Liebe auf den ersten Blick

Dienstag, den 1. September 2009

Natürlich denke ich
auch schon an deinen Schoß
wie ich ihn küssen
will daß er naß wird
und wieder trocken
und was mir
oder meinen Fingern
einfallen wird bei dir

Du findest das ungehörig?
Gut: wenn es dir lieber ist
will ich deine Haare
nahe an deinem Ohr
nur fast, doch nicht wirklich küssen
und an deine Augen denken
und mir ein für alle mal sagen
daß dein Schoß für
mich nicht existiert.
So fügsam bin ich –
Warum bist du jetzt beleidigt?

Wahrscheinlich glaubst du
wenn zwei Menschen einander sehr bald
ihre Namen sagen
und miteinander essen
und fragen was sie arbeiten
und was sie denken
daß daraus dann nie mehr
eine wirkliche Freundschaft wird

Erich Fried (1921-1988)

••• Ich habe noch weiter in dem Fried-Band gestöbert. Mir ist aufgefallen, dass es wohl Markus‘ »Schuld« sein muss, dass wir jetzt hier sowas verhandeln, genau, das Vinícius-Interview: »Aber ich glaube auch, dass jene Liebe, die für die Ewigkeit erschafft, die Liebe der Leidenschaft ist. Diese Liebe ist die einzige, die diese Dimension der Ewigkeit besitzt.« Wie kommt er eigentlich darauf?

Ich lese gerade einen Band mit Interviews, die Lawrence Grobel mit Truman Capote geführt hat. In einem dieser Interviews geht es um »Liebe, Sex und Angst«.


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Was es ist

Sonntag, den 30. August 2009

Faksimile - Erich Fried: Was es ist
Ericht Fried: Was es ist (Faksimile)

Es ist Unsinn
sagt die Vernunft
Es ist was es ist
sagt die Liebe

Es ist Unglück
sagt die Berechnung
Es ist nichts als Schmerz
sagt die Angst
Es ist aussichtslos
sagt die Einsicht
Es ist was es ist
sagt die Liebe

Es ist lächerlich
sagt der Stolz
Es ist leichtsinnig
sagt die Vorsicht
Es ist unmöglich
sagt die Erfahrung
Es ist was es ist
sagt die Liebe

Erich Fried (1921-1988)

••• Als ich mich letztens an Brechts »Erstes Sonett« erinnerte, suchte ich panisch nach dem Band mit seinen Liebesgedichten, einem meiner liebsten und meistgelesenen Lyrikbände, eine DDR-Publikation und sehr wahrscheinlich nicht zu ersetzen, wäre er verloren gegangen. Hätte ich es tatsächlich nicht gefunden, hätte ich letzte Woche über diesen Verlust schreiben müssen, statt das Gedicht hier zu bringen. Das waren Augenblicke ernstzunehmender Panik.


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Love In The Asylum

Freitag, den 3. Juli 2009

Deutsche Dylan Thomas Website (www.dylan-thomas.de)
Deutsche Dylan Thomas Website (www.dylan-thomas.de)

A stranger has come
To share my room in the house not right in the head,
A girl mad as birds
Bolting the night of the door with her arm her plume.
Strait in the mazed bed
She deludes the heaven-proof house with entering clouds
Yet she deludes with walking the nightmarish room,
At large as the dead,
Or rides the imagined oceans of the male wards.
She has come possessed
Who admits the delusive light through the bouncing wall,
Possessed by the skies
She sleeps in the narrow trough yet she walks the dust
Yet raves at her will
On the madhouse boards worn thin by my walking tears.
And taken by light in her arms at long and dear last
I may without fail
Suffer the first vision that set fire to the stars.

Dylan Thomas (1946)

Liebe im Irrenhaus

Es kam eine Fremde
Die teilt nun mein Zimmer im Haus das im Kopf etwas hat,
ein Mädchen so toll wie die Staren

Die verriegelt die Nacht der Tür mit dem Federkleid ihrer Hände.
Stocksteif im Irrwegbett
Spinnt sie ins himmelsichere Haus ihre Wolkenscharen

Ja spinnt durch ihr Umgehn im Alptraum von Zimmer am Ende
Eine Freiheit so groß wie der Tod
Und geht eingebildete Meere der Männerabteilung befahren.

Sie ist besessen gekommen,
Sie gibt zu sie nimmt das spinnende Licht durch die federnde Wand wahr,
besessen von allen Himmeln.

Schläft sie im engen Trog doch hat sie die Freiheit des Umgehns gewonnen,
Ja, sie rast nach Begehr
Auf Narrenhausdielen die dünn sind weil meine dort meine Tränen
sich tummeln.
Und vom Licht nun zu guter Letzt in ihre Arme genommen
Darf ich unfehlbar
Das erste Gesicht erdulden das setzte die Sterne in Flammen.

Übertragung: Erich Fried

••• Nach einem ruinös anstrengenden Tag stand gestern eigentlich ein Goran-Bregovic-Konzert in der Münchner Muffathalle auf dem Programm des Babysitter-Abends. Das hätte ich gestern nicht überstanden. Relativ leicht war die Herzdame zu einer Planänderung überredet. In München ist Filmfest. Also auf zu einem Double-Feature.


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Traum

Samstag, den 17. Februar 2007

bluebeard - © 2006-2007 *lauren-rabbit@deviantart.com
bluebeard – © 2006-2007 by Lauren E. Simonutti

In der Nacht kam der Tod zu mir
Ich sagte:
„Noch nicht“
Er fragte:
„Warum noch nicht?“
Ich wußte nichts zu erwidern

Er schüttelte den Kopf
und ging langsam zurück
in den Schatten
Warum noch nicht?
Geliebte
weißt du keine Antwort?

Erich Fried, aus: „Liebesgedichte“
Verlag Klaus Wagenbach Berlin
(1983)

••• Das vertrödelte Buch waren die „Liebesgedichte“ von Erich Fried. Da fiel mir der „Gevatter Tod“ ein. Wie war das noch? Solange der Tod am Kopfende des Bettes steht…

Bereitsein war alles

Dienstag, den 19. Dezember 2006

Um mich vorzubereiten
auf die Belagerer
lernte ich
mein Herz immer kürzer halten

Das dauerte lange
Jetzt nach Jahren der Übung
versagt mein Herz
und ich sehe im Sterben das Land

als hätte nur ich
mich belagert
von innen
und hätte gesiegt:

Alles leer
Weit und breit
keine Sturmleitern
keine Feinde

Erich Fried, aus: „Als ich mich nach dir verzehrte“,
Wagenbach SALTO (1991)

••• Mein erstes Romanmanuskript „Der Libellenflügel“ lag – noch vor 1989 – lange beim Mitteldeutschen Verlag. In der DDR entschieden über Erscheinen oder Nichterscheinen eines Buches nicht nur die Verlage. Ganz abgesehen davon gab es genügend berechtigte Bedenken gegen eine Veröffentlichung, und ich bin froh, dass das Buch nie erschienen ist.

Irgendwann 1990 gab ich mir die ungeheure Blösse, das Manuskript bei Wagenbach persönlich vorbeizubringen, in deren Programm das Buch nicht einmal gepasst hätte, wenn es grosse Prosa gewesen wäre.

Es war schneller wieder bei mir zu Hause als ich selbst.

Einige Jahre später – „Das Alphabet des Juda Liva“ war inzwischen bei Ammann erschienen – war ich zur Feier des xten Bestehens des Wagenbach Verlages eingeladen. Der Verleger hielt eine Rede und berichtete stolz, man habe erfolgreich eine Klage gegen diverse Verlage der ehemaligen DDR angestrengt. Die Verlage hatten über Jahre zu viele Gestattungsexemplare gedruckt. Dabei handelte es sich um Lizenzausgaben westdeutscher Verlage, die ausschliesslich für den Verkauf in der DDR bestimmt waren. Die Lizenzen mussten in Devisen, also harter Währung, bezahlt werden; und entsprechend konnten nur Rechte für sehr begrenzte Auflagen erworben werden. Man klagte nun auf Schadenersatz in beträchtlicher Höhe. Das, so der Verleger, würde einige der betroffenen Verlage in wirtschaftliche Bedrängnis bringen. Aber der Gerechtigkeit sei so nun endlich Genüge getan.

Ich verliess die Veranstaltung, bevor die Rede zu Ende war. Ohne jene DDR-Verlage und das Engagement einzelner Lektoren dort und sicher auch ohne die schwarz gedruckten Exemplare hätte ich viele Bücher, die mir viel bedeuteten, nicht lesen können.

Nein, warm geworden bin ich mit Wagenbach nicht. Aber schöne Bücher machen sie, nach wie vor.

Postscriptum:

Ehrenpreis für Verleger Klaus Wagenbach

Der seit 1990 vom Hauptverband des Österreichischen Buchhandels vergebene „Ehrenpreis für Toleranz in Denken und Handeln“ geht in diesem Jahr an den Verleger Klaus Wagenbach. Die mit 7.200 Euro dotierte Auszeichnung wird wurde am 13. November 2006 im Rahmen der Buchwoche in Wien verliehen.

(gefunden als Meldung bei TourLiteratur)