Ein bibliophiler Schatz

Sonntag, den 18. April 2010

Wladimir Majakowski: »Wie macht man Verse?«, Verlag Volk und Welt 1949
Wladimir Majakowski: »Wie macht man Verse?«, Verlag Volk und Welt 1949

••• Erinnert sich noch eine(r): Wladimir Majakowski ist jener unsterbliche futuristische Dichter, der vor genau zwei Jahren hier im Turmsegler eine Gastkolumne über das Versemachen schrieb – und unerkannt blieb, weil er, wie wir herausfanden, 20x weniger berühmt ist als Salinger (sic!).

Einen Gastbeitrag ganz besonderer Art kann ich heute ankündigen. Es handelt sich sogar um eine Reihe von Gastbeiträgen, also gewissermaßen eine Gastkolumne.

Das Thema ist schwergewichtig: Was ist Dichtung? Und: Wie schreibt man Verse? Dass ich keinen Zweifel daran hege, dass der Kolumnist uns Wesentliches zu sagen haben wird, das wird nicht verwundern, wenn ich den Namen des Autors nenne: Wladimir Majakowski.

Er hat übrigens zugesagt, sich an allfälligen Diskussionen hier im Turmsegler zu beteiligen.

Ich hatte mir das so schön ausgedacht, und doch ging die Reihe völlig in die (Wolke in) Hose(n). Zu schade!

Letzte Woche nun fuhr ich mit einer Freundin in Berlin zur Lesung im LCB am Wannsee raus, und sie zog ein Geschenk für mich aus der Tasche. Ich konnte es kaum glauben: In einem Antiquariat hatte sie die deutsche Erstausgabe von »Wie macht man Verse?« des Verlages Volk und Welt von 1949 in bestem Zustand gefunden. Und schenkte es mir. Ich strahlte.


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Die romanbelletristische Zukunft

Samstag, den 3. Januar 2009

Dies alles aber in einer Zeit, in der ich weniger denn je an eine romanbelletistische Zukunft, sondern in der ich glaube, daß poetische Zukunft allein noch die Lyrik haben wird; das liegt einfach daran, daß es keine angemessene Übertragungsform für Lyrik in andere (Neue) Medien gibt, während dem Roman längst vom Spielfilm (den objektiven Bildern nämlich) der Rang abgelaufen wurde; auch Zeit spielt hierbei eine hervorstechende Rolle: Zeitmanagement. Man kann das beklagen, ja, doch gilt Hegel: Im Zweifel für die Tatsachen. Ich weiß, daß ich Widerspruch ernten werde: Nur zu.

Alban Nikolai Herbst im Arbeitsjournal

••• Auch wir – die Herzdame und ich – sind Film-Junkies und schauen seit langer Zeit erheblich mehr Filme an, als wir Bücher lesen. Die Frage, ob der Film dem Roman bereits den Rang abgelaufen habe oder aber bald ablaufen könnte, habe auch ich mir schon oft gestellt. Und die Antwort, die ich mir selbst als Autor gegeben habe und nach wie vor gebe, lautet: Jein.

Ja, der erzählende Roman von »Don Quijote« über »Buddenbrooks« oder »Anna Karenina« bis zu den letzten Deutschen Buchpreisträgern »Mittagsfrau« und »Turm« (die Liste ließe sich endlos fortsetzen) mag sich erübrigen, weil sich tatsächlich in einer filmischen Umsetzung eine »angemessene Übertragungsform« ins Neue Medium finden lässt. Die Autoren graben sich und ihrem Genre heute durch den bewussten, intensiven Flirt mit der Verfilmbarkeit selbst das Wasser ab. Die so eventuell nachlassende Bedeutung des Romans liegt jedoch nicht etwa an einer Überlegenheit des Neues Mediums Film, sondern vielmehr daran, dass die Autoren bequem geworden sind und heute kaum Versuche unternommen werden, das Genre des Romans weiterzuentwickeln, und zwar in einer Weise, die dem Buch gegenüber dem Film eben doch eine nicht übertragbare Eigenheit zurückgibt.

