Sandemose
Dienstag, den 19. Januar 2010
Inger Christensen • Foto: EPA
Die sonne steht tief in dem kleinen jahr
der farn grübelt über dunkel
der mutige pfad ist verschwunden
das große haus ist nur holz
in der täfelung raschelt ein feind
Der stuhl läßt dich sitzen
der tisch läßt dich sitzen
das brot läßt dich stehen
die kleinen kerne der wörter
die kerne der menschenleiber
mahlen und zermalmen deine hand
deinen geist
der feind raschelt
Briefe gären hinter alter täfelung
das mehl murmelt im munde
der holzwurm ritzt sich voran
dein hirn sprengt seine zeit
der feind ist los
Die wände stehlen sich weg
das werkzeug stiehlt sich weg
die uhr stiehlt sich in stillstand
sie haben einen spaziergang gemacht
dein stuhl und dein tisch
sie brüten alte
gierige wörter aus
hoch im schneeweißen gebirg
Du bist auf dem wege
Inger Christensen (1935-2009)
••• Inger Christensen? Habe ich gar nicht mitbekommen. Nicht, während sie lebte. Und nicht, dass sie im Januar letzten Jahres gestorben ist – ohne den Nobelpreis bekommen zu haben, für den sie jahrelang im Gespräch gewesen ist. Um solche Wissenslücken zu schließen, gibt es glücklicherweise das »Poesiealbum«. Im Heft 285 wird die dänische Lyrikerin mit einer kleinen Auswahl vorgestellt.