••• Heute nun endlich konnte ich mit Ulrich Grasnick telefonieren, und wir sprachen lange über Charlotte. Zwei gute Nachrichten brachte er mir zu der traurigen ihres Todes. Sie ist friedlich eingeschlafen nach einem glücklichen Tag mit Spaziergängen, Scherzen und der unvermeidlichen Zigarette gegen Abend. Und – sie konnte zwar nicht allen Texten ihres letzten, so viele Jahre dauernden Projektes den allerletzten Schliff geben; aber geschafft hat sie, was sie sich vorgenommen hatte, nämlich diese Geschichten noch zu Ende zu erzählen. Es gibt also ein Manuskript, zum großen Teil bereits lektoriert, zum Teil handschriftlich, wie ich es von ihr kannte.
••• Ein Bekannter meiner Frau wird eine für die kommende Woche geplante Besichtigung der Synagoge am Jakobsplatz boykottieren, weil er den Bericht von Amnesty International über den Gaza-Feldzug gelesen hat und auf eine schriftliche Anfrage bei der Jüdischen Gemeinde keine Antwort erhielt. Erhofft hatte er sich eine Verurteilung der den Israelis vorgeworfenen »Kriegsverbrechen« oder doch zumindest einen Ausdruck des Bedauerns. BBC News Online gibt einen Kurzüberblick über den Bericht.
Wirklich Neues erfährt man nicht, abgesehen natürlich davon, dass Krieg in jedweder Form und an jedwedem Ort und aus jedwedem Grund widerlich, blutig und grausam ist. Menschen ziehen in den Krieg, um durch Töten zu klären, was sie friedlich offenbar nicht klären konnten. Immer kommen dabei »Unbeteiligte« zu Schaden. Und warum ist das so? Weil der Soldat, der mit der Waffe hinausgeht, um »den Feind« zu töten, bereits die Grenze überschritten hat. Er ist bereit zu töten. Und er steht einem Feind gegenüber, der dazu ebenso bereit ist. In einer solchen Situation kann niemand mehr für sich und die eigene Menschlichkeit garantieren. Ist es erst einmal so weit, herrschen Angst und Hass, wie sehr man das auch rationalisieren und beschönigen möchte.
••• Am Feuer sitzen und Geschichten lauschen… Da möchte sogar ich noch einmal Kind sein. Oder doch lieber der Geschichtenerzähler? Es hat mir einen Stich versetzt, als ich sah, wie die Erwachsenen laufen mussten in jener Zeit, als der Himmel so tief hing, dass man anstieß, wenn man sich aufrichten wollte: die eigenen Füße waren ihr Horizont. Und so wäre es geblieben, hätten die Kinder nicht das vermeintlich Unmögliche gewagt. Eine schöne Geschichte.
••• Ihr habt es nicht anders gewollt. Der Turmsegler ist jetzt total vertwittert. Bei neuen Beiträgen und Kommentaren sollten auf @Turmsegler entsprechende Updates erscheinen. Wir werden sehen. Ebenfalls neu sind die Social-Network-Buttons am Ende eines jeden Beitrags. Per Klick könnt ihr so bei Bedarf den betreffenden Beitrag tweeten, diggen und stumbleuponnen und und und … Zum Lesen wird hier keiner mehr kommen, nur noch zum Klicken.
A stranger has come
To share my room in the house not right in the head,
A girl mad as birds
Bolting the night of the door with her arm her plume.
Strait in the mazed bed
She deludes the heaven-proof house with entering clouds
Yet she deludes with walking the nightmarish room,
At large as the dead,
Or rides the imagined oceans of the male wards.
She has come possessed
Who admits the delusive light through the bouncing wall,
Possessed by the skies
She sleeps in the narrow trough yet she walks the dust
Yet raves at her will
On the madhouse boards worn thin by my walking tears.
And taken by light in her arms at long and dear last
I may without fail
Suffer the first vision that set fire to the stars.
Es kam eine Fremde
Die teilt nun mein Zimmer im Haus das im Kopf etwas hat,
ein Mädchen so toll wie die Staren
Die verriegelt die Nacht der Tür mit dem Federkleid ihrer Hände.
Stocksteif im Irrwegbett
Spinnt sie ins himmelsichere Haus ihre Wolkenscharen
Ja spinnt durch ihr Umgehn im Alptraum von Zimmer am Ende
Eine Freiheit so groß wie der Tod
Und geht eingebildete Meere