Nur kein Seufzen

Sonntag, den 1. November 2009

»Sigh no more, ladies, sigh no more«, aus dem Kenneth-Branagh-Film
»Much ado about nothing«

Sigh no more, ladies, sigh no more,
Men were deceivers ever,
One foot in sea and one on shore,
To one thing constant never:
Then sigh not so, but let them go,
And be you blithe and bonny,
Converting all your sounds of woe
Into Hey nonny, nonny.
Sing no more ditties, sing no moe,
Of dumps so dull and heavey;
The fraud of men was ever so,
Since summer first was leavy:
Then sigh not so, but let them go,
And be you blithe and bonny,
Converting all your sounds of woe
Into Hey nonny, nonny!

William Shakespeare: »Much ado about nothing«
Akt II, Szene 3, Lied des Balthasar

••• Mit einem der Buchhandelsverteter kam ich am letzten Donnerstag auf die Shakespeare-Verfilmungen von Kenneth Branagh zu sprechen. Ich sammle Shakespeare-Übersetzungen und Shakespeare-Verfilmungen, und bei den Filmen zählen die von und mit Kenneth Branagh zu meinen Favoriten. »Much ado about nothing« beispielsweise, eines der – nun ja – seichteren Stücke Shakespeares, zeigt bei aller Gefälligkeit doch auch, auf welch hohem sprachlichen Niveau sich Entertainment bewegen kann. Nicht zu verachten sind auch die Filmmusiken, bei den Branagh-Adaptionen zumeist – wie bei »Heinrich V« und eben auch »Much ado about nothing« – von Patrick Doyle für großes Symphonieorchester komponiert.

Als wir später auch auf die unvermeidliche Frage des potenziellen Büchersterbens zu sprechen kamen, überlegte ich, welche Bücher ich gern elektronisch zur Hand hätte, so dass man sie immer bei sich haben kann. Das wären zunächst alle Gedichtbände, das wären Dante, die Odyssee, Raoul Schrotts »Ilias« und meine Shakespeare-Sammlung (im Original und mit den Übersetzungen, insbesondere denen von Frank Günther). Auf die Bücher würde ich deswegen noch lang nicht verzichten wollen. Aber einen Ziegel wie die »Ilias« trägt man nun einmal nicht so leicht mit sich herum.


Den ganzen Beitrag lesen »

Feurige Reden

Donnerstag, den 29. Oktober 2009

Heinrich V - Szene aus dem gleichnamigen Film von und mit Kenneth Branagh
Heinrich V – Szene aus dem gleichnamigen Film von und mit Kenneth Branagh

••• Eines meiner liebsten Stücke von Shakespeare ist »Heinrich V«. Besonders angetan haben es mir bei diesem Stück seine feurigen Reden. So etwa die unmissverständliche Antwort Heinrichs auf Botschaft und Geschenk des Dauphin von Frankreich – eine Truhe voller Tennisbälle – auf das englische Ultimatum. Oder die Aufforderung zur Kapitulation an die Stadtoberen des belagerten Harfleur.

Das Highlight aber war für mich immer Heinrichs große Rede vor der Schlacht bei Azincourt. 12.000 von Kämpfen und Märschen ermattete englische Soldaten treffen auf ein frisches Heer von 60.000 Franzosen. Eine Niederlage scheint unvermeidlich. In der Nacht vor der Schlacht mischt sich der König unerkannt unter seine Soldaten, die den Morgen fürchten, während die Franzosen ihn ersehnen. Er spürt ihre Angst, die Mutlosigkeit vor der aussichtslos erscheinenden Schlacht.


Den ganzen Beitrag lesen »