Im offensichtlichen Ausweg – Rückzug in die Lyrik als Urland der Dichtung – sehe ich eine künstlerische Kapitulation vor der größeren Aufgabe: für den (erzählenden oder auch nicht erzählenden) Roman neue Ausdrucksmöglichkeiten und Formen zu finden. In kaum einem Jahrhundert hat der Roman derartige künstlerische Fortschritte gemacht wie im letzten. Sollten all die Bemühungen von Simon, Woolf und Joyce (um nur drei von vielen zu nennen) völlig vergeblich gewesen sein? Nein. Ich fürchte vielmehr, dass es heute lediglich an Autoren-Persönlichkeiten fehlt, die den künstlerischen Antrieb spüren und ihm nacharbeiten, in ihrer angestammten Domäne, der Sprache und dem gedruckten Buch, dem Film etwas Originäres entgegenzusetzen.


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Meere

Dienstag, den 26. August 2008

Alban Nikolai Herbst: Meere (Roman) ••• Ich komme kaum zum Lesen im Moment, jedenfalls nicht zu eigener Lektüre, also Stöbern in Büchern, die nicht gerade im Entstehen wären. Eine Ausnahme musste ich machen. Zu lange habe ich auf einen Roman von Alban Nikolai Herbst gewartet. Sie sind definitiv schwerer zu bekommen als zu lesen, so viel steht fest.

Herbsts Roman „Meere“ hatte, als er letztes Jahr im axel dielmann verlag erschien, bereits eine Odyssee hinter sich. Die Originalausgabe wurde kurz nach Erscheinen per einstweiliger Verfügung vom Markt gedrängt. Später gaben Gerichte einer Klägerin, die sich in „Meere“ allzu deutlich erkennbar porträtiert sah, Recht: Eine Verletzung des Persönlichkeitsrechts sei gegeben und das Buch vom Markt zu nehmen. So etwas ist für Autor und Verlag eine Katastrophe. Glücklicherweise konnte Herbst mit einigen Änderungen am Text eine Wiederfreigabe erreichen, so dass der Roman seit November letzten Jahres wieder als Buch vorliegt.


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Form, Instinkt und Inspiration

Dienstag, den 17. Juni 2008

Wie das Cello sediert. Ich bin ein wenig fahrig, weiß nicht recht, wie weitermachen, wo weitermachen. Siehe gestern. Interessant am Üben eines Instrumentes ist, daß man vor allem deshalb viel übt, damit die Übungen, die man erst einmal erfassen muß, allmählich ins Automatische absinken. Deshalb ein Primat der Technik wie in der Literatur ein Primat der Form. Die Musikalität gibt sich gleichsam darauf. Es kommt darauf an, die Dinge in den Instinkt zu bekommen und entsprechend bewußtseinslos umzusetzen, wobei Instinkt hier auf der anderen Seite der Inspiration steht: Bestimmte Inspirationen werden einem überhaupt erst zuteil, wenn die Technik beherrscht ist, nicht umgekehrt. Wir wissen nicht mehr, weshalb wir den Bogen so und nicht anders führen.

Aus dem Arbeitsjournal von A. N. Herbst

••• Ich muss mir diese Reflexion eben mal hier merken. Es war von genau diesem Umstand – was nämlich das Handwerkszeug angeht – vor längerer Zeit schon einmal die Rede. Und hier, am Beispiel des Spielens eines Instrumentes, ist auf den Punkt gebracht, wie ich den Anteil des handwerklichen Könnens am Prozess des literarischen Schreibens sehe. Und deswegen wiederhole ich es noch einmal:

Bestimmte Inspirationen werden einem überhaupt erst zuteil, wenn die Technik beherrscht ist, nicht umgekehrt.

A. N. Herbst zu „Fallen im Kopf“

Dienstag, den 18. Dezember 2007

••• Ich freue mich sehr, dass A. N. Herbst nun doch noch Zeit gefunden hat, auf die Kritik zu seiner 1. Heidelberger Vorlesung einzugehen. Er tut dies ausführlich und widmet sich auch den bereits aufgelaufenen Kommentaren zum Beitrag.

