Das nächste Date

Montag, den 6. Juni 2011

Das nächste Date mit Katelyn war eine Tortur. Sie war bestens aufgelegt und scherzte, aber ich fühlte mich in mich zurückgezogen wie eine Schnecke im Haus. Ich konnte Katelyn kaum in die Augen sehen und brachte keinen zusammenhängenden Satz heraus, weil ich fürchtete, mich zu verraten. Es kam mir vor, als wären Nebelschwaden zwischen uns aufgezogen, die mein Bild von ihr überlagerten, die Details, die ich sah und an denen ich mich bislang gefreut hatte, ihre Augen, ihre Lippen, die frech in die Stirn stehenden blonden Haarspitzen. Was sie sagte, erreichte mich nur noch gedämpft und wie verzerrt. Über alles hatte sich eine graue, wabernde Wolke geschoben, die Vorstellung, dass alles zum letzten Mal geschah, dass die Zukunft mit ihr hier und jetzt endete, obwohl keiner von uns es so wollte.


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Angst und Verrat

Sonntag, den 5. Juni 2011

Nicht einmal diese Aussichten konnten meinen Enthusiasmus bremsen. Ich war entschlossen und unterschrieb den Vertrag, und während ich es tat, beschäftigte mich der einzige Gedanke, der mir bei diesem Vorhaben wirklich Angst machte: Ich würde mit Katelyn reden müssen. Seit Monaten hatte ich wortreich versucht, sie von einer Laser-OP an ihren kurzsichtigen Augen abzubringen. Nun würde ich ihr erklären müssen, wie ausgerechnet ich mich auf das Abenteuer eines solchen ungleich gewagteren Eingriffs einlassen konnte.

Beim damaligen Stand unserer Beziehung hätte ich mich nicht erklären müssen. Genau das aber war der Punkt: Wenn ich ihr abgeraten hatte, dann nicht, weil ich ihre falschen grünen Augen so sehr liebte, dass ich auf sie nicht hätte verzichten können, sondern weil ich mich um Katelyn sorgte. Ich redete mir ein, dass sie womöglich gerade dieser Sorge wegen bisher auf die Operation verzichtet hatte, weil sie an meiner Stelle ähnlich empfunden hätte. Wie konnte ich nun etwas tun, das sie sich selbst meinetwegen versagte?


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Spuren von THC

Samstag, den 4. Juni 2011

EEGMit der Firma, das heißt mit Matana, war ich schnell handelseinig. Es ging um Versorgungsfragen. Was würde geschehen, wenn etwas schiefging, ich etwa das Augenlicht verlor oder irgendwelche anderen irreparablen Schäden davontrug? Eine Versicherung kam bei diesem Geheimprojekt nicht infrage. Die Firma würde sich kümmern müssen. Und das würde sie, ließ mich Matana wissen. Er hatte, wie sich herausstellte, bereits alles geplant und vorbereitet. Die Anwälte hatten einen Vertrag aufgesetzt, der alle Eventualitäten regelte und nur noch auf meine Unterschrift wartete.

Einige der Regelungen, die der Vertrag für die Dauer des Experiments vorsah, überraschten mich, weil sie den Eindruck erweckten, als sollte ich unter Personenschutz gestellt werden. Ich würde einen Fahrer bekommen, weil wir die Auswirkungen des Experiments auf meine Fahrtüchtigkeit noch nicht abschätzen und keinen Unfall riskieren konnten. Auch sollte ich eine Art medizinischer Leibgarde erhalten. Ein Team von ausgesuchten Ärzten würde sich um mich kümmern, und einer von ihnen würde immer in meiner Nähe sein, tags wie nachts. Überhaupt würden die Ärzte nun erst einmal das Regime übernehmen.


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Winzige Schnitte hinter den Ohren

Freitag, den 3. Juni 2011

Es war ein weiter Weg bis hierhin, und ich denke, ich darf mit Recht stolz sein auf das Erreichte. Am Anfang standen Entbehrungen, Überwindung und harte körperliche Arbeit, womit ich nicht gerechnet hatte. Heutzutage ist die Implantation ein ambulanter Eingriff. Man geht morgens nüchtern in die Klinik. Nach einigen Untersuchungen wird das UniCom eingepflanzt, und am Nachmittag geht man als veredelter Mensch nach Hause, beschenkt mit geschärften Sinnen und eingeklinkt in den nicht versiegenden Strom weltweiter Kommunikation. Nur die winzigen Schnitte hinter den Ohren zeugen von der Operation. Sie heilen innerhalb einer Woche. Danach erkennt man den Neubürger nur noch am ruhig pulsenden blauen Licht der Statusindikatoren, zwei winzigen runden Leuchtdioden, die im Halbminutentakt unter der Haut an den Schläfen aufblinken – als Beweis der Erleuchtung, der Adelung, der Aufnahme in die gehobene Schicht der Eingeweihten, der Vernetzten, der wahren Staatsbürger.


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Erwachen in Arkadien

Dienstag, den 15. Februar 2011

Rochen

Eben bin ich noch geschwebt, in einem nächtlichen Meer. Dunkel ringsum, nur weit über mir flirrte rund und fahl der Mond und warf einen schmalen Streif Licht herab, in dem das Plankton flimmerte wie eine Sternenschar. Ein gewaltiger Rochen segelte auf mich zu und über mich hinweg, so nah, dass ich von unten seinen weißen Bauch, die pumpenden Kiemen, das schmale Maul und die wie irr starrenden Augen sehen konnte. Beinahe hätte mich die Spitze einer Flosse gestreift. Ich ließ mich langsam, langsam nach oben treiben und tauchte auf. Windstill war es, und das wie bleiern ruhende Meer schien unendlich weit und schwarz. Ich schloss die Augen und ließ mich treiben. Das Schwarz wechselte nach und nach in ein tiefes und schließlich ein helleres Blau.

Und jetzt … dringt warmgelbes Licht durch meine geschlossenen Lider, als läge ich in der Mittagssonne auf einer Sommerwiese. Ich öffne die Augen, und die Wiese ist tatsächlich da. Ich liege nackt im Gras, und dicht neben mir liegen zwei Frauen, Katelyn und Lian. Auch sie sind nackt. Bauch an Rücken aneinander geschmiegt, lächeln sie versonnen im Schlaf, als schwelgten sie in zärtlichen Träumen…


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