Die Briefe der Ninon de Lenclos
Mittwoch, den 12. Dezember 2007••• Von Briefen ging für mich schon immer eine grosse Faszination aus. Ich habe selbst unzählige Briefe geschrieben — meine ersten Amouren waren Fernlieben; man sah sich nur alle drei Wochen, und die Zeit zwischen den Wiedersehen wurde mit täglich hin und her gehenden Briefen überbrückt. Das heisst, ich habe auch sehr viele Briefe bekommen. Immer heiss ersehnt, waren sie oft nicht weniger aufwühlend.
Aber Fazination ging auch und besonders von Briefen aus, die weder an mich gerichtet, noch von mir geschrieben worden waren. Da waren zum Beispiel die wenigen Briefe meines Urgrossvaters an meine Urgrossmutter aus dem Gestapo-Gefängnis in Leipzig, in dem er wenig später ermordet wurde. Oder der Brief, mit dem mein Vater kurz vor dem 25. Hochzeitstag seine Ehe beendete und den mir meine Mutter später zum Lesen gab. Aber da waren eben auch jene „literarischen“ Briefe, wie sie gelegentlich in Romanen vorkommen oder aus denen mitunter sogar ein ganzer Roman gebaut ist.