Mittelgambit

Sonntag, den 30. Januar 2011

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1. e2-e4 …

Heute, dachte ich, würde ich die Partie verlieren, obgleich Matana, um es mir leichter zu machen, sogar Tage zuvor angekündigt hatte, dass er ein Mittelgambit spielen würde. Ich war schlecht vorbereitet. Matana ist ein Eröffnungsmeister, eine Art wandelnde Eröffnungsdatenbank. Mühelos repetiert er ohne nachzudenken die komplexesten Varianten von Auftaktzügen. Ich hätte mich schlau machen müssen, aber es gab ganze Bücher allein über diese Eröffnung, und über die »Skandinavische Verteidigung mit vertauschten Farben«, bei der Matana nicht einmal einen Bauern würde opfern müssen, um kraftvoll und mit Tempo ins Spiel zu kommen, war ich bei meinen Studien nicht hinausgekommen. Dabei hing bei unseren Partien für mich alles davon ab, mich mit Würde ins Mittelspiel zu retten. In unübersichtlichen Situationen mit vielen strategischen Möglichkeiten konnte ich am ehesten eine Partie für mich entscheiden oder doch wenigstens ins Remis führen. Landeten wir erst einmal in einem figurenarmen Endspiel, war gegen Matana gar nichts mehr auszurichten. Dann führte er mich vor wie einen Anfänger und würzte sich seinen Triumph noch gern mit der Ankündigung: Matt in drei Zügen.

aus: »Replay«,
© Benjamin Stein (2011)

 

••• Jetzt brauche ich Hilfe von den Schachkundigen unter den Turmseglern. Ich habe einen ambitionierten erzählerischen Plan, dessen Umsetzung sich schwierig gestaltet.


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Assange ist frei

Sonntag, den 30. Januar 2011

mirror...mirror on the wall • © eize@deviantart.com
mirror…mirror on the wall • © by eize@deviantart.com (2006-2011)

Mir war heiß. Bei allen deutlich spürbaren Anzeichen der Lust war es aber nicht einfach Begehren, das mich überkam angesichts der Szene vor uns. Es war vielmehr eine Welle tiefer Zuneigung zu der Nymphe, die mich hierhergebracht hatte. Das überraschte mich, als sähe unser Verhältnis ein solches Gefühl nicht vor, aber es kümmerte mich auch nicht. Ich schlang meine Arme um Katelyns Taille. Ich schloss die Augen, und wir umarmten einander so fest, als wollten wir uns gegenseitig ineinander verkriechen. Mit den Lippen strich ich über Katelyns Hals und tastete nach der Stelle, an der ich allein mit den Lippen ihren Puls fühlen konnte. Katelyn atmete ruhig und tief. In sachten Wellen drängte ihr Bauch meinem entgegen.

Das war kein Traum. Wir lebten. Wir waren tatsächlich hier.

Ein leiser Marimbaschlag schreckte uns auf. Wir lösten uns voneinander und sahen uns um. Die Staffelei war verschwunden, mitsamt dem Bild im Bild, der Nymphe und ihrem Pan, der aus ihm herausgestiegen war. Wir waren allein vor einem großen Spiegel und sahen uns selbst verloren im Halbdunkel stehen. Wie zwei Kinder, die sich im Wald verlaufen haben, hielten wir uns an den Händen und starrten auf den Vorhang, der sich hinter uns bewegt hatte, als wäre jemand eilig hindurchgeschlüpft.


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Αρκαδία (II)

Freitag, den 28. Januar 2011

Arkadien, entzifferte ich.

Katelyn zog mich ungeduldig in Richtung des Vorhangs. Ich war mir nicht einmal sicher, dass die Ausstellung dort weiterging. Katelyn schon. Ohne zu zögern schob sie den schweren Samt beiseite und bugsierte mich in den arkadischen Teil der Hayman-Ausstellung.

Dieser Raum hatte exakt den gleichen Grundriss wie der erste, in dem wir gewesen waren. An den Wänden hingen ebenso viele Bilder im gleichen Großformat und Haymans – das musste ich einräumen – unverwechselbarer Handschrift. Die Gemälde hier aber stellten andere Motive dar als jene im ersten Raum. Alle Frauen, die Hayman auf seinen Amulettgemälden als Engel hatte auftreten lassen, begegneten uns hier wieder, jedoch mit hochgestecktem Haar, rasierten Achseln und blanker Scham. Hayman hatte sich alle erdenkliche Mühe gegeben, die so offengelegten Details der Frauenkörper in fotorealistischer Manier widerzugeben. Die Nacken und Achselhöhlen waren spektakulär, und ich gebe ohne Zögern zu, dass ich die erstaunlichen Variationen weiblicher Schöße mit ebenso viel ästhetischer Begeisterung wie Erregung betrachtete.


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Αρκαδία (I)

Donnerstag, den 27. Januar 2011

© Moran Haynal: »Ohne Titel«, Öl auf Leinwand 150cm x 150cm
© Moran Haynal: »Ohne Titel«, Öl auf Leinwand 150cm x 150cm

Die Galerie war eine klandestine Off-Location, uptown, in einer wenig vertrauenerweckenden Nebenstraße. Die Ausstellungsräume befanden sich in einer geräumigen Wohnung im ersten Stock. Vor der Tür stand ein Aufpasser, direkt neben einem handgeschriebenen Hinweisschild: »Adults only«.

Katelyn grinste. Ich hatte ja keine Ahnung, wohin sie mich gelotst hatte. Wir traten ein, und Katelyn hakte sich bei mir unter, zog mich an sich und spitze ihre Lippen in Richtung meines Ohrs.

Das wird dir gefallen, flüsterte sie vergnügt.


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Katelyn

Mittwoch, den 26. Januar 2011

Yoga Cobra-Pose

Am frühen Abend war ich aus, mit Katelyn, einem fitnessbegeisterten Wirbelwind mit blondem Bob und mädchenhaftem Busen, knapp über Dreißig, im interessantesten Alter. Sie arbeitet als Auditorin für »Anderson, Pinchet & Laurie«, die mit der jährlichen Buchprüfung der Firma betraut sind. Ich traf sie vor einigen Wochen im Aufzug, und da ich mich zwischen dem ersten und zwölften Stockwerk nicht entscheiden konnte, ob ihre Waden, die sie in einem Hauch von Strumpf unterm knielangen Bleistiftrock sehr gekonnt in Szene setze, oder aber ihre grünen Augen mich mehr faszinierten, sprach ich sie an, um Gelegenheit zu bekommen, dieser Frage in Ruhe nachzugehen. Sie war nicht leicht zu entscheiden und verkompliziert sich ganz im Gegenteil von Date zu Date, da ich immer mehr Details an Katelyns Erscheinung entdecke, die mein ästhetisches Vergnügen befeuern.


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