sieh mich an, sagt elli. ole sieht auf den stift in seiner hand. sieh mich an, sagt elli. ole sieht auf die leere seite im skizzenblock. sieh mich an, sagt elli. ole geht auf den balkon eine rauchen. elli geht am verteilerkasten vorm schulhof vorbei. am ende der sackgasse biegt sie rechts ab, setzt sich in die schaukel auf dem spielplatz und sieht der straßenbahn zu, wie sie anhält, licht in die nacht streut, die türen geschlossen läßt, weil niemand aussteigen will. sieh mich an, flüstert elli. aber die straßenbahn ruckt nur kurz und fährt weiter. dann steht ole neben dem efeuüberwachsenen zaun an der straßenecke. dann kommt er heran. dann legt er den ganzen sandkasten mit ellizeichnungen aus, und die rutschbahn und die wippe. dann kniet er im sand und sieht elli an. weil es ihr so wichtig ist. daß er sie ansieht: mit den augen.
„ansehen (für elli. und für ole)“
© Sudabeh Mohafez aka eukapirates
••• Sudabeh Mohafez‘ Texte habe ich kennengelernt, als ich auf der Suche nach Schlüsselversteckern war. Da war sie gerade mit Sack und Pack auf dem Weg von Portugal – ihrer Wahlheimat – nach Stuttgart, wo sie derzeit im „Schriftstellerhaus“ eine Schreibwerkstatt für Fortgeschrittene leitet. Zudem hat sie für das Sommersemester 2007 die Poetikdozentur an der Fachhochschule Wiesbaden übernommen. Den Schlüssel zu verstecken, das hat sie unmittelbar nach ihrer Ankunft in Stuttgart dennoch gern getan; und ihr Schlüsselbeitrag war eine Rätselblumen-Kurzprosa auf ihrem Weblog „zehn zeilen“.
„zehn zeilen“, das ist das Programm dieses Weblogs: intensive Prosa von nicht mehr als zehn Zeilen mit dem Untertitel „eukapirates versucht sich an der kleinen form“. „zehn zeilen“ ist also ein Weblog für Prosa-Miniaturen, für Etüden, Übungsstücke. Schreibwerkstatt, Poetikdozentur und eine reglementierte Übungsform – das sagt einiges über die Autorin: Sie arbeitet, am eigenen und am Text anderer. Sie unternimmt Versuche und scheut sich nicht, sie auch so zu benennen. Das finde ich sympathisch.
Was mich an ihrer Prosa am meisten bewegt, ist die liebevolle Zuwendung zu allem und jedem, das in diesen Texten Erwähnung findet, seien es elli und ole, ein Kamel oder eine rote Koralle. Mit offenem Herzen geht sie auf Menschen und Dinge zu. Sie nimmt sie an. Sie sieht sie an. Sie scheint sie anzulächeln; und nahezu folgerichtig lächeln sie zurück. So macht sie Poesie selbst aus einer unangenehmen Situation, wie sie sie beispielsweise in „Schicklich“ beschreibt.
Anschauen, annehmen, lächeln. Damit ichs auch ja nicht wieder vergesse, kommen die „zehn zeilen“ flugs „Auf die Rolle“.