Vielleicht würd ich es ihr sogar gestatten
Zu andern Männern sich nach Lust zu legen
Warum nicht etwas Freiheit? Meinetwegen!
Wenn jeder Griff der Fünfminutengatten
Sie nur nicht gleich so sehr verändern würde!
Selbst wenn es gar nicht so besonders glückte
Wenn ihr nur einer mal am Hintern rückte
Spielt sie bestimmt fortan doch die Verführte
Und sehr Geheimnisvolle! Die verschlagen
Den Besserwisser jetzt hereingelegt hat
Da der nicht weiß, und wehe, wenn er’s wüßte!
Daß sie den Hintern damals doch bewegt hat!
Wenn auch nur gegen Ende sozusagen …
Und so entsteht ein Riß, der nicht entstehen müßte.
Bertolt Brecht (1927)
••• Dass ich mich für Sonette von der ersten Begegnung mit ihnen an so sehr begeistern konnte, verdanke ich Brecht. Er schert sich nicht um die Vorgabe der thematischen Aufteilung innerhalb des Sonetts. Und er wagt immer wieder Experimente mit erstaunlicher Wirkung. Wer sagt denn, im Sonett müssten die Sätze oder Nebensätze mit der Zeile enden? Indem er die Sätze um die Zeilenenden und damit auch um die Reime quasi herumfliessen lässt, verschwindet das Getragene, das im Sonett so leicht zum Stolzieren gerät. Nahezu prosaisch klingt Brecht hier – und das inmitten einer strengen Form.
Dem Fluss des Gesagten zum Opfer gefallen ist auch das Reimschema der Terzette. Und doch – spätestens wenn man das Gedicht laut liest, wird klar, dass hier jedes Wort am rechten Platz ist.
Das nenne ich meisterhaften Umgang mit einer strengen klassischen Form! Sie ist da und und wirkt, doch aus dem Hintergrund. Nicht die Spur von Selbstzweck, sondern ganz Mittel zum Zweck.