Am Robbenkap

Dienstag, den 5. Oktober 2010

Karin Christiansen: »Kopf in Kiste« (Skulptur, Holz, 50x40 cm)
Karin Christiansen: »Kopf in Kiste« (Skulptur, Holz, 50×40 cm)

Man sagt, sie gehe jede Nacht hinaus und lege
Decken auf die Gräber, um sie warm zu halten.
Das Ausmaß ihrer Trauer sei erschreckend.

© Robin Robertson
aus »Am Robbenkap« in:
»The Wrecking Light«, Picador 2010
Deutsch von Jan Wagner

••• In den von mir so geschätzten »akzente«-Heften geht es auch oft um Übersetzungsfragen, speziell denen der Übertragung von Gedichten. Dem Hanser- und »akzente«-Herausgeber Michael Krüger ist es zu danken, dass der poetische Horizont des interessierten deutschen Lesers immer wieder einmal gehörig erweitert wird und man Bekanntschaft schließen kann auch mit fremdsprachigen Dichtern, die hierzulande ganz unverdientermaßen (noch) unbekannt sind.

In der Ausgabe 4/2010 der »akzente«, die ich auf Lanzarote bei 50 °C am Pool las, stieß ich auf einen solchen (englischsprachigen) Dichter, dessen Verse mich umgehend elektrisierten – wohl wegen ihres starken mytisch-magischen Touchs, aber auch wegen ihres poetischen Ungestüms. Das sind Verse zum Anfühlen, Erriechen und Erschmecken: klamm, moosig, von Seeluft und Waldduft durchzogen, salzig und mitunter mit dem metallischen Beigeschmack von Blut.


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hüte dich

Dienstag, den 21. September 2010

Augapfel - © Evoline + Karin Schmidt / pixelio.de
Augapfel – © Evoline + Karin Schmidt / pixelio.de

als kinder wollten wir immer
in andere länder
marschieren, aber
am waldrand waren wir alt
& mußten zurück.

ein augapfel die mutter, ein
augapfel der vater;
& mußten wir abends zur zeit
nnnach haus, so
rollten uns beide voraus

© Lutz Seiler (2010)
aus: »im felderlatein«
Gedichte, Suhrkamp Verlag 2010

••• Vor unserer gemeinsamen Lesung in der »Villa Kivi« in Helsinki saß ich mit Lutz Seiler noch ein paar Minuten abseits vom Publikum, und äugte interessiert auf einen Lyrikband, den er bei sich hatte. Es war sein eigener, neuer, am gleichen Tag erschienen. Er hatte ein Vorabexemplar dabei und reichte es mir über den Tisch.


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Die Metapher Wüste

Freitag, den 18. Juni 2010

Die Wüste Negev, Quelle: Wikipedia
Die Wüste Negev • Quelle: Wikipedia

To see a world in a grain of sand,
And a heaven in a wild flower,
Hold infinity in the palm of your hand,
And eternity in an hour.

William Blake (1757-1827)
aus: »Auguries of Innocence« (1803)

••• Die Schrift – und damit die Literatur – kommt aus der Wüste. Was wunder, dass die Literatur aller Epochen immer wieder zum Sujet der Wüste zurückkehrt? So schreibt es Chaim Noll in seinem ebenso poetischen wie stoffreichen und inspirierenden Essay »Die Metapher Wüste • Literatur als Annäherung an eine Landschaft«, erschienen im Heft 3/2010 der »Sinn und Form«.

Geschrieben ist der Essay bereits 2005. Unter dem Titel »Jenseits der Katastrophen • Die Erforschung der Wüste als existenzielles Konzept« kann man ihn von der Website Chaim Nolls als PDF herunterladen. *)

Wie kann es sein, dass ein und derselbe Artikel zwei so unterschiedliche Titel tragen kann? Tatsächlich leistet Chaim Noll hier erstaunlich Interdisziplinäres. Er berichtet von der momentan weltweit voranschreitenden Desertifikation (dem Zu-Wüste-Werden) großer Landflächen, gibt ein wenig Einblick in den aktuellen Stand der Wüstenforschung; vor allem aber nähert er sich dem Thema als Literat vor einem psychologischen und auch religiösen Hintergrund.


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Erinnerungen an eine Dichterin

Mittwoch, den 3. März 2010

Die Lyrikerin Charlotte Grasnick in Volltext 1/2010
»Die Lyrikerin Charlotte Grasnick« in Volltext 1/2010

••• Ich bin zurück aus Mainz – erschöpft, aber glücklich über neue Bekanntschaften und interessante Gespräche. Und was finde ich zu Hause? Dass ich die »Volltext« jedesmal gern zur Hand nehme, habe ich hier sicher schon mehrfach verkündet. Heute hatte ich allerdings besonderen Grund zur Freude, denn das um etwa ein Drittel gekürzte Nachwort zu Charlotte Grasnicks Gedichtband »So nackt an dich gewendet« ist in der aktuellen Ausgabe 1/2010 nun in sehr schöner Aufmachung vorveröffentlicht.

Diese Erinnerungen an Charlotte sind auch Erinnerungen an meine ersten Gehversuche als Autor, bei denen Charlottes Bildung und Meinung eine wichtige Rolle spielten. Ich hoffe, dass die Lektüre dieses Nachworts viele Leser neugierig macht auf die Gedichte. Sie haben es verdient.

