anderem. Dieses Spiel mit den Erzählebenen: Es wird einfach erzählt, dann wird wieder plötzlich der imaginäre, arabische Geschichtsschreiber hineingezogen und der Übersetzer für irgendwas verantwortlich gemacht, was er aus dem Arabischen nicht richtig übertragen hat. So wird immer irgendwie eine kleine Unsicherheit in die Erzählebene eingeschmuggelt. Man muss sich vorstellen, dass Cervantes im Grunde schon seine eigene Übersetzung kommentiert, was natürlich eigentlich vollkommen unmöglich ist. Es ist also ein ganz verrücktes Spiel von Erzählebenen und manchmal hat man als Übersetzer das Gefühl, dass man sich nicht wundern würde, wenn man in diesem Roman schon selbst als Figur existiert.
••• Eben finde ich zufällig ein Interview, das arte mit Susanne Lange anlässlich ihrer Neuübersetzung des »Don Quijote« führte. Mich würde einmal interessieren, wer von den Turmseglern das Opus ganz gelesen hat. Ich oute mich freiwillig: ich nicht. Aber sobald Susanne Langes Neuübersetzung eintrifft, werde ich es in Angriff nehmen.