Nicht mehr bewacht

Sonntag, den 26. August 2007

Rainer Maria Rilke

Seit mich mein Engel nicht mehr bewacht,
kann er frei seine Flügel entfalten
und die Stille der Sterne durchspalten,
denn er muß meiner einsamen Nacht
nicht mehr die ängstlichen Hände halten
seit mich mein Engel nicht mehr bewacht.

Rainer Maria Rilke

••• Per Mail habe ich leider noch nicht wie gehofft Hinweise auf markante Engelsgedichte bekommen. So suche ich selbst weiter.

Wäre dieses Weblog nicht, ich würde mich wohl nicht dafür interessieren, wie die einzelnen Autoren ausgesehen haben oder auch noch aussehen. So gehe ich aber doch immer wieder auf die Suche auch nach Poträts der zitierten Dichter. So durfte ich heute zum ersten Mal Rilke in die Augen sehen. Meine Knie zittern noch leicht…

Es saßen drei Engel beisammen

Freitag, den 17. August 2007

feathers - © 2004-2007 by *Astrocat@deviantart
feathers – © 2004-2007 by *Astrocat@deviantart

Es saßen drei Engel beisammen.

Der eine war voll Blut,
der zweite ungeboren,
der dritte gut:

Der mischte die Karten.
Lange, leidgeschoren
ließ er die anderen warten

und reichte endlich dem ersten den Stoß.
Der griff in die Kinder, die harrten,
zog einen Jungen, ließ ihn ausholend los.

So knallte das Kind auf den Tisch.
Der zweite nun zog aus dem Schoß
behutsam ein Mädchen; malerisch

legt’ er’s zu ihm. Zwar war der tot,
doch als sich berührten die Glieder,
stieg von den beiden das Morgenrot

und schien auf die Engel nieder.

© Alban Nikolai Herbst (2006)

••• Inspiriert durch die Beiträge über Engel bei Markus A. Hediger, aber auch hier und dort und dort, habe ich mich auf die Suche nach Engelsgedichten begeben.


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Der Engel

Mittwoch, den 8. August 2007

in the metro - © lorseau@deviantart
in the metro – © lorseau@deviantart

für Claire

Einmal geht der Engel
Auch ganz nah an dir vorbei.
Es ist ein regnerischer Montag
Du fühlst dich älter als die Welt
Die Stiefel schlecht geputzt
Das Herz gänzlich verrostet

Aber deines Schicksals Engel geht vorbei
Dich mit Güte überschwemmend
Und einem rosa Lächeln
Halt ihn fest!
Dreh dich um!
Bevor er nur noch dem Winde gleicht.

Yvan Goll, aus: „Métro de la Mort“ (1934)
Deutsche Nachdichtung: Claire Goll

••• Unter den nach dem Umzug wiederentdeckten Büchern war auch ein dicker Reclam-Band mit einem Querschnitt durch das lyrische und Prosawerk von Yvan Goll. Gestern habe ich ihn zur Hand genommen, vielleicht weil der Titel „Gefangen im Kreise“ sehr gut zu meiner momentanen Verfassung passt.

Und schon nach einigem Blättern stosse ich auf eine Zeile, die ich für eine eigene gehalten, aber offenbar im „Libellenflügel“ doch zitiert hatte: „Einmal geht der Engel / Auch ganz nah an dir vorbei.“


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Über die Verführung von Engeln

Dienstag, den 2. Januar 2007

Crying angel, lost her wings, cannot fly home.... © Mortus-Phallustein

Engel verführt man gar nicht oder schnell.
Verzieh ihn einfach in den Hauseingang
Steck ihm die Zunge in den Hals und lang
Ihm untern Rock, bis er sich nass macht, stell
Ihn, das Gesicht zur Wand, heb ihm den Rock
Und fick ihn. Stöhnt er irgendwie beklommen
Dann halt ihn fest und lass ihn zweimal kommen
Sonst hat er dir am Ende einen Schock.

Ermahn ihn, dass er gut den Hintern schwenkt
Heiß ihn dir ruhig an die Hoden fassen
Sag ihm, er darf sich furchtlos fallen lassen
Dieweil er zwischen Erd und Himmel hängt –

Doch schau ihm nicht beim Ficken ins Gesicht
Und seine Flügel, Mensch, zerdrück sie nicht.

Bertolt Brecht (1948)

••• Da von Engeln die Rede war, heute ein Gedicht für meine Frau. Engel haben für mich schon immer eine besondere Rolle gespielt. Im „Alphabet“ treten Seraphim – das sind Feuerengel – gehäuft in Gestalt von Frauen auf. Beziehungen mit ihnen sind nicht ungefährlich.

Sagt meine Frau: Was haben die Engel davon, transzendental verehrt zu werden? Ausserdem ist die Gefährdungslage eine ganz andere. Flügel sind so zerbrechlich…