Ilias. 4. Gesang

Samstag, den 24. Februar 2007

••• Als Fan der neuen Ilias-Übertragung von Raoul Schrott habe ich mich ja schon bekannt. In der aktuellen Akzente-Ausgabe 1/2007 gibt es nun einen Nachschlag für all jene, die nicht bis zum Erscheinen des Gesamtopus warten wollen oder können: den 4. Gesang der Ilias. Meine Begeisterung nutzt sich nicht ab!

Der vierte Gesang beginnt mit einem Göttergespräch im Olymp:

auf dem goldenen boden des olymp saßen zeus und die götter
zum rat versammelt. seine tochte, die ewig jugendliche hebe
mischte nektar in den wein und goß ihn in die goldenen becher.
sie prosteten sich gegenseitig zu und sahen auf troia hinunter –
zeus jedoch, ganz sohn seines verschlagenen vaters, begann
hera mit einem halb im ernst gemeinten seitenhieb zu ärgern:
[…]

Was ergibt sich, wenn Götter sich necken? Das passt irgendwie zur Diskussion, die wir vor einigen Tagen hier hatten: Wenn sie sich necken oder wenn sie zürnen, wenn sie wegschauen oder aus einer Laune die ihnen liebsten Städte der Vernichtung preisgeben, sind sie noch immer im Recht – weil sie Götter sind…

Zum zweiten Gesang der Ilias äussert sich im Heft Edzard Visser; und Barbara Patzek geht mit Bezug auf den 3. Gesang in der letzten Akzente-Ausgabe der Frage nach, warum Paris doch kein Feigling war und was überhaupt die Götter in der Ilias zu suchen hätten.

Auf dem Cover und zwischen den Deckeln gibt es darüber hinaus diesmal viel Durs Grünbein und dazu – wie gewohnt – ausgesuchte Lyrik aus aller Welt.

entwürfe

Mittwoch, den 14. Februar 2007

entwürfe - zeitschrift für literatur••• Zwei ehrwürdige deutsche Literaturzeitschriften mit über fünfzigjähriger Geschichte sind hier bereits ausführlicher erwähnt worden: Sinn und Form und Akzente. Deutlich jünger und in mancher Hinsicht auch frischer sind die Schweizer „entwürfe“, eine weitere deutschsprachige Zeitschrift für Literatur.

Ihre Wurzeln hat die Zeitschrift im Autorenforum „einspruch“, das 1986 bis 1991 von Max Frisch, Alexander J. Seiler, Arnold Künzli, Otto F. Walter, Erica Pedretti und Adolf Muschg herausgegeben wurde. Mitte der neunziger Jahre fusionierte „einspruch“ mit der nur vier Jahre vor dem Autorenforum gegründeten „zündschrift“. Herausgegeben wird das 150 Seiten starke Heft vierteljährlich in einer Auflage von etwa 1000 Exemplaren durch den Verein „entwürfe“. Dies gelingt nur dank der finanziellen Unterstützung durch die Stiftung Pro Helvetia, den Migros Kulturprozent und Förderabos, deren Abnehmer sich das Heft ein Vielfaches des aufgedruckten Preises von 12 € bzw. 19 Franken kosten lassen.


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Akzente

Samstag, den 6. Januar 2007

••• Im Dezember habe ich mit Zuneigung von „Sinn und Form“ als altehrwürdiger Freundin berichtet. Nicht weniger ehrwürdig ist eine weitere Literaturzeitschrift, die seit nun schon 53 Jahren vom Hanser Verlag herausgegeben wird: „Akzente“.

Interessenten können ein Kennenlernexemplar kostenfrei online bestellen. Eine Übersicht über die bisherigen Ausgaben, die zum Teil bestellbar sind, findet sich hier. Wer wirklich an Lyrik interessiert ist, wird um ein Abonnement nicht herumkommen.

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meine freundin

Freitag, den 15. Dezember 2006

meine freundin ist einsam wie ich. wir stammen
von vätern und müttern zu vielen, wir stammen
von männern, die einander nicht grüßen, hell
ihre schläfen, hoch und sich fremd. meine
ihre schläfen, hoch und sich fremd. meinefreundin
liebt weiße lilien zum tag, die tragen wir nicht zu den
gräbern hinaus, die blühen an unseren augapfelpaaren,
als schlieren zu treiben darauf. und niemals / niemals sich
als schlieren zu treiblösen. unser blick ist von lilien verstellt

Ulrike Almut Sandig, aus: „Sinn und Form“ 5/2006

••• Ulrike Almut Sandig hätte ich früher entdecken können. Habe ich aber nicht, weil wohl mein Blick zu oft rückwärts gewandt ist.

Ulrike Almut Sandig, 1979 in Großenhain geboren, schloss nach längeren Aufenthalten in Frankreich und Indien ein Studium der Religionswissenschaft und Indologie an der Universität Leipzig ab. Seit 2004 studiert sie am Deutschen Literaturinstitut Leipzig und veröffentlicht in Zeitschriften und Anthologien. Sie ist Mitgründerin des Straßenliteraturprojektes augen::post (2001 – 2005), gemeinsam mit Marlen Pelny steht sie seit 2001 mit einem literarisch-musikalischen Programm auf der Bühne. Ihr Lyrik-Band „Zunder“ erschien 2005 in der Connewitzer Verlagsbuchhandlung. Im Mai 2006 wurde sie mit dem Lyrikpreis Meran ausgezeichnet.

Dass ich nun doch auf die Gedichte dieser jungen Lyrikern gestossen bin, verdanke ich einer – man darf das schon so sagen – altehrwürdigen Freundin: „Sinn und Form“. Die Zeitschrift der Akademie der Künste erscheint 6x im Jahr, seit Jahrzehnten in unverändert nüchternem Outfit. 58. Jahrgang steht heute auf dem Cover. Doch staubig ist höchstens die äussere Anmutung des Heftes. Für mich sind es auch und besonders die Veröffentlichungen neuer deutscher Lyrik, die das Heft immer wieder zu einer spannenden Lektüre machen, wenn sie auch nur einen kleinen Teil der angebotenen Inhalte ausmachen.

Ich erinnere mich noch gut an meinen ersten und einzigen Besuch in der Redaktion. Das war 1992. Ein Kapitel meines später bei Ammann erschienenen „Alphabet des Juda Liva“ sollte im Vorabdruck veröffentlicht werden. Ich hatte die Korrekturfahnen durchzusehen. Alles musste schnell gehen. Eine sehr resolute, für mein damaliges Verständnis reife Dame erwartete mich. Gern gelesen hätte sie das Stück Prosa, sagte sie. Aber: „Sie müssen noch viel lernen!“

Recht hatte sie, mache ich auch. Unter anderem dank „Sinn und Form“. Mit einer gehörigen Erweiterung des allgmeinen Bildungshorizonts muss immer gerechnet werden, wenn man eine „Sinn und Form“ zur Hand nimmt und zu stöbern beginnt.