Die Wunde

Mittwoch, den 21. Februar 2007

Not a Single Flower - © 2005-2007 Florian Freundt ~hermik@deviantart.com

Vielleicht war mein Fell nie etwas anderes als einfach das Fell eines Wolfes. Doch ein schönes Fell war es: dicht und glatt und unentbehrlich für mich, denn es wärmte, war mein Schutz, passte sich den Farben der Jahreszeiten an, eine gute, eine notwendige Tarnung auf der Jagd und auf der Flucht. Ich weiß es nicht sicher, es ist mir bisher nicht gelungen herauszufinden, ob ich unter diesem Fell auch eine solch glatte und weiche Haut habe wie das Kleine Mädchen. Einmal habe ich mir mit den Zähnen büschelweise Haare aus meinem Fell gerissen, um Gewissheit zu bekommen darüber. Und es hat mich erschreckt, was ich sah: diese kahle Stelle; und ich fand auch wirklich etwas wie Haut. Nur hatte sie gar nichts von der Haut des Kleinen Mädchens, war grau, unansehnlich, zusätzlich entstellt von dem Blut, das in zähflüssigen Rinnsalen aus einigen kleinen Wunden hervorquoll, die ich mit meinen Zähnen aufgerissen hatte. Vielleicht, dachte ich, gehört dieses hässliche Stück Haut noch zu meinem Fell, dem Fell eines Wolfes, und ich hätte doch auch eine Haut wie das Kleine Mädchen, gelblich braun und ein wenig transparent, sehr verletzlich darunter, in einer tieferen Schicht, unter meinem grauen Fell. Lange hatte ich mir die Hoffnung bewahrt, dass sie eines Tages zum Vorschein kommen, dass ich sie lieben und mein Fell entbehren könnte. Doch das ist eine eitle Hoffnung. Jetzt beginnen mir tatsächlich die Haare auszufallen, und mein Fell, das einst glatt und glänzend war, wird von Tag zu Tag dünner; doch die erhoffte Haut will sich nicht zeigen.


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fremder gast

Freitag, den 16. Februar 2007

Salavador Dali - Time

ich bin es noch immer
im fragenmantel
mein verlorenes land
im rücken
hat das suchen kein ende

die uhren vermessen beständig
und ohne zorn
die spannen
zwischen abschied und wiederkehr
mustert der stundenwächter
zufrieden
die riegel am herzbau

ich bin es noch immer
hinter begonientöpfen
webt die spinne ihr netz
in meinem mund

© Benjamin Stein (2006)

Die Anker lichten

Sonntag, den 4. Februar 2007

Anchor - © 2006-2007 ~chasan

Die Anker lichten
in fremden Häfen
die Schiffe
und kehren heim.

An entlegenen Quais
wird die Fracht gelöscht,
die Gespenster
ausgetrieben.

Der Seelenkarzer
liegt ratlos auf Reede.
Auf der Brücke
stolpern die Uhren.

© Benjamin Stein (2006)

••• Manche Blaubartiade folgt einem anderen Drehbuch…

die früheren frauen

Donnerstag, den 1. Februar 2007


As Seconds Fly © 2007 by BatDesignz

in die blutkammer
neben die mutter gehängt
sind die früheren frauen nicht tot
ihr schweigen durchdringt
die wände des hauses
und sie klopfen
mit kühlen händen
in den rhythmus der tage hinein
manche stunde
gerät ins wanken
wenn das licht
günstig steht in einem
ihrer ab-
wesenden augen

© Benjamin Stein (2007)

••• Eine neuere meiner vielen Variationen über das Blaubart-Thema; ohne Kommentar.

entdeckungen an einer frau

Mittwoch, den 3. Januar 2007

Veil - © by DanceArtist

für ksk

jetzt hast du dein geheimnis
abgestreift wie ein verschlissnes kleid
der schneider eilt
er hebt den arm
ein neues anzumessen
ihm fehlt das garn
die nackte stirn
mit schleiern zu verhängen
die nadel sticht
ihn nur ins eigne hirn
wenn er die hände nicht
von seinen augen reißt

so muss er schweigen gehn
und schauen
staunen

© Benjamin Stein (2006)

••• Noch ein Gedicht für meine Frau. Dieses hier ist für sie geschrieben.