Von der Glut zu schreiben

Dienstag, den 22. Dezember 2015

Glut

••• Undine Materni schickt zu gewissen Anlässen gern Gedichte, auch zu Weihnachten. Und fast immer sind das Gedichte, die es in sich haben. Auch heute kam so ein Jahresenddgruß und hat mir einen Hieb versetzt.

Das hat sicher mit meiner jüngsten Lektüre zu tun. Ich hatte zwei Wochen Urlaub, ein wenig Zeit zum Lesen und zwei Bücher dabei, die ich auf dem Tag der unabhängigen Verlage im Münchner Literaturhaus mitgenommen habe. Zum einen von Chaim Noll »Der Schmuggel über die Zeitgrenze«, seine DDR-Erinnerungen, angefangen bei der Kindheit im zerbombten Berlin über die Jugend als nach und nach desillusionierter Spross einer Nomenklatura-Familie und seine Wehrdienstverweigerung bis zur schlussendlichen Ausreise aus der DDR im Jahre 1983.


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Mit Chaim und Mark in Beer Sheva

Donnerstag, den 30. Dezember 2010

Beer Sheva, zwischen Bahnstation und Uni-Campus
Beer Sheva, zwischen Bahnstation und Uni-Campus

••• Und wo bin ich heute? In Beer Sheva, am Nordrand des Negev. Eingeladen wurde ich von Prof. Mark Gelber, der hier die Germanisten anführt. Chaim Noll, den ich aus München kenne, wo er gelegentlich über Schabbes Station macht, wenn er in Deutschland liest oder Vorträge hält, hat mir den – wie ich finde – sehr schönen Campus der Ben Gurion University of the Negev gezeigt. In der Campus-Synaoge haben wir noch Mincha gebetet. Dann ging es auf zur Lesung.


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Bibel und Koran (V)

Donnerstag, den 1. Juli 2010

Nähe und Unvereinbarkeit zweier Konzepte
Ein Gastbeitrag von Chaim Noll

Krieg und Frieden

Die in unseren Augen geringe Wertschätzung des einzelnen Menschenlebens liegt im jihad begründet, dem der islamischen Glaubensgemeinschaft gebotenen heiligen Kampf zur weltweiten Durchsetzung des Islam. Der Prophet lässt keinen Zweifel daran, dass dieser Kampf erst dann zu Ende sein kann, wenn alle Menschen Allah anbeten (Suren 8,39; 61,9 u.a.). Während es missionierenden Christen erklärtermaßen um das Gewinnen von Individuen geht – Jesus bezeichnete seine Jünger als »Menschenfischer« (Matthäus 4,19) – geht es dem Islam um die Ausweitung des dar al Islam, also um die Beherrschung von Territorien.

Im Koran-Text finden sich widersprüchliche Angaben, wie dabei vorzugehen sei. Sure 2, Vers 187 gebietet für Allah zu kämpfen, jedoch nicht der Aggressor zu sein, »Gott liebt nicht den Angreifer«. Andere Stellen machen klar, dass bereits die Existenz von Nichtmuslimen in einem bestimmten Gebiet als Angriff auf den Islam, daher ein aggressives Vorgehen gegen sie als Verteidigung zu verstehen sei. In diesem Sinne wird für Verteidigung erklärt, was nach unseren Begriffen Aggression ist. Sure 4,104 spricht vom »Aufsuchen« oder »Aufspüren« der Ungläubigen – zweifellos ein offensiver Vorgang. Auch Sure 9, Vers 5 gebietet Taktiken des Angriffs: die Ungläubigen sollen getötet werden, »wo immer ihr sie findet«, sie sollen ergriffen, bedrängt oder belagert, ihnen soll »aus jedem Hinterhalt aufgelauert« werden. Mehrfach wird betont, dass Muslime im Kämpfen nicht nachlassen dürfen. Von »vorzeitigem Frieden« oder Waffenstillstand wird abgeraten, der Kampf bis zum siegreichen Ende angemahnt, »da ihr doch die Oberhand haben werdet und Gott mit euch ist« (Sure 47,35)


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Bibel und Koran (IV)