El sueño de la razón

Donnerstag, den 14. Januar 2010

Fracisco de Goya: El sueño de la razón produce monstruos
Fracisco de Goya: El sueño de la razón produce monstruos

Eine Übersetzung ist etwas anderes als eine Interpretation, obwohl sie, zugegeben, Interpretation nicht immer vermeiden kann. Wer etwa den berühmten Goya-Satz (im »Capricho 43«) »El sueño de la razón produce monstruos« übersetzt, muß ihn interpretieren: entweder »Der Schlaf« oder dann »Der Traum der Vernunft erzeugt Ungeheuer« – einfach weil »el sueño« beides heißen kann. Die spanische Sprache entscheidet sich hier nicht, sie hat nur ein Wort für beides, und dies »funktioniert« auch, weil im Normalfall der Verwendung ja klar ist, ob Schlaf gemeint ist oder Traum. Entweder also die Ungeheuer entstehen dadurch, dass sich die Vernunft, metaphorisch geredet, zur Ruhe begibt, also einschläft, oder (es wäre etwas ganz anderes) dadurch, dass die Vernunft träumt. Entweder also ist das aufklärerische Kritik am Irrationalismus oder aber, gerade umgekehrt, antiaufklärerische Kritik an einer selbstherrlichen, sich träumend überhebenden Vernunft.

Hans-Martin Gauger: »Was ist eine Übersetzung?«
Aus: »akzente« 6/2009, S. 519

••• Der Verlag brauchte gestern die englische Übertragung eines Satzes aus der »Leinwand«. Zichroni sagt gleich zu Beginn seines Teils des Buches: »Unsere Erinnerungen sind es, die uns zu dem machen, was wir sind.« Ein einfacher Satz, dachte ich, aber um eine Übersetzung war ich dann doch verlegen. Die zwei Vorschläge, die der Verlag unterbreitete, stellte die Herzdame via Facebook ihren englischsprachigen Freunden zur Diskussion. Man glaubt nicht, wie viele Varianten da genannt wurden.


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Die Grenze

Donnerstag, den 27. August 2009

Meine Tochter hat mich gefragt,
ob ich ihr Kaugummi mitgebracht hätte.

Ich sagte, ich hätte kein Kaugummi mitgebracht,
aber dafür sei ich jetzt wieder da.

Sie erwiderte, ich sei das eine,
Kaugummi sei dagegen etwas gänzlich anderes.

Ich wies sie darauf hin, sie könne nicht
immerzu irgendetwas erwarten.

Sie berichtigte mich:
»Nicht irgendetwas, sondern Kaugummi.«

Und obgleich die Sonne schien
und die Vögel um die Wette sangen

und das Gras im Park leuchtend grün war,
weinte meine Tochter wie eine Gießkanne.

Eine glückliche Welt gibt es und eine unglückliche,
zwischen den beiden – ein Kaugummi.

Kristin Dimitrova
Aus dem Bulgarischen von Norbert Randow
akzente 4/2009, Hanser Verlag

akzente 4/2009••• Eine Woche war die Familie getrennt. Erst fuhr ich nach Antwerpen, dann, vor meiner Rückkehr, die Herzdame nach Gruyéres, um das dortige Giger-Museum zu besichtigen. Die Kinder verbrachten ein paar aufregende Tage bei der Oma. Morgen kommen sie zurück. Und ich bin vorbereitet: Aus Antwerpen habe ich eine große Tüte Kaubonbons mitgebracht. Also hoffe ich, dass keiner weinen muss »wie eine Gießkanne«.

Bei meiner Rückkehr am Sonntag fand ich im Poststapel die diesmal in orange gehaltene akzente-Ausgabe 4/2009. Ulrike Almut Sandig hat die höheren Weihen des akzente-Covers erhalten. Das hat mich ungemein gefreut, die neuen Gedichte von ihr ebenso. Aber, darf ich sagen, die Freude wurde noch gesteigert. In den letzten Tagen habe ich den von Tzveta Sofronieva zusammengestellten Querschnitt durch die bulgarische Poesie der Gegenwart gelesen; und diese Gedichte waren, Sandigs Texte in Ehren, die eigentliche Entdeckung in diesem Heft.


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Turmsegler bei DILIMAG

Montag, den 17. August 2009

DILIMAG Logo••• Das Innsbrucker Zeitungsarchiv (IZA) zur deutsch- und fremdsprachigen Literatur ist eine Einrichtung des Institut für Germanistik an der Universität Innsbruck. Ausgehend von einer Zeitungsausschnittsammlung, deren Anfänge bis in die frühen 1960er Jahre zurückreicht, hat es sich zu einem breit angelegten Medienarchiv entwickelt und gilt seit einigen Jahren als die größte universitäre Dokumentations- und Forschungsstelle für Literaturkritik, Literaturvermittlung und Massenmedien im gesamten deutschen Sprachraum. Auf der Basis ausgewählter deutschsprachiger Printmedien (derzeit 32 Tages- und Wochenzeitungen und mehr als 40 Literatur- und Kulturzeitschriften) sowie der Hörfunk- und Fernsehprogramme der öffentlich-rechtlichen Rundfunk- und Fernsehanstalten in Deutschland, Österreich und der Schweiz beobachtet und dokumentiert das IZA die nichtwissenschaftliche, journalistische Literaturkritik und Literaturvermittlung in diesen Ländern.

Das zum IZA gehörende Projekt DILIMAG beschäftigt sich seit März 2007 mit der Erfassung, Beschreibung und Archivierung von deutschsprachigen digitalen Literaturmagazinen. Das Projekt wird in Zusammenarbeit mit DEA (Abteilung für Digitalisierung und elektronische Archivierung der Universitätsbibliothek Innsbruck) ausgeführt. Die Finanzierung trägt der österreichische Forschungsfond FWF.

Unter die Literaturzeitschriften zählt DILIMAG auch deutschsprachige Weblogs, die sich mit Literatur auseinandersetzen. Auch diese Weblogs werden elektronisch archiviert, um sie dauerhaft für die Forschung zugänglich zu machen.


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