So umfangreich fällt seine Erwiderung aus, dass ich sie gern als Beitrag hier gesehen hätte. Da sich die Erwiderung nun jedoch in den Kommentaren findet, möchte ich an dieser Stelle ausdrücklich auf sie hinweisen.

Teramaschine und Poesie

Donnerstag, den 29. November 2007

Aus der Perspektive der Teramaschine, die keine Außenstehenden akzeptiert, ist Lyrik total daneben […] „Wie kommt man eigentlich dazu, Gedichte zu schreiben?“ […] „Man kommt selten dazu.“ Und man kommt nur dazu, wenn man es so weit kommen lässt. Für einen Menschen, der wie die Teramaschine tickt, wird es dazu nie kommen.

Lars-Arvid Brischke, in:
„Das Weltbewegende der Lyrik von heute“
BELLA Triste Nr. 19


BELLA triste Nr. 19
••• Die jüngste Ausgabe von BELLA Triste, über deren Sonderausgabe zur deutschen Gegenwartslyrik ich hier vor einigen Monaten geschrieben habe, wartet erneut mit einem Dossier zur Lyrik-Debatte auf. Unter den Essays, die zum Teil Erwiderungen auf Beiträge anderer Autoren in der Sonderausgabe sind, findet sich auch ein Beitrag von Lars-Arvid Brischke. Er trägt den Titel „Das Weltbewegende der Lyrik von heute“. Und nach meinem Empfinden umreisst Brischke in diesem Beitrag phantastisch, was sicher auch die Einlassungen von A. N. Herbst (in seiner Poetikvorlesung) sowie von Michael Perkampus in Kommentaren zu meiner Kritik an eben dieser Vorlesung im Subtext mit sich führen: das ambivalente Verhältnis zwischen Markt (bei Brischke die Teramaschine) und Dichtung (bei Brischke ganz auf Lyrik beschränkt).


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Fallen im Kopf

Freitag, den 23. November 2007

••• Als ich A. N. Herbsts 1. Heidelberger Vorlesung „Arbeit in der sterbenden Schriftkultur ist Arbeit am Sterben der Schriftkultur“ las, stand ich noch stark unter dem Eindruck seines ungemein gelungenen Vortrags „Das Weblog als Dichtung“. Letzteren hielt er 2005 im Rahmen des Symposions „Literatur und Strom“ im Literaturhaus Stuttgart, und ich hatte ihn unmittelbar vor der Heidelberger Lektüre mehrfach redaktionell durchzugehen, da er in der gerade in Vorbereitung befindlichen „spatien“-Buchsonderausgabe „Literarische Weblogs“ erscheinen soll.

In seinem Stuttgarter Vortrag entwickelt Herbst mit Verve und phantastischem Beispiel eine Ästhetik des literarischen Webloggens, die nicht nur den resultierenden Text sondern auch die Prozesse seines Entstehens als Kunstwerk postuliert. Die Abgrenzung zu anderen Regionen der vielfältigen Blogosphäre wird gesehen in der Reflektiertheit des öffentlichen Geschehens im Blog, aus der sich nicht nur bestimmte spezifische Formen ergeben, sondern aus der eine eigenständige Poetik in Gestalt einer Theorie des literarischen Bloggens entsteht.

Mit dem Versuch einer Abgrenzung beginnt Herbst auch seine Heidelberger Poetik-Vorlesungen, indem er die eigentlich schon ad acta gelegte Begrifflichkeit von U (Unterhaltung) und E (Ernsthaftigkeit) reanimiert und versucht, die Grenze zwischen beidem im Formellen auszumachen. Obendrein reklamiert er für die (nicht nur literarische) Kunst entschieden einen Platz in der exklusiven, dem Massenmarkt abgewandten, Nische. An seinen Ausführungen reizt mich einiges zum Ein- und Widerspruch.


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