Mittwoch, den 30. Juni 2010

Nähe und Unvereinbarkeit zweier Konzepte
Ein Gastbeitrag von Chaim Noll

Menschenbild

»Gott ist gütig gegen alle, und sein Erbarmen waltet über all seinen Geschöpfen«, heißt es in Psalm 145,9. In dieser Textstelle wird – stellvertretend für viele – das entscheidende Kriterium des biblischen Menschenbildes ausgesprochen: die Gleichwertigkeit aller Menschen vor dem Schöpfer. Das Volk der Bibel hält sich nicht für besser oder moralischer als andere Völker und Religionen. Die hebräische Bibel versucht nirgendwo, Israel zu glorifizieren. Eher im Gegenteil: alle seine Schwächen und Verfehlungen werden in einer Offenheit dargestellt, die nicht wenige Judenfeinde zu dem irrigen Eindruck verführt, es handle sich um ein schwaches, von seinem eigenen Gott »verworfenes« Volk. Auch Mohamed, der seinerseits eine gänzlich andere Selbstdarstellung zelebrierte, verfiel dieser Täuschung.

Die »Erwähltheit« des biblischen Volkes ist als Verpflichtung gemeint, als kritischer Anspruch an sich selbst, nicht als Erhöhung über andere. Der Text betont, dass die Flüchtlinge aus Ägypten, die am Berg Sinai das Gesetz empfingen, nur zu einem Teil Hebräer waren, zum anderen Teil Unterdrückte und Verzweifelte anderer Völker, die sich ihnen angeschlossen hatten, im hebräischen Original erev rav(50), a mixed multitude in der Übersetztung der King James Bible, fremdes Volk in der Luther-Bibel, und diese Fremden »stiegen mit Israel auf«, wie das Verb alah im Hebräischen wörtlich meint, sie nahmen das Gesetz an wie die Hebräer, und schon von daher ist das Sein und Wesen Israels seit seiner eigentlichen Geburtsstunde mit Fremden verbunden.


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Bibel und Koran (III)

Dienstag, den 29. Juni 2010

Nähe und Unvereinbarkeit zweier Konzepte
Ein Gastbeitrag von Chaim Noll

Verbindlichkeit des Textes (textus receptus)

Die für Europäer ohnehin schwierige Rezeption des Koran wird noch schwieriger durch die nicht gesicherte Eindeutigkeit des Textes. Bis heute variieren seine »Lesarten« (tafsir al koran) so erheblich, dass bereits das Lesen des Textes eine erste Interpretation darstellt(38). Nicht nur Außenstehende, auch Muslime können in vielen Fällen keine Einigung erzielen, wie ein bestimmtes Wort zu lesen und zu sprechen ist, folglich, welche Bedeutung es hat. »Es gibt keinen uniformen Koran-Text«, schreibt Ignaz Goldziher in seinem Standardwerk »Die Richtungen der Islamischen Koranauslegung« von 1920. »Der schon an sich (…) nicht einheitliche textus receptus, die lectio vulgata (al kira’a al mashhura) des Koran geht auf die Redaktion zurück, die durch die Bemühungen des dritten Kalifen, Othman, zustande kam, um der drohenden Gefahr vorzubeugen, dass das Gotteswort in verschiedenen Kreisen in textlich voneinander abweichenden Formen überliefert würde (…) Jedoch diese Bestrebung ist nicht auf der ganzen Linie gelungen.«(39)

Unter den Ursachen für die Mehrdeutigkeit des Textes sind sprachliche, vor allem die »Eigentümlichkeit der arabischen Schrift, in der dasselbe grafische Skelett je nach der Verschiedenheit und der Anzahl der über oder unter dasselbe gesetzten Punkte verschiedene Lautwerte darstellt und wo auch bei gleichen lautlichen Werten die Verschiedenheit der in der ursprünglichen arabischen Schrift fehlenden Vokalbezeichnung eine Verschiedenheit der grammatischen Situation eines Wortes und, in Zusammenhang damit, in der Bedeutung desselben hervorruft.«(40) Hinzukommen zahlreiche andere Gründe für die Strittigkeit einzelner Worte und Passagen des Koran-Textes, nicht zuletzt politische. So hat die shiitische Richtung des Islam seit der frühesten Zeit ihres Auftretens die Integrität der othmanischen Textgestaltung bezweifelt und abgelehnt. Diese enthalte, behaupten die Shiiten, gegenüber dem echten Koran Mohameds unzulässige Änderungen und Zusätze, während andere Passagen des authentischen Textes durch Weglassung getilgt worden seien(41).


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