Gott hör …

Dienstag, den 29. Oktober 2013

Um meine Augen zieht die Nacht sich
Wie ein Ring zusammen.
Mein Puls verwandelte das Blut in Flammen
Und doch war alles grau und kalt um mich.

O Gott und bei lebendigem Tage,
Träum ich von Tod.
Im Wasser trink ich ihn und würge ihn im Brot.
Für meine Traurigkeit gibt es kein Maß auf deiner Waage.

Gott hör… In deiner blauen Lieblingsfarbe
Sang ich das Lied von deines Himmels Dach –
Und weckte doch in deinem ewigen Hauche nicht den Tag.
Mein Herz schämt sich vor dir fast seiner tauben Narbe.

Wo ende ich? – O Gott! Denn in die Sterne,
Auch in den Mond sah ich, in alle deiner Früchte Tal.
Der rote Wein wird schon in seiner Beere schal
Und überall – die Bitternis – in jedem Kerne.

Else Lasker-Schüler (1869-1945)

••• In den letzten Monaten habe ich das komplette »Heimat«-Werk von Edgar Reitz gesehen, zum Teil erneut, das meiste zum ersten Mal. In einem der Filme singt Clarissa dieses Gedicht von Lasker-Schüler. »Mein Herz schämt sich vor dir fast seiner tauben Narbe.« Meins schämte sich, als ich das hörte – und schämt sich noch.

Die Heimat-Trilogie

Sonntag, den 5. Mai 2013

Das ist eine der wichtigsten Erfahrungen, die ich im Leben gemacht habe, dass die Zeit unerbittlich verstreicht. Die glückliche Stunde, nach der wir uns immer gesehnt haben, ist schon vorbei, wenn wir anfangen, sie zu erkennen. Auch das Unglück zerrinnt und lässt uns ratlos zurück. Nur die Kunst vermag es, den Augenblicken Dauer zu verleihen. Das Großartige an der Filmkamera ist, dass sie Zeit abbilden und speichern kann. Wir Filmemacher besitzen damit ein Instrument, das uns auf magische Weise befähigt, das flüchtige Leben zu bannen.

Edgar Reitz

••• Anfang der 1990er – ich lebte noch in Berlin – hatte ich noch einen Fernseher. Der kam nicht oft zum Einsatz. Einmal aber, während einiger Wochen, wurde der Fernseher zum Taktgeber. Damals wurde in dichter Folge »Die zweite Heimat« im Fernsehen ausgestrahlt, der zweite Teil der Heimat-Trilogie von Edgar Reitz, elf Spielfilme von 60 bis 140 Minuten Länge. Wir hatten die Sendetage im Kalender markiert. Da wurden keine Verabredungen gemacht, da durfte niemand stören. Vom Start weg waren wir echte Fans dieser Film-Chronik.


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