Kurzer Monatsrückblick

Samstag, den 31. März 2012

Hotel Orphée Regensburg
Das Freud-Zimmer im Hotel Orphée in Regensburg

••• Von unterwegs sendet man schnell mal ein Foto, einen Tweet oder eine Facebook-Nachricht. Einen Beitrag für den Turmsegler zu schreiben, erfordert dann aber doch mehr Sorgfalt und also Zeit; und an der fehlt es mir gerade sehr. Dennoch will ich nicht versäumen, ein wenig wenigstens zu berichten von den Lesungen und Veranstaltungen des letzten Monats, die hier noch nicht erwähnt wurden.


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Die Literatur der Ichzeit

Montag, den 24. Oktober 2011

Wir – Leser, Schriftsteller, Kritiker – leben, lesen und schreiben schon lange in einer literarischen Epoche und wissen es nicht. Vielleicht ahnen wir es, […] Aber dass die besten Romane der letzten fünfundzwanzig Jahre mehr verbindet als ihre Qualität, kam, glaube ich, noch keinem von uns in den Sinn.

••• Seit den Skizzen zu meinem ersten Roman »Der Libellenflügel« (1987) beschäftigt mich das Erzählen in der 1. Person. Ich sagen. Ein Ich erzählen lassen. Im »Alphabet des Juda Liva« bin ich, so sehe ich es heute, auf Abwege geraten. Heute kann ich mir nicht mehr vorstellen, vom Ich in der Prosa abzugehen. Schon damals habe ich die Weltliteratur durchforstet nach großen Ich-Erzählungen, und ich wurde fündig. Über alle Epochen hinweg kann man fündig werden.

Maxim Biller schreibt nun in der FAZ über die großen Ich-Erzählungen der letzten Jahrzehnte. »Ichzeit« sei, stellt er fest und glaubt, eine unter dem Ich stehende literarische Epoche ausmachen zu können.


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Maxim macht sich Luft

Sonntag, den 4. Januar 2009

••• Maxim Biller schwört, keine Literaturpreise anzunehmen. Vorher aber macht er sich in seiner F.A.S.-Besprechung von Thomas Bernhards nicht ohne Grund erst postum erschienenen Buch »Meine Preise« ordentlich Luft, indem er ihn ausgiebig zitiert mit dem immergleichen Wort: Arschloch. Mon Dieu! Haltet euch bloß diese Literaturpreise vom Hals!

Aufatmen für Maxim Biller

Sonntag, den 13. Juli 2008

Am 13. Februar 2008 hat das Landgericht München I den Autor Maxim Biller und den Verlag Kiepenheuer & Witsch dazu verurteilt, Schadensersatz in Höhe von 50.000 Euro samt Zinsen und Prozesskosten an eine Klägerin zu zahlen, die sich in Billers Roman „Esra“ erkennbar porträtiert und in ihren Persönlichkeitsrechten verletzt sah.

Dieses Urteil hat das Oberlandesgericht München am Dienstag dieser Woche in einem Revisionsprozess aufgehoben.

••• Obiges berichtete die „Süddeutsche“ am vergangenen Donnerstag. Und dieses Urteil gibt nun wenigstens Anlass, als Autor nicht völlig an diesem Justizirrsinn selber irr zu werden. Ein verbotener Roman ist als „Strafe“ bereits heftig. Darüber hinaus noch 50.000 Euro Schadenersatz zahlen zu müssen, das erschien mir bei Urteilsbegründung damals schon der Gipfel.

Der Hinweis auf Herbst, der durch Änderungen an seinem seinerzeit ebenfalls verbotenen Roman „Meere“ nun dessen Wiederfreigabe erreicht hat, hilft der Literatur auch nicht. Wo kommen wir hin, wenn wir uns als Autoren künftig schon während des Schreibens einen Anwalt nehmen müssen, um nur ja nicht Gefahr zu laufen, verboten zu werden? Wodurch unterscheidet sich das noch vom Schreiben in einer Diktatur?

Romane verbietet man nicht

Samstag, den 13. Oktober 2007

Bücher, schon gar nicht Romane, verbietet man nicht. Man verbrennt sie schließlich auch nicht. Ein Land, dessen Rechtssystem nicht begreift, dass man bestimmte Bereiche der Freiheit nicht antasten darf, macht mir einerseits Angst, andererseits macht es mich wütend.

••• Maxim Billers Roman „Esra“ ist nun tatsächlich auch letztinstanzlich – vom Bundesverfassungsgericht – verboten worden. Die beiden Damen, die sich darin porträtiert fanden, haben sich somit endgültig mit ihrer Klage durchgesetzt. Sie sahen ihre Persönlichkeitsrechte verletzt. Schadenersatz und ein Verbot des Buches haben sie sich erstritten. Ich sehe darin ein erbärmliches Armutszeugnis nicht nur der deutschen Justiz sondern auch des deutschen Verständnisses von Freiheit der Kunst (und letzten Endes auch der Presse).


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Wenn ich einmal reich und tot bin

Samstag, den 10. März 2007

••• Eben treffe ich via Spreeblick und YouTube einen Bekannten wieder: Maxim Biller. Und ich mache mir bei diesen Bildern Gedanken darüber, wie alt ich wohl geworden sein mag. Er möge mir das nachsehen.

Wir haben die Orte gewechselt. Als wir uns kennenlernten, lebte er in München und ich in Berlin. Jetzt fährt Malte mit ihm Wartburg in meiner alten Heimat, und ich finde inmitten Münchens das Buch nicht mehr, mit dem er mich initiiert hat. Das war „Wenn ich einmal reich und tot bin“, auf dem Cover ein Junge mit Cowboyhut und umgeschnallten Colts. Weil ich es nicht finde – es taucht beim Umzug nun hoffentlich wieder auf – kann ich an dieser Stelle nichts zitieren. Aber das lässt sich ja nachholen.

Als ich seine Erzählungen durch einen Zufall in die Hand bekam, hat es mich umgehauen. Er übertreibt es ja oft ein wenig oder auch ein wenig mehr. Aber Himmel, der Mann hat Power! Frech sein, das konnte ich vor dieser Lektüre in meinen Texten gar nicht. Farbe bekennen – auch so eine Schwierigkeit, die ich hatte. Er nicht.

Als diese Erzählungen erschienen, gab es etwa 10.000 Juden in Deutschland. Und es wurden immer weniger, weil die Überlebenden, wenn sie es sich leisten konnten, ihre Kinder zur Ausbildung ins Ausland schickten. Oft kehrten sie gar nicht erst zurück, sondern blieben in Israel, England, den USA. Das ganze jüdische Leben hier hatte etwas von Alte-Leute-Veranstaltung und unerträglichem Druck aus dem Gestern.

Ich trug mich herum mit einem jüdischen Thema für einen Roman, eine Familiensaga mit mystischem Hintergrund, die natürlich auch geprägt war von Toten und Exil. Aber darum sollte es nicht gehen. Wie kann man überhaupt über solche Themen schreiben als deutscher Autor? Maxim konnte mir diese Frage nicht beantworten. Aber seine Erzählungen und seine provokante Art gaben mir eine Vorstellung. Ich war nicht seiner Ansicht. Ich dachte nicht, dass es so sein müsste. Ich rieb mich an diesen Texten, lehnte vieles ganz leidenschaftlich ab. Aber aus dieser Ablehnung heraus kam mir eine Vorstellung, wie es mir gelingen könnte, die geplante Geschichte zu erzählen. So waren Maxims Erzählungen der vielleicht wichtigste Katalysator dafür, dass es mit dem „Alphabet des Juda Liva“ überhaupt etwas wurde.


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