der tag geht hin in niemandes gewand
Sonntag, den 29. April 2007der tag geht hin in niemandes gewand
die wälder stehn bedrohlich schweigen dumpf
zu schwach die hand das hirn wie ausgebrannt
von liebe satt und alles denken stumpf
das große wort ging aus sich zu ermorden
die handvoll sterne war zu schnell verbraucht
gedanken kreisen nun in wilden horden
warn kaum idee und sind doch schon verraucht
was ich erdacht starb wirkungslos dahin
doch spreizte sich und gab sich aus für leben
es gab die zeit dem wort nur seinen sinn
und nahm ihn auch und machte es zu sand
der rabe kommt den letzten stoß zu geben
der tag geht hin in niemandes gewand
© Benjamin Stein (1988)
••• Meine erste bewusste Begegnung mit Sonetten hatte ich nicht bei Shakespeare sondern bei Brecht. Ich werde noch Beispiele bringen. Die strenge Form faszinierte mich; und ich wollte sie umgehend selbst erproben. Dieses Sonett war der erste Versuch. Es existieren noch weitere, die ich auch aufgehoben habe. Aber ich fürchte, der erste war auch der gelungenste Versuch.
Eine Änderung habe ich allerdings heute erst vorgenommen: Die letzten 6 Zeilen waren gemäß dem Reimschema auf zwei Terzette aufgeteilt, um der Formvorgabe auch wirklich gerecht zu werden. Das war vielleicht wichtig für einen Erstversuch. Heute darf ich da frei agieren und setze die drittletzte Zeile zum vorangehenden Terzett, wie es thematisch passt.