Karl Kraus verreisst George

Samstag, den 15. Dezember 2007

Wer die Götter vom Olymp stürzt und dem Dichterkult den Garaus zu machen sucht, das ist der Ikonoklast Karl Kraus, der wohl schwierigste Übersetzer der Shakespeare-Sonette. Der oft beschworene, als Befreiung gefeierte Tod des Autors, bei Karl Kraus findet er statt, lange bevor die Literaturwissenschaft zur öffentlichen Hinrichtung schreitet. Der Kampf um Shakespeare, um den es, wie der Titel seines Rachefeldzuges gegen Stefan George: „Sakrileg an George oder Sühne an Shakespeare?“ vermuten läßt, vermeintlich noch zu gehen scheint, offenbart sich der genaueren Lektüre und vor allem angesichts seiner eigenen Nachdichtung als ein Kampf um die Sprache, als Kampf gegen die Veräußerlichung der Sprache, gegen verblaßte poetische Klischees und sinnentleerte Phrasen einerseits und gegen Stefan George andererseits, den Gundolf als „Erneuerer der Dichtungssprache“ gefeiert hatte. Kraus wird nicht müde, Georges herrschaftliches Verhältnis zur Sprache anzuprangern, das die Sprache in der Form zu bezwingen sucht. George, von Gundolf gepriesen als „Seher und Sager der weltwirkenden Kräfte im lauteren, strengen und schweren Wort“, wird von Kraus abschätzig als Verwörtlicher bezeichnet; gegen Georges eigentümliche Wortprägungen – die für Karl Kraus, der einen wirklichen und zugleich mystischen Zusammenhang zwischen Wort und Ding annimmt, im Treibhaus gezüchtete künstliche Blüten sind, die den Bezug zum Ursprung verloren haben und deswegen lediglich sinnentleerte Ornamente bleiben – zieht er ebenso unerbittlich wie konsequent zu Felde im Namen der Sprache, um Georges „Doppelfrevel an Shakespeare und der deutschen Sprache“ offen zu legen. Eine umfassende Revision der vornehmlich von Unverständnis geprägten literaturwissenschaftlichen Einschätzung des Krausschen Verfahrens „Vom Deutschen ins Deutsche zu übersetzen“ steht noch aus; festzuhalten bleibt, daß seine Nachdichtung eine eigentümliche Zwitterstellung bekleidet: gegenüber der Umdichtung Georges ist die Übertragung von Karl Kraus zugleich in der Sprachhaltung, in dem zugrunde liegenden Sprachideal, das in den Dichtungen von Mathias Claudius und Goethe seinen reinsten Ausdruck findet, rückwärtsgewandter wie in dem vehementen Beharren auf dem Eigenleben der Sprachen moderner als die Version von Stefan George.

••• Die Quelle harschester Kritik an Georges Shakespeare-Umdichtungen, auf die der krimileser gestern hinwies, war insofern ein wenig dürftig, als der Autor im Dunkeln blieb. Glücklicherweise lässt sich bei der deutschen Shakespeare-Gesellschaft online ein wenig mehr Information zu diesem Verriss finden. Der Autor ist niemand anderes als Karl Kraus, selbst mit Shakespeare-Nachdichtungen in Erscheinung getreten (die ich auch nicht kenne, mea culpa!). Ein Rachefeldzug sei das gewesen. Aber herrjeh, wenn man es sich so gründlich verdient hat wie George mit den in dem Beitrag vorgestellten Übertragungen…

Danke nochmals für den Tip.

Shakespeare • George

Freitag, den 14. Dezember 2007

Was ist mein vers an neuer pracht so leer •
Von wechsel fern und schneller änderung?
Was schiel ich mit der zeit nicht auch umher
Nach neuer art und seltner fertigung.

Was ich nur stets das gleiche schreib • das eine •
Erfindung halt im üblichen gewand?
Dass fast aus jedem wort mein name scheine •
Die herkunft zeigend und wie es entstand?

O süsses lieb • ich schreibe stets von dir
Und du und liebe • ihr seid noch mein plan . .
Mein bestes: altes wort in neuer zier:
Dies tu ich immer • ists auch schon getan.

So wie die sonne täglich alt und neu
Sagt meine liebe schon gesagtes treu.

William Shakespeare, Sonett LXXVI
Umdichtung: Stefan George (1909)

••• Wie ich via Lotrees erfahre, bringt Klett-Cotta im Rahmen der grossen kommentierten George-Ausgabe Anfang 2008 Band 12 mit den Georgeschen Umdichtungen der Shakespeare-Sonette, und zwar – wie der Verlag anmerkt – erstmals in kritischer Edition.


Den ganzen Beitrag lesen »

Eine Bäckerstochter

Samstag, den 10. November 2007

Long eared owl - © by Mark Dedrie
Long eared owl – © by Mark Dedrie

They say the owl was a baker’s daughter. We know what we are, but know not, what we may be.

William Shakespeare

••• „Sie sagen, die Eule wär eine Bäckerstochter. Wir wissen, was wir sind, doch wissen nicht, was wir sein könnten.“

Diese Zeilen stehen als Motto über einem Text in der soeben erschienenen Ausgabe 14 der in München herausgegebenen Literaturzeitschrift „ausser.dem“. In der Seidlvilla am Nikolaiplatz, nahe dem Englischen Garten, wurde die neue Ausgabe heute abend mit einer Leselounge vorgestellt. Wie üblich werde ich ein paar Tage brauchen, das Heft ganz durchzusehen, um darüber zu berichten.

In der Seidlvilla habe ich vor vielen Jahren selbst einmal gelesen, aus dem „Alphabet“. Wann ich das letzte Mal als Zuhörer auf einer Lesung war, das kann ich, um ehrlich zu sein, gar nicht sagen. Es ist lange her, sehr lange, so viel ist sicher. Dass das Vorhaben, diese Leselounge zu besuchen mit der Idee zu „Mayim Rabim“ zusammenfällt, ist wahrscheinlich kein Zufall.

Und ich glaube auch, dass es kein Zufall ist, dass mir bei dieser Gelegenheit die oben zitierten Shakespeare-Zeilen quasi vor die Füsse fallen, die als Motto auch über meinem neuen Projekt stehen könnten. Ja, wir wissen nicht, was wir sein könnten. Darüber hinaus aber behaupte ich – dem alten William widersprechend – dass wir nicht einmal wissen, was wir sind. Wir haben – im besten Fall – eine Ahnung, eine leise Ahnung. Und wenn wir uns umdrehen, raunt es uns zu: They say the owl was a baker’s daughter….

Männliche und weibliche Reime

Dienstag, den 22. Mai 2007

••• Vorgestern kam ein dickes E-Mail-Paket von Undine Materni. Darin unter anderem eine Neuübersetzung der Shakespeare-Sonette. Sie stammt von Jan Weinert, geboren 1963 in Jena und selbst umtriebiger Lyriker und Erzähler. Einmal begonnen, konnte ich nicht aufhören zu lesen; und eines ist klar: Diese Übertragung verdrängt für mich nun jene von Frau Schuenke ganz gründlich. Der Hauptgrund ist die ungeheure Textnähe, die Weinert in seiner Nachdichtung gelingt. Doch ganz nah ist Weinert dem Original auch in der musikalischen Stimmung der Sonette.

Letzteres konnte ich nur erfühlen, ohne es genauer belegen zu können. Glücklicherweise lieferte mir Undine Materni auch die Erklärung: männliche und weibliche Reime.


Den ganzen Beitrag lesen »

Vergleich ich dich mit einem Sommertag?

Freitag, den 18. Mai 2007

Shall I compare thee to a summer’s day?
Thou art more lovely and more temperate:
Rough winds do shake the darling buds of May,
And summer’s lease hath all too short a date:
Sometime too hot the eye of heaven shines,
And often is his gold complexion dimmed,
And every fair from fair sometime declines,
By chance, or nature’s changing course untrimmed:
But thy eternal summer shall not fade,
Nor lose possession of that fair thou ow’st,
Nor shall death brag thou wander’st in his shade,
When in eternal lines to time thou grow’st,
So long as men can breathe, or eyes can see,
So long lives this, and this gives life to thee.

Vergleich ich dich mit einem Sommertag?
Du hast mehr Maß und größre Lieblichkeit.
Die Maienknospe, die verzärtelt lag,
Schlägt rauher Wind; kurz währt des Sommers Zeit.
Des Himmels Auge brennt manchmal zu heiß,
Sein goldnes Antlitz, oft trübt sich’s für lang.
Und alles Schöne gibt die Schönheit preis,
Sei’s Zufall, sei’s des Wandels kruder Gang.
Doch nie soll deines Sommers Pracht ermatten,
Nie soll zerschleißen deiner Schönheit Kleid,
Nie Tod sich brüsten, daß in seinem Schatten
Du gehst: Im Vers zwingst du die Sterblichkeit.
Solang ein Mensch noch atmet, Augen sehn,
Solang dies steht, so lang wirst du bestehn.

William Shakespeare, Sonett Nr. XVIII
Übertragung: Christa Schuenke
© der Übertragung Straelener Manuskripte Verlag 1994

••• Mit Stefan Georges Übertragung dieses Sonetts konnte meine Frau sich gar nicht anfreunden. Als sie das Original gelesen hatte, meinte sie: So ein schönes Gedicht; und was ist in der Übertragung davon übrig geblieben?

So streng würde ich mit George nicht umspringen wollen. Aber tatsächlich liest sich die Übersetzung von Christa Schuenke da schon ganz anders und fängt, wie ich meine, deutlich mehr von der ursprünglichen Atmosphäre dieses Sonetts ein. Aus diesem Grund hier – speziell für meine Herzdame – das Sonett Nr. XVIII von Shakespeare noch einmal, diesmal übersetzt von Christa Schuenke.