The writer’s guide to making a digital living

9. Mai 2009

The writer’s guide to making a digital living

••• Australien ist ein Paradies für Autoren oder wird es zumindest bald sein. So jedenfalls behauptet es obiges Video. Das Geheimnis dieses unvermeidlichen Erfolgs der Autoren »down under« ist der »Writer’s guide to making a digital living«, der glücklicherweise nicht nur als Buch, sondern auch online verfügbar ist. Ein Klick in die interaktive Karte des Literatur-Universums zeigt auf, wie vielfältig für einen heutigen Autor die Möglichkeiten der digital-literarischen Ausdrucksmöglichkeiten sind. Ich war erstaunt.

Nun zähle ich wohl nicht zur Zielgruppe dieser Publikation, denn ich muss einräumen, dass ich ein Verfechter des altmodischen Buches als Literaturbehältnis bin. Ich bin durchaus für Experimente zu haben, wie »Die Leinwand« beweisen wird, aber es sind Experimente mit dem Medium Buch. Weder treibt es mich, meinen Lebensunterhalt mit Literatur zu verdienen (beim Gedanke, schreiben zu müssen, um die Miete zahlen zu können, wird mir schlagartig unwohl), noch treibt es mich, all jene in diesem Wegweiser vorgestellten Varianten der Online-Publikation zu erproben. Andere Autoren mögen das aber ganz anders sehen, und mancher Versuch in diesen neueren Medien ist sicher auch formal interessant, also im Hinblick auf die Frage, welche Rückwirkung die Form auf den Inhalt haben mag.

Revolution ahead?

7. Mai 2009

The biggest internet revolution for a generation will be unveiled this month with the launch of software that will understand questions and give specific, tailored answers in a way that the web has never managed before.

[…] The real innovation, however, is in its ability to work things out „on the fly“, according to its British inventor, Dr Stephen Wolfram. If you ask it to compare the height of Mount Everest to the length of the Golden Gate Bridge, it will tell you. Or ask what the weather was like in London on the day John F Kennedy was assassinated, it will cross-check and provide the answer. Ask it about D sharp major, it will play the scale. Type in „10 flips for four heads“ and it will guess that you need to know the probability of coin-tossing. If you want to know when the next solar eclipse over Chicago is, or the exact current location of the International Space Station, it can work it out.

••• Zu einer Zeit, die mir heute wie ein früheres Leben vorkommt, habe ich mich ausgiebig mit Künstlicher Intelligenz und ihren Anwendungsmöglichkeiten für reale Tagesprobleme beschäftigt. Ich hatte fatale Illusionen und war am Ende überrascht, was dennoch tatsächlich möglich ist. Leider hatte ich mir in den Jahren 1999-2003 ein idiotisches Problemfeld auserkoren: den Finanzmarkt. Wie viel nützlicher hätten meine Forschungen sein können, hätte ich mich um Probleme beispielsweise der Energiebedarfsdeckung in Ballungszentren gewidmet…

Dass mich die obige Meldung, die mir die Herzdame heute zuspielte, brennend interessierte, liegt also auf der Hand.

Einfach gesagt, wird hier eine neue Generation von Suchmaschinen annonciert, die 1) echte Fragen statt Suchbegriffsanfragen entgegennimmt (und diese verstehen kann) und 2) statt einer Liste von Webseiten, die möglicherweise relevante Inhalte aufweisen, eine klare Antwort auf die gestellte Frage präsentiert. So soll man beispielsweise auf die Frage, ob der Mt. Everest höher ist als die Golden Gate Bridge lang, die richtige Antwort bekommen – mitsamt dem Unterschied in Metern. Das ist ein kühnes Versprechen. Google, derzeit quasi Monopolist im Internet-Search-Business, arbeitet an einem vergleichbaren Produkt.


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Chanson einer Dame im Schatten

5. Mai 2009

Michael Nyman
Michael Nyman

Wenn die Schweigsame kommt und die Tulpen köpft:
Wer gewinnt?
Wer verliert?
Wer tritt an das Fenster?
Wer nennt ihren Namen zuerst?

Es ist einer, der trägt mein Haar.
Er trägts wie man Tote trägt auf den Händen.
Er trägts wie der Himmel mein Haar trug im Jahr, da ich liebte.
Er trägt es aus Eitelkeit so.

Der gewinnt.
Der verliert nicht.
Der tritt nicht ans Fenster.
Der nennt ihren Namen nicht.

Es ist einer, der hat meine Augen.
Er hat sie, seit Tore sich schliessen.
Er trägt sie am Finger wie Ringe.
Er trägt sie wie Scherben von Lust und Saphir:
er war schon mein Bruder im Herbst;
er zählt schon die Tage und Nächte.

Der gewinnt.
Der verliert nicht.
Der tritt nicht ans Fenster.
Der nennt ihren Namen zuletzt.

Es ist einer, der hat, was ich sagte.
Er trägts unterm Arm wie ein Bündel.
Er trägts wie die Uhr ihre schlechteste Stunde.
Er trägt es von Schwelle zu Schwelle, er wirft es nicht fort.

Der gewinnt nicht.
Der verliert.
Der tritt an das Fenster.
Der nennt ihren Namen zuerst.

Der wird mit den Tulpen geköpft.

© Paul Celan, aus: »Niemandsrose«

••• Einige halten Michael Nymans Musik ja für Pop. Die Bezeichnung seines Kammerorchesters als »Michael Nyman Band« mag den Schluss nahelegen, dass er es selbst nicht wesentlich anders sieht. Whatever!

Ich bin auf ihn aufmerksam geworden über die Soundtracks zu den Greenaway-Filmen, namentlich »Der Koch, der Dieb, seine Frau und ihr Liebhaber«. Die Liebhaber-Box mit sämtlichen dieser Soundtracks war dann auch meine erste Nyman-Anschaffung. Anschaffung? Wenn ich es recht bedenke, war diese Box wohl ein Geschenk… Dabei blieb es aber nicht. Zu meinen Lieblingsstücken von Nyman gehören sein Klavierkonzert und die »Musique à Grande Vitesse« (MGV), ein Auftragswerk zur Inbetriebnahme des französischen Hochgeschwindigkeitszuges TGV und ein perfekter Soundtrack für »zügige« Fahrten auf einer leeren deutschen Autobahn ohne Tempolimit. Beide Stücke sind übrigens auf einer CD zu haben.

Ich habe Nymans Veröffentlichungen lange nicht verfolgt. Gestern bin ich per Zufall auf seine Vertonung von sechs Celan-Gedichten gestoßen. Das ist nun ein Muss für Nyman- und für Celan-Fans, umso mehr, wenn – wie bei mir – beides zusammenkommt.

Hillary Summers singt: »Chanson einer Dame im Schatten«
in der Vertonung von Michael Nyman
Michael Nyman Band, aus: »Six Celan Songs«

A Work of Art

1. Mai 2009

Geek Hero - More than just a Warning
Geek HeroMore than just a Warning

••• Das schöne an bürgerlichen Feiertagen: Man kann im Büro mal was schaffen… Ich war heute zum peer programming verabredet; und weil wir – da durch niemanden gestört – flugs fertig waren, bekam ich noch eine Einführung in den führenden Geek-Comic des Webs: Geek Hero. Ich konnte nicht widerstehen, die Serie vom ersten Strip an anzuschauen. Boris, der hier zum Engel wird, ist der russische Super-Hacker des Teams, ähm, wenn man von Team sprechen kann. Obiger Strip ist wohl so etwas wie der natürliche Schnittpunkt von Geek- und Autorenseele.

Dear Friends,

today, after writing 12000 lines of code in a row, as my usual, and then only compiling in the end, I got a compilation warning.

That was the first time in my life.

I’m not willing to live in the shame, so forgive my departure.

PS: I committed the broken code, because it’s a work of art.

Geek Hero gibt es auch per RSS. Logisch!

Mephisto

1. Mai 2009

Gustaf Gründgens als Mephisto
Gustaf Gründgens als Mephisto

Die „Mephisto-Entscheidung“ des Bundesverfassungsgerichts vom 24. Februar 1971 (BVerfGE 30, 173) gilt in der deutschen Rechtswissenschaft als Grundsatzurteil zur Kunstfreiheit und zum allgemeinen Persönlichkeitsrecht (APR). Das Bundesverfassungsgericht definierte erstmals den Begriff „Kunst“ aus verfassungsrechtlicher Sicht und stellte klar, dass auch die nach dem Grundgesetz schrankenlos gewährleistete Freiheit der Kunst (Art. 5 Abs. 3 GG) Schranken unterliege; nämlich solchen, die sich durch andere Grundrechte ergeben. Bei der Kollision der Kunstfreiheit mit anderen Grundrechten sei eine Abwägung der Rechtsgüter vorzunehmen.

••• Dem Adoptivsohn Gustaf Gründgens‘ verdanken wir also das BGH-Grundsatzurteil, das auch die Verbreitungsverbote der Romane »Esra« (Biller) und »Meere« (Herbst) möglich machte. Das war mir neu, und ich bin gestern erst bei der Wikepdia-Lektüre über Klaus Mann auf diese Absurdität gestoßen. In der DDR waren ja einige Werke »verboten«, aber Klaus Manns »Mephisto« wurde gedruckt, so dass die erste in Deutschland erschienene Ausgabe des Schlüsselromans über Gustaf Gründgens und seine opportunistische Karriere im Dritten Reich eben eine DDR-Ausgabe war. In der Bundesrepublik erschien eine Neuausgabe erst im Jahre 1981 – trotz noch immer geltenden Verbots – und wurde dann auch prompt verfilmt, mit Brandauer in der Hauptrolle.

Wie sind da wohl die Rechtsgüter abgewägt worden? Immerhin war Gründgens‘ Karriere im Dritten Reich doch eine sehr öffentliche Sache. Wie kann, solche öffentlich bekannten Fakten als Vorlage für einen Roman herzunehmen, verbotswürdig sein?

Auch neu war mir, dass Gründgens wie Klaus Mann außerhalb Deutschlands an einer Überdosis Schlaftabletten gestorben ist. Bei ihm freilich, wird kolportiert, es habe sich um einen »Unfall« gehandelt. Gründgens hinterließ einen Zettel mit der Notiz:

»Ich glaube, ich habe zu viele Schlafmittel genommen, ich fühle mich etwas komisch, laß mich ausschlafen.«

Seine Witwe – Marianne Hoppe – an die diese Zeilen gerichtet waren, hielt einen Suizid für ausgeschlossen:

»Es kann nur ein Unfall gewesen sein. Hätte er sich wissentlich das Leben genommen, so hätte man seinen Leichnam nicht im Pyjama gefunden, sondern im Smoking.«

Nach Eden

1. Mai 2009

»Nach Eden« ist Markus A. Hedigers einziges, derzeit aktives Weblog. Darauf zu finden sind die Erlebnisse (Spaziergänge, vor allem) in der Umgebung eines kleinen Schweizer Dorfes in unmittelbarer Nähe zur deutschen Grenze seines Alter Egos André Baquero Brun. Diese Ausflüge in den Geist eines Hediger nur äusserlich zum Verwechseln ähnlichen Mannes können auf demselben Weblog auch als Podcast heruntergeladen werden.

••• Markus A. Hediger ist nach einjährigem Aufenthalt in Brasilien seit einigen Monaten wieder in der Schweiz. Die Rückkehr brauchte Zeit und Kraft, vor allem, aber nicht nur, was die Wieder-Orientierung im utilitaristischen Leben angeht. Umso glücklicher bin ich, dass man ihn nun wieder online lesen und hören kann. Sein neues Weblog »Nach Eden«, dessen Beiträge (ohne Ton) auch in der wiederbelebten Veranda von p.- zu lesen sind, präsentiert, was mir schon an den früheren Weblog-Arbeiten Hedigers gefallen hat: unprätentiöse Prosa mit magischer Aufladung, sein leicht schweizerisch eingefärbtes Lesen wie eine Umarmung des (unbekannten) Lesers/Hörers und natürlich die Themen – Identitätssuche, Suche überhaupt, und das alles in einer entwaffnenden Ehrlichkeit.

Er wird diese Aussage vielleicht nicht mögen. Aber: Dieser Mann gehört endlich entdeckt von einem größeren Publikum. Geht lesen und lauschen auf seinem Blog! Als Bücher erschienen sind von ihm bislang in der edition neue moderne seine »autobiographischen Fiktionen« »Krötenkarneval« und in der edition taberna kritika von Hartmut Abendschein das »TamTam Grand Hotel«.

Sorgen, Tunten, Briefe

30. April 2009

Klaus und Erika Mann
Die Geschwister Klaus und Erika Mann

»Ich will sterben, weil ich unfähig bin, die grenzenlose Anhäufung von Mittelmäßigkeit und bösem Willen, von ehrsüchtiger Ignoranz und egoistischer Faulheit zu akzeptieren und zu ertragen, von der die Welt und dieses Land regiert werden.«

Das schrieb Klaus Mann 1942 nach dem Scheitern seines Projekts »Decision« in einer Art Presseerklärung, zu veröffentlichen nach seinem Selbstmord. Damals wurde er noch gerettet, doch die Krankheit zum Tode hatte ihn längst ergriffen. Vor 60 Jahren, am 21. Mai 1949 nahm er sich in Cannes mit einer Überdosis Schlaftabletten das Leben.

Katrina Behrend Lesch

••• Ende der 1980er Jahre sind in der DDR Klaus Manns gesammelte Briefe erschienen. Ich bin nicht mehr ganz sicher, aber ich meine, ich müsste so 17 oder 18 gewesen sein; und wie habe ich diese Briefe geliebt! Von Sorgen ist zumeist die Rede, Sorgen wegen des »Zauberers«, dem übermächtigen Vater Thomas, Geldsorgen, Liebessorgen und natürlich jenen Sorgen wegen der in der braunen Soße untergegangenen Heimat, die Klaus Mann verlassen musste, um zu überleben. Aber von all dem berichtet er in seinen Briefen mit Verve und Witz und einem Sprachvorrat, der atemlos macht.

Ich habe damals auch die Romane Klaus Manns gelesen, »Mephisto« zunächst, aber auch »Symphonie Pathetique«. Der tuntige Tschaikowski hat mich seinerzeit ziemlich entsetzt. Aber die Briefe, eine Leseleckerei, die Briefe, ich muss mal sehen, wo ich die habe und sie mal wieder lesen.

Am 21. Mai wird es 60 Jahre her sein, dass Klaus Manns wiederholter Selbstmordversuch gelang. In Erinnerung an ihn liest Jörg Hube am 21. Mai um 20:00 Uhr in der Black Box im Münchner Gasteig aus Klaus Manns »Mephisto«.