Verharren

Freitag, den 9. März 2007

Gioconda Belli

Ein Verharren will ich, das uns alle eint.
Ein Verharren der Arme, Beine, Haare,
ein Verharren, das aus jedem Körper ersteht.

Ein Verharren will ich
der Arbeiter, der Tauben
Chauffeure, Blumen
Techniker, Kinder
Ärzte, Frauen

Ein allgemeines Verharren will ich,
das selbst die Liebe erfaßt.
Ein Verharren, das alles reglos macht,
die Uhr, die Fabriken
das Beet, die Schulen
den Bus, die Krankenhäuser
die Landstraße, die Häfen

Ein Verharren der Augen, Hände, Küsse
Ein Verharren, das Atmen verbietet,
ein Verharren, das Stille hervorbringt,
ein Verhadamit wir die Schritte
ein Verhades Tyrannen hören, wenn er davongeht.

Gioconda Belli
Übertragung: Christel Dobenecker

••• Auch das also ist Gioconda Belli. Ihre Leidenschaft ist nicht nur der erotischen Poesie vorbehalten…

Ihn erwarten

Donnerstag, den 8. März 2007

Miniature Bird - © 2006-2007 by ~zerosector@deviantart.com

Am Morgen
erwache ich wie eine Gazelle
freudig im Busch
freudig und warte auf dich.

Am Mittag,
vergraben zwischen Blumen,
male ich deinen Namen
in den Bauch der Flüsse.

In der Dämmerung,
bebend vor Liebe, ducke ich mich
und warte darauf,
daß du kommst in der Nacht,
daß du kommst und dich niederläßt
wie ein Vogel auf mir
und deinen Körper
über mir schwingst
wie eine Fahne.

Gioconda Belli, aus: „Zauber gegen die Kälte“
© Peter Hammer Verlag 1992

••• Als wäre es eine Antwort auf das Gedicht von gestern

Unter den Autoren in der erwähnten Anthologie ist eine Dichterin, die auch in Deutschland zu grösserer Bekanntheit gekommen ist: Gioconda Belli. Liebesgedichte mit erotischem Touch, das ist das Label, das ihr anhaftet. Mir ist das, um ehrlich zu sein, ein wenig zuviel von Schenkeln, Fruchtfleisch und Lilienknospen geredet. Doch nicht überall – wie zum Beispiel hier, in diesem Gedicht.

Weniger bekannt dürfte sein, mit welcher Kraft Gioconda Belli zur Zeit vor und während der Revolution in Nicaragua gegen den Diktator Somoza angeschrieben hat. Morgen gibt es eine Kostprobe davon.