Krüge

Mittwoch, den 7. Februar 2007

Exposed Pottery - © 2006-2007 =33xiT@deviantart.com
Exposed Pottery – ©2006-2008 by =33xiT@deviantart.com

„Alle sind wir Krüge“, sagte der Töpfer, und als ich lächelte, fügte er hinzu: „Du bist ein leerer Krug. Eine große Liebe hat dich umgestülpt, und nun wirst du dich nicht mehr füllen. Du warst nicht demütig. Du sträubst dich, wie andere Krüge zu den Zisternen hinabzusteigen, unreines Wasser in dich aufzunehmen. Auch bist du nicht bereit, dich von den kleinen Liebkosungen zu nähren, wie es einige meiner Krüge tun, die sich den langsam gleitenden Tropfen öffnen, die die Nacht in sie fließen läßt, die von solcher kurzen Kühle leben. Du bist auch nicht rot, sondern weiß vor Durst. Nur die höchste Glut kennt diese entsetzliche Weiße.“

Gabriela Mistral, aus: „Desolación“
Übertragung: Albert Theile
© der Übertragung Luchterhand 1958

••• Dieses Gedicht aus dem Zyklus „Motive des Töpfertons“ kam mir immer wie die späte Versöhnung der Dichterin mit sich selbst und dem eigenen Schicksal vor. Jetzt stelle ich fest: Die „Sonette vom Tode“ und diese Gedichte stammen alle aus der gleichen Zeit, aus dem gleichen Band: „Desolación“.

Falls der Tod kommt

Dienstag, den 6. Februar 2007

Postkarte von Gabriela Mistral an Eduardo Barrios

Bist du verwundet, fürchte dich nicht, mich zu rufen. Ruf mich, wo immer du bist, selbst aus dem Bett der Schande. Ich werde herbeieilen, wäre auch der Boden bis zu deiner Türe mit Dornen bestreut.

Ich will nicht, daß irgendeiner, nicht einmal Gott, dir das Kissen unter dem Haupt richte.

Auf meinen Leib achte ich nur, damit ich dein Grab schützen kann vor Regen und Schnee. Meine Hand wird auf deinen Augen ruhen. Die schreckliche Nacht sollen sie nicht erblicken.

Gabriela Mistral, aus: „Desolación“
Übertragung: Albert Theile
© der Übertragung Luchterhand 1958


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Die Sonette vom Tode

Montag, den 5. Februar 2007

Desolation - © 2004-2007 ladybanui

••• Liebe und Tod, dicht beieinander, wie bei Salome, wie bei Blaubart… In kaum einem dichterischen Werk sind sie so eng verbunden und immer gegenwärtig wie bei Gabriela Mistral. Der Freitod ihres Jugendgeliebten Romelio Ureta ist der Ausgangspunkt ihrer Gedichte in „Desolación“, dem Gedichtband, mit dem sie ihren Ruhm begründete. Und es sollten die stärksten Gedichte ihres Werkes bleiben, wie selbst der Laudator bei der Verleihung des Nobelpreises 1945 an sie feststellte:

Die ganze reiche ibero-amerikanische Literatur ist in unsere Würdigung eingeschlossen, wenn wir uns heute im besonderen an ihre Meisterin wenden, an die Dichterin von „Desolación“…

Hjalmar Gullberg, 10. 12. 1945

Für die „Sonette vom Tode“ erhielt Gabriela Mistral mit 25 Jahren den Chilenischen Literaturpreis, der in Santiago in volksfesthafter Atmosphäre verliehen werden sollte. Die introvertierte, schüchterne Dichterin, die sich ihr Pseuodnym nach ihren Dichtervorbildern Frédéric Mistral und Gabriele d’Annunzio gewählt hatte, wagte damals nicht, vor die Menge zu treten, um ihn entgegenzunehmen.


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