Belegte Herkunft

Montag, den 21. Juli 2008

Meiner Frau erzähle ich vorerst noch nichts von meinem Fund. Wenn es auch im Moment nicht den Anschein haben mag, dass große Hoffnungen berechtigt wären, denke ich doch, ich werde schnell plausible Erklärungen finden, was den Koffer und die Gegenstände betrifft, die sich in ihm befanden. Bis dahin genügt es, wenn ich selbst beunruhigt bin. Ich muss damit jetzt niemanden anstecken.

Die Dorian-Gray-Ausgabe von Penguin Modern Classics, die mir sofort in den Sinn gekommen war, als ich den Koffer inspizierte und auf das Wilde-Buch stieß, diese Ausgabe habe ich jedenfalls gefunden. Allerdings stand sie nicht bei meinen Büchern, sondern in einem der Regale meiner Frau. Sie hat die Eigenart, die Kaufbelege, seien es nun Kassenzettel, Rechnungen des Online-Versands oder Lieferscheine von Antiquariaten, zusammen mit den Büchern aufzuheben. Sie meint, das sei eine schöne Sache, sollte sie ein Buch einmal verkaufen. Es dokumentiere für den Neubesitzer quasi ein Stück Wegs, den das Buch bislang genommen hat.


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Jan Wechsler bin ich

Sonntag, den 20. Juli 2008

Ganz gleich, wie sehr man sich verweigert, wie lange und wie stark man angekämpft hat gegen den Impuls, etwas bestimmtes zu tun – im Augenblick unmittelbar nach einer unvermeidlichen Tat wird man immer erstaunt sein, wie leicht es doch war, wie schnell geschehen und wie wenig letztendlich dazu gehörte, die Grenze zu überschreiten. Es war schwierig, ein gigantisches Hindernis, unvorstellbar zu überwinden – bevor es getan war. Sekunden später nur ist es nur noch banal.

Ich habe den Koffer geöffnet und ausgepackt.

••• Jan Wechsler bin natürlich nicht ich. Das ist nur ein Zitat.

Die Leinwand: Jan Wechsler (1)
© Benjamin Stein (2008)
Dauer: 34:33

Unentdeckte Täterschaft

Freitag, den 18. Juli 2008

Wenn mir wirklich jemand am Zeug flicken will und mir den Koffer untergejubelt hat, ist es allemal besser, ihn zu öffnen und mir Gewissheit zu verschaffen. Zurückgeben kann ich ihn ohnehin nicht mehr. Die Fluggesellschaft meint, beweisen zu können, ich selbst hätte ihn in Tel Aviv am Checkin-Schalter aufgegeben. Der Adressanhänger, der nun wirklich aussieht, als hätte ich selbst ihn beschriftet, spricht auch nicht gerade für meine Version, ihn noch nie zuvor gesehen, geschweige denn selbst gepackt zu haben. Und wäre das alles auch nicht der Fall, wäre es doch heute – Monate, nachdem der Kurier mir den Koffer zugestellt und mein Nachbar Molina den Empfang quittiert hat – ganz sicher für jede Reklamation zu spät.


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Jet Set

Donnerstag, den 17. Juli 2008

Der zweite Pilotenkoffer, den ich nachweislich besessen habe, war ein Geschenk meiner Mutter anlässlich der Gründung meines Verlages.

Du wirst ja nun wieder viel fliegen müssen, meinte sie, als sie mir das Geschenk überreichte, eher besorgt als begeistert.

Ich weiß nicht, aus welchen Quellen meine Mutter ihre Informationen über den gewöhnlichen Alltag eines Verlegers bezog. Welchen Jet-Setter auch immer sie da vor Augen gehabt haben mochte, um den Inhaber eines literarischen Kleinverlages kann es sich unmöglich gehandelt haben. Aber mütterliche Fürsorge hat bekanntlich nicht nur eine unendliche Halbwertzeit; sich gegen sie aufzulehnen, ist darüber hinaus so vergeblich wie ein Kampf mit Naturgewalten. Sachliche Argumentation führt höchstens zu Komplikationen. Immerhin geht es in einem solchen Fall um hehre mütterliche Gefühle, die man besser nicht durch kleinliche Einwände verletzt.


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Es will mir nicht einfallen

Mittwoch, den 16. Juli 2008

[…] Der Koffer selbst allerdings war hin.

Ein Problem war das nicht, denn wenige Tage später kündigte ich meine Stelle bei der Zeitschrift, weil…

Das ist nun wirklich merkwürdig; und ich würde lügen, behauptete ich, nicht beunruhigt zu sein. Tatsächlich kann ich mich im Moment nicht erinnern, warum ich damals gekündigt habe.

Warum wollte ich – noch dazu ausgerechnet nach dieser Amerika-Reise – nicht mehr als Redakteur arbeiten? Ich weiß es nicht. Ich muss sogar einräumen, dass ich augenblicklich allenfalls annehme, selbst gekündigt zu haben. Sicher bin ich mir nicht.


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Wahr ist…

Dienstag, den 15. Juli 2008

Wahr ist, dass ich bereits zweimal in meinem bisherigen Leben einen ganz ähnlichen Koffer besessen habe. Den einen legte ich mir zu, kurz nachdem ich meine erste feste Stelle als Redakteur bei einer Monatszeitschrift angenommen hatte. Das ist unterdessen gute fünfzehn Jahre her; aber ich erinnere mich noch genau an den Kauf.


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Ich wüsste nicht…

Montag, den 14. Juli 2008

Besagter Koffer

••• LaTortuga vermutet, ich wüsste nicht, was sich in besagtem Koffer befindet. O doch, denn er ist, wie man leicht erkennen kann, offen. Auch dass er tatsächlich bereits länger herumgestanden hat, lässt sich nicht leugnen. Man beachte den Staub.