Eine andere Art von Selbstmord

Dienstag, den 5. Februar 2008

••• Ich muss noch einmal auf Matthus‘ „Judith“ zurückkommen. Waren es in dem zuletzt vorgestellten Duett Holofernes/Judith vor allem die Szenenanordnung und die Überlagerung der Soli — also gewissermassen zwei geteilte Dialoge — die mich begeisterten, so hat das Libretto doch an anderen Stellen auch wirklich poetische Wucht. Mindestens drei Passagen würde ich gern zitieren. Doch ich muss mich auf eine beschränken. Und die Wahl fällt auf Judiths Monolog „Was sagst Du zu diesem Traum?“, der dem Holofernes/Judith-Duett unmittelbar vorangeht.

Du hast mich oft gesehen, daß ich plötzlich zu beten anfange. Man hat mich deswegen fromm und gottesfürchtig genannt. Wenn ich das tue, so geschiehts, weil ich mich vor meinen Gedanken nicht mehr zu retten weiß. Mein Gebet ist dann ein Untertauchen in Gott, es ist nur eine andere Art von Selbstmord, ich springe in den Ewigen hinein, wie Verzweifelnde in ein tiefes Wasser.

Nicht, dass ich diese Zeilen je vergessen hätte. Aber ich notiere sie mir als Motiv für „Mayim Rabim“, denn das „Untertauchen in Gott“ scheint mir verwandt mit dem Begriff bitul azmo, was so viel bedeutet wie Selbstverringerung, wenn nicht gar Zerstörung des Ego. Es ist ein wesentliches Motiv der Mussar-Literatur; und ich bin sicher, dass sich in anderen Religionen vergleichbare Ideen finden, nämlich das selbstsüchtige Ego zurückzudrängen mit dem Ziel, ein „reines Gefäss für den göttlichen Willen“ zu werden.

Es kann natürlich unterschiedlichste Gründe dafür geben, sich dieser Übung zu unterziehen…


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