Schlußstück
Montag, den 19. Februar 2007Der Tod ist groß.
Wir sind die Seinen,
lachenden Munds.
Wenn wir uns mitten im Leben meinen,
wagt er zu weinen
mitten in uns.
••• Da wir beim Thema sind… Heute lese ich einen Essay von Rabbiner Maurice Lamm über Sterbebegleitung. Und was lese ich da?
Während die Stunde der Dämmerung in der äusseren Natur leuchtende und unvergessliche Szenen hervorbringt, ist sie bei den Menschen meist grau und bleich, ein Dunst, der von der aufkommenden Finsternis verschluckt wird. Dies müsste nicht so sein. Nach dem anfänglichen Trauma sollte das Sterben als eine Stille empfunden werden, eine gelassene Heiterkeit, ein Zusammenkommen aller Ereignisse des Lebens, ein Schlussstrich, der alles zusammenfasst, ein bisher nicht gekannter Friede. Der unablässige Druck, „es zu schaffen“, der Drang nach immer mehr Besitz entfallen. Nun gibt es keinen Ruhm mehr zu ernten, keine unerreichbaren Ziele mehr zu erreichen, keine kleinlichen Machtpositionen mehr zu ergattern. Kein berühmtes Vorbild muss mehr nachgeahmt, niemand mehr beeindruckt werden. Keine Spiele sind mehr zu spielen. […] Der Patient am Lebensende kann sich endlich loslösen von allem, was nicht mehr unmittelbar zu seinem eigenen Selbst gehört. Er kann lieben, wen er lieben möchte, es gibt keine Hintergedanken mehr. Er ist allein mit seinem Sinn und seiner Seele, mit seinen Erinnerungen, seinem Glauben und seinen Werten. […] Es mag das erste Mal sein, dass er es sich leisten kann, in Reinheit und in völliger Aufrichtigkeit mit seinem eigenen Selbst zu leben.
Der Gedanke lohnt, ob dieser Zustand nicht auch zu erreichen wäre, bevor wir dem Tod ins Auge schauen müssen. Das wäre ein Leben.