Dramaturgie eines Verhörs (III)

Dienstag, den 7. Oktober 2008

••• Keine Oper ohne Ouvertüre. Auch das Verhör-Kapitel braucht eine. Wie wäre es mit einem Exkurs über Angst und Scham?

 

Ich hasse es, überprüft zu werden. Nicht einmal die vorhersehbare Fahrkartenkontrolle in der U-Bahn in den ersten Tagen eines jeden Monats überstehe ich ohne Herzrasen und einen Adrenalinstoß, der mich Minuten später noch fahrig macht. Ich habe kein schlechtes Gewissen. Es ist eher die Angst, bei einem versehentlichen Fehltritt ertappt zu werden oder mich für ein Fehlverhalten rechtfertigen zu müssen, das ich nicht erklären kann.


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Dramaturgie eines Verhörs (II)

Dienstag, den 7. Oktober 2008

Anna Seghers
Anna Seghers (1900-1983)

••• Das Verhör-Kapitel zu schreiben, macht einen Heidenspaß. Ich habe zunächst nur den reinen Dialog skizziert, ihn dramaturgisch geordnet und in Sektionen unterteilt. Ich steige ein mit einer Ouvertüre: Variationen über das Thema Angst. Dann beschreibe ich die Örtlichkeit, bevor die Vernehmung völlig harmlos beginnt.

Ein derart langer Dialog ist eine Katastrophe für mich. Beginnt man, den Thesaurus zu plündern, um Synonyme für sagen, fragen und antworten zu sammeln, steht man schon mitten im Krampf. Einige Tricks habe ich probiert, die – ich habe schon 4/5 des Kapitels fertig – wunderbar funktionieren.


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Dramaturgie eines Verhörs

Montag, den 6. Oktober 2008

Szenenfoto aus dem Film »Das Verhör«
Szenenfoto aus dem Film »Das Verhör« (nicht der hier erwähnte)

••• Ich habe es mir bei der »Leinwand« an vielen Stellen nicht leicht gemacht. Auch das Wechsler-Kapitel 10 wird eine Herausforderung. Das Wechsler-Finale wird mit diesem Kapitel eingeleitet, und es besteht ausschließlich aus einem Verhör.

Wechsler hat sich einerseits seit Jahren in Lügen verstrickt. Anderseits ist er sich mittlerweile seiner eigenen Identität völlig unsicher geworden. An entscheidende Details seiner letzten Israel-Reise erinnert er sich gleich gar nicht. Wenn er nun von einem israelischen Beamten am Flughafen abgepasst wird, um ein paar Fragen zu beantworten, hat er schlechte Karten…


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In der Sprache gefangen

Montag, den 6. Oktober 2008

Synagoge am Fraenkelufer in Berlin-Kreuzberg
Synagoge am Fraenkelufer in Berlin-Kreuzberg

Die Erfahrung der wenigen Stunden Exil, die ich am Spreeufer in Kreuzberg gemacht hatte, war noch frisch. Vielleicht glaubte ich, dass ich, da ich diese Stunden überstanden hatte, auch bewusst Abschied vom Kleinen Land nehmen könnte. Alles würde sich ändern. Das war damals jedem klar. In einigen Stadtbezirken wurde die Mauer bereits abgerissen. Helmut Kohl tourte durchs Land und badete sich in den Sprechchören: »Wir sind ein Volk!« Mir kam das vor wie eine offene Drohung.


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Nach Israel

Sonntag, den 5. Oktober 2008

Clouds In Sky – © Juliet Lofaro
Clouds In Sky – © Juliet Lofaro

Ich stand noch eine Weile im Hof und beobachtete die Taube bei ihren verzweifelten Ausbruchversuchen. Dann ging ich nach oben. Als ich meinen Mantel aufhängte, entdeckte ich sie auf dem Fensterbrett.

Was soll ich tun?, hörte ich mich fragen. Ich beugte mich hinunter und sah tief in ein starres, gelb geschecktes Auge, das mich zu mustern schien. Die Taube gurrte, schlug mit den Flügeln und flog davon. Da ist mir etwas aufgegangen.

Will man etwas wiederfinden, muss man dorthin zurückkehren, wo man es verloren hat. Das Wort »Berndeutsch« hatte genügt, mir in Erinnerung zu rufen, wo meine Mutter lebt. Vielleicht, dachte ich, würde auch der Rest meiner verlorenen Erinnerungen wieder auftauchen, wenn ich nach Israel zurückkehrte. Was immer meine Erinnerungen fortgespült hat, die ich loswerden wollte – es muss in Israel geschehen sein, wohin ich Ende letzten Jahres zum ersten Mal gereist bin.


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