Wir

Mittwoch, den 22. April 2009

Jewgenij Samjatin (1923)
Jewgenij Samjatin (1923) – gemalt von Boris Mikhailovich Kustodiev (1878-1927)

••• In Vorbereitung auf die Arbeit an »Pans Wiederkehr« möchte ich mir einige der klassischen Dystopien des letzten Jahrhunderts ansehen. Meine nachhaltigste Begegnung mit diesem Genre war Orwells »1984« (1948). An Huxleys »Brave New World« (1932) erinnere ich mich hingegen kaum. Beim Stöbern nach anderen dystopischen Romanen bin ich auf Jewgenij Samjatins (1884-1937) Roman »Wir« gestoßen, der bereits 1920, also 12 Jahre vor »Brave New World« und 28 Jahre vor »1984« entstand und Orwell wie Huxley als Inspiration diente.

In der sowjetischen Literaturenzyklopädie von 1929/39 wird Samjatin als Renegat und Konterrevolutionär letztmalig offiziell erwähnt und sein in der Sowjetunion nie vollständig erschienener Roman »Wir« als »niederträchtige Schmähschrift auf die sozialistische Zukunft« bezeichnet:

Die Theorien Samjatins sind eine bloße Maskierung der sehr prosaischen und sehr verständlichen Sehnsüchte der Bourgeoisie nach dem verwirkten Wohlstand und ihres Hasses auf diejenigen, die sie dieses Wohlstandes beraubt haben.

Betrachtet man das obige Gemälde, das Samjatin im Jahre 1923 zeigt, könnte man meinen, tatsächlich einen Vertreter der enteigneten russischen Bourgeoisie vor sich zu haben. Dieser Eindruck aber täuscht.


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