Reue und Buße

13. März 2009

The most unnoticed of all miracles is the miracle of repentance. It is not the same as rebirth; it is transformation, creation. In the dimension of time there is no going back. But the power of repentance causes time to be created backward and allows re-creation of the past to take place. Through the forgiving hand of God, harm and blemish which we have committed against the world and against ourselves will be extinguished, transformed into salvation.

Abraham Joshua Heschel
aus: »The Meaning of Repentance« (1936)
in: »Moral Grandeur and Spiritual Audacity«
Farrar Straus & Giroux, New York, 1996

••• Ich zitiere hier Heschel nach D. G. Myers, der eben diese Passage in seinem aktuellen Beitrag zu Nabokovs »Lolita« bringt. Myers Beitrag sollte man unbedingt lesen. Er ist brilliant, Myers Prämisse unmissverständlich im Eingangssatz formuliert:

Lolita is the greatest novel ever written in English, because alone among English-language novels it is the enactment of a moral experience.

Das ist ein interessanter Ausgangspunkt. Wieder einmal legt uns die andere Sprache (das Englische) hier einen Stein in den Verständnisweg. Was Myers als »repentance« beschreibt, kann zu Deutsch Reue oder Buße heißen. Zwischen beiden Worten besteht jedoch ein dramatischer semantischer Unterschied: Reue ist nicht zwingend tätig, Buße hingegen schon. Und im Sinne von Myers These gehe ich davon aus, dass die tätige Reue gemeint sein muss, zumal Heschel von »repentance« im Sinne des Begriffs der »Umkehr« (Teschuva) spricht: Reue, Bekennen und Wiedergutmachung gehören hier untrennbar zusammen.

Worin der Unterschied zwischen Teschuva und bspw. bloßer Entschuldigung besteht, erläutert Myers in einem Follow-Up zum o. g. »Lolita«-Beitrag (Pull out his eyes, Apologize, Apologize), gespickt mit Textbeispielen aus der englischsprachigen Literatur.

Man hat auf mich eingeschlagen

12. März 2009

••• Auf faz.net ist heute ein Brief Benedikt XVI. in voller Länge zu lesen, den dieser vor zwei Tagen an die Bischöfe der katholischen Kirche richtete. Darin gesteht er Pannen ein, zeigt deutlich die Bedeutung und Grenzen der Exkommunikationsaufhebung der Bischöfe der Pius-Brüderschaft auf und bekräftigt seine Einstellung zum christlich-jüdischen Dialog. Dass an ihr nie zu zweifeln war, habe ich hier bereits geschrieben. Der Brief ist dennoch ein wichtiges Zeichen. Mir imponiert dieser Mann, der seine Entscheidung rechtfertigt, sich dabei aber nicht scheut, Fehler einzuräumen. Seine Worte, die zum verständnisvollen Miteinander aufrufen, haben mich berührt.

Virusinfektion

9. März 2009

Eine Mutter bringt ihr krankes Kind zum Arzt. Der bescheidet nach ausführlicher Untersuchung: Das Kind hat eine Virusinfektion. Darauf ruft das Kind beleidigt: Aber Doktor, ich bin doch kein Computer!

••• Für unsere Kinder sind viele Worte bereits nicht mehr, was sie für uns sind.

[gefunden von der Herzdame bei Nextnature]

Außer Kontrolle

7. März 2009

Tracey Emin: My Bed (Installation)
Tracey Emin: My Bed (Installation)

Spiegel: Können glückliche Menschen überhaupt gute Kunst machen?

Emin: Natürlich. Sie machen sogar bessere Kunst als unglückliche Menschen. Denn die Unglücklichen sind ein wenig außer Kontrolle.

Tracey Emin im Gespräch, »Spiegel« 10/2009

Write or Die

6. März 2009

WriteRoom - Schreiben ohne Ablenkung
WriteRoom – Schreiben ohne Ablenkung

Was Disziplin angeht – sie ist wichtig, wird aber überschätzt. Die wichtigere Tugend für einen Schriftsteller ist Versöhnlichkeit mit sich selbst. Denn dein Schreiben wird dich immer enttäuschen. Deine Faulheit wird dich immer enttäuschen. Du wirst Vorsätze fassen: »Ich werden täglich eine Stunde schreiben«, und dann wirst du es nicht tun. Du wirst denken: »Ich brings nicht, ich bin so eine Niete. Ich bin gescheitert.« Nach dem Kummer dieser Enttäuschung weiter zu schreiben, braucht nicht nur Disziplin, sondern Selbstversöhnlichkeit (die von liebevoller und ermunternder und mütterlicher Zuwendung kommt). Was man sich auch vergegenwärtigen muss, ist, dass alle Schriftsteller meinen, sie würden nichts taugen. Als ich »Eat, Pray, Love« schrieb, hatte ich dieses »Ich brings nicht« wie ein Mantra im Kopf wie jeder, der irgendetwas schreibt. Aber ich erlebte einen Moment der Offenbarung, als ich mich mit dem Gefühl herumquälte, wie unglaublich schlecht doch mein eigenes Schreiben sei und mir klar wurde: »Tatsächlich ist das nicht mein Problem«. Der Umstand, der mir klar wurde, war dieser: Ich hatte dem Universum nicht zugesichert, brilliant zu schreiben; ich hatte lediglich versprochen, dass ich schreiben würde. Also legte ich mich ins Zeug und kämpfte mich durch, wie ich es gelobt hatte.

••• Obiges Zitat stammt von der US-Autorin Elizabeth Gilbert, die auf ihrer Website berichtet, dass und wie sie sich einem Leben als Schriftstellerin »geweiht« hat, wie sich eine Nonne Gott weiht. Aus der Erkenntnis, dass Schreiben um der Aufmerksamkeit und Anerkennung willen nicht viel verspricht, macht sie – und scheinbar mit ihr viele Schreibende – das Schreiben selbst zur Hauptsache. Es einfach tun. Gründe braucht es nicht. Schon gar nicht den, es »brilliant« tun zu wollen.


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Der wahre Gegensatz

4. März 2009

Alvin Plantiga (links) und Daniel Dennett
Alvin Plantiga (links) und Daniel Dennett

••• Nein, ich sehe keine Gespenster. Es ist eine Kampagne gegen jegliche Religion im Gange, befeuert von Überzeugungen, die ihrerseits quasireligiösen Charakters sind. Die des Englischen mächtigen Turmsegler möchte ich heute auf eine hitzige Debatte der APA hinweisen.

Am 21. Februar veranstaltete die Central Division of the American Philosophical Association (APA) – die bedeutendste Berufsvereinigung der Philosophen in den USA – eine Art Debatte zwischen Alvin Plantinga und Daniel Dennett. Plantinga ist einer der Gründer der Society of Christian Philosophers und bemüht sich in seinen Arbeiten um eine Desäkularisierung der Philosophie. Daniel Dennett gehört zu den New Atheists und ist ein entschiedener Verfechter des atheistischen Darwinismus. Während Dennett jeglicher religiösen Ansicht gegenüber in Rage gerät, vertritt Plantiga die Ansicht, dass Religion und Wissenschaft nicht nur durchaus miteinander kompatibel sind, sondern darüber hinaus der wahre Gegensatz vielmehr zwischen Theismus und Naturalismus bestehe.


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Pans Labyrinth

4. März 2009

Szenenfoto aus »Pans Labyrinth«
Der Pan (Doug Jones)

A maze is a place where you get lost. But a labyrinth is essentially a place of transit, an ethical, moral transit to one inevitable centre.

Guillermo del Toro
in einem Interview mit »The Guardian«

••• Einer der beeindruckendsten Filme, die ich in den letzten Jahren mit der Herzdame angesehen haben, war sicher »Pans Labyrinth« von Regisseur Guillermo del Toro. Mir gefiel besonders der Pan und Ofélias Versuch, das Grauen mit Poesie und Imagination zu besiegen.

Der Pan wird nun eine Hauptrolle spielen in einem neuen Roman, für den ich mir selbst mit diesem Beitrag das offizielle Startsignal gebe. Der Arbeitstitel (und damit eine neue Rubrik im Turmsegler): Pans Wiederkehr.

Mein Pan wird allerdings kein Faun sein, wie er es nach dem Filmscript del Toros sein sollte, sondern Pan, der Hirtengott und Herrscher Arkadiens, der Tiere und Menschen, denen er erscheint, in »panischen« Schrecken versetzt.


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