Seraphen

Sonntag, den 6. Mai 2012

Glühende Ginsterkohlen

Verehrter Jacoby,

was leibhaftige Feuerengel betrifft, kann ich Ihnen versichern, dass sie unstrittig existieren. Ich muss es wissen, denn ich bin mit einem solchen verheiratet.

Wenn Sie in meinen damaligen Seminaren auch meist zu schlafen beliebten, wird Ihnen doch sicher nicht verborgen geblieben sein, dass ich ein entschiedener Verfechter mystischer Theorien bin. (Mein angeschlagener Ruf innerhalb unseres weltlichen Instituts ist wohl vor allem darauf zurückzuführen.) Und Seraphen, verehrter wissensdurstiger Skeptiker, suchen mit Vorliebe die Nähe von Mystikern.

Meine Ehe mit einem solchen Wesen ist daher nicht verwunderlich.

Als ich meine Frau kennenlernte, war sie knapp siebzehn. Inzwischen geht sie auf die Fünfzig zu, was alles sagt; und sie ist einverstanden damit, dass ich Ihnen, gewissermaßen aus erster Hand, einige Einzelheiten über den Charakter dieser besonderen Kategorie von Engeln anvertraue.


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Sachsen in Finnland

Dienstag, den 14. September 2010

Vor der Bar »Hemingway's« im Zentrum von Helsinki
Vor der Bar »Hemingway’s« im Zentrum von Helsinki

••• Für die Finnen sind wir alle Sachsen. – Nähh, stimmt nicht. Aber auf der grade erschienenen Ausgabe der finnischen Literaturzeitschrift »Nuori Voima« steht »Saksalainen nykyproosa«, und weil ich, wenn es um Finnisch geht, nur raten kann, was gemeint ist, muss man mir nachsehen, dass ich zuerst an »sächsische Nacktprosa« dachte. Und das muss man sich jetzt erst einmal in aller Seelenruhe vorstellen…


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Die Engel

Sonntag, den 9. März 2008

Peter Huchel 1964 im Garten seines Hauses am Hubertusweg, Foto: Roger Melis
Peter Huchel 1964 im Garten seines Hauses am Hubertusweg, Foto: Roger Melis

Ein Rauch,
ein Schatten steht auf,
geht durch das Zimmer,
wo eine Greisin,
den Gänseflügel
in schwacher Hand,
den Sims des Ofens fegt.
Ein Feuer brennt.
Gedenke meiner,
flüstert der Staub.

Novembernebel, Regen, Regen
und Katzenschlaf.
Der Himmel schwarz
und schlammig über dem Fluß.
Aus klaffender Leere fließt die Zeit,
fließt über die Flossen
und Kiemen der Fische
und über die eisigen Augen
der Engel,
die niederfahren hinter der dünnen Dämmerung,
mit rußigen Schwingen zu den Töchtern Kains.

Ein Rauch,
ein Schatten steht auf,
geht durch das Zimmer.
Ein Feuer brennt.
Gedenke meiner,
flüstert der Staub.

Peter Huchel (1903-1981)
aus: Die Gedichte. suhrkamp taschenbuch
© Suhkamp Verlag 1984, 1997

••• Gestern kamen die „Gesammelten Gedichte“ von Peter Huchel an. Ich habe wahllos eine Seite aufgeschlagen (206) und gleich dieses starke „Engelsgedicht“ gefunden. Huchel mag ja ein wenig „alt“ sein und sein Themenkreis vorwiegend beim letzten Weltkrieg und der Nachkriegszeit liegen — aber es ist in jedem Fall eine ganz eigene poetische Stimme, wie ich finde. Diesen Gedichtband von vorn bis hinten durchzusehen, darauf freue ich mich schon.

vom wenden des kopfes

Dienstag, den 4. Dezember 2007

circles - © Kerstin  S. Klein 2007

circles – © Kerstin S. Klein 2007

ab und an stirbt
auf meinen lippen ein wort
und tropft rot herab
und ein engel siegelt mit glut
jenen mund der sich öffnete um
vom wenden des kopfes zu sprechen
was nie gesagt wurde
solltest du hören
was nach atem sucht
nach einem wort:
ein tropfen tod nur
den wische ich fort
beim wenden des kopfes
siehst du
mich an

© Benjamin Stein (2007)

Gedichte – gute – sind oft wie Küsse; sie sind, wie sie sich anfühlen, nicht, was man über sie sagt.

••• Je mehr Gedichte nun doch wieder bei mir ankommen, desto öfter frage ich mich auch, ob es vielleicht so etwas wie eine Klammer um diese Texte gibt, Gemeinsamkeit(en), die sie in eine Reihe oder meinetwegen in einen Kreis stellen.


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Scholastikerprobleme

Donnerstag, den 20. September 2007

Needle - © 2005-2007 by  ~abyssmalwind@deviantart.com
Needle – © 2005-2007 by ~abyssmalwind@deviantart.com

I

Wieviel Engel sitzen können
auf der Spitze einer Nadel –
wolle dem dein Denken gönnen,
Leser sonder Furcht und Tadel!

„Alle!“ wirds dein Hirn durchblitzen.
„Denn die Engel sind doch Geister!
Und ein ob auch noch so feister
Geist bedarf schier nichts zum Sitzen.“

Ich hingegen stell den Satz auf:
Keiner! – Denn die nie Erspähten
können einzig nehmen Platz auf
geistlichen Lokalitäten.


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