Kameraden

Dienstag, den 3. August 2010

••• Literatur kann ich dieser Tage nur in homöopathischen Dosen zu mir nehmen. Lustlos schleiche ich um den Stapel der ungelesenen Neuanschaffungen herum. Da wäre einiges Lesenswerte, aber nichts »macht mich richtig an«, so dass ich dazu greifen müsste. Also habe ich vor zwei Wochen etwa in den Regalen mit den »Altbeständen« gestöbert und nach einem bb-Taschenbuch (Aufbau Verlag, DDR) von 1969 gegriffen: Franz Fühmanns Erzählungsband »Tage« (nicht zu verwechseln mit »Zweiundzwanzig Tage oder die Hälfte des Lebens«). Die darin enthaltenen Erzählungen findet man heute wahrscheinlich nur in der achtbändigen Werkausgabe (sollte man die mal bestellen?) oder aber antiquarisch in diesem oder jenem Sammelband mit Fühmann-Erzählungen.

»Tage« enthält fünf Erzählungen über Kriegserfahrungen: »Kameraden«, »Das Gottesgericht«, »Die Schöpfung«, »König Ödipus« und »Kapitulation«. Ich habe in den letzten Wochen nur die beiden ersten lesen können, jeweils in einem Stück und jeweils nachher so berauscht und demütig, dass ich es kaum beschreiben kann. Ich fühlte mich an meine Tschechow-Erfahrung erinnert, wenngleich Fühmann natürlich ganz andere Themen verhandelt und sprachlich wie technisch noch einmal ganz andere Saiten anzupft als Tschechow.


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Der Stachel der Romantik

Donnerstag, den 13. August 2009

Franz Fühmann
Franz Fühmann (1922-1984)

••• Beim Umräumen der Unordnung in meinem Arbeitszimmer fiel mir vor ein paar Tagen eine noch ungelesene »Sinn und Form« in die Hand, die erste Ausgabe dieses Jahres vom Januar/Februar. Ein Glücksfund. Das Jahr begann nämlich – von mir unbemerkt – mit einem Essay von Gunnar Decker über die kurze, aber Aufsehen erregende Rückbesinnung einiger DDR-Autoren Ende der 1970er, Anfang der 1980er Jahre auf – die Romantik. Ich erinnerte mich spontan an Hermlins »Abendlicht« und Christa Wolfs »Kein Ort. Nirgends«. Und tatsächlich, bestätigt mir Decker, gehörten jene zu den konterrevolutionären, romantischen Verschwörern.

Einer unwürdigen Beschäftigung gingen diese Autoren nach, denn »Die Kunstrichtung der Romantik bestand aus zehntausend Autoren, deren Namen wir alle vergessen haben. Keiner von ihnen vermochte zu schreiben.« So Peter Hacks.

Überhaupt, so Hacks, seien aIle Romantiker Verschwörer […] : »Das erste Auftauchen der Romantik in einem Land ist wie Salpeter in einem Haus, Läuse auf einem Kind oder der Mantel von Heiner Müller am Garderobenhaken eines Vorzimmers. Ein von der Romantik befallenes Land sollte die Möglichkeit seines Untergangs in Betracht ziehen.«

Wie weitsichtig Hacks da in seiner ungestümen Parteilichkeit war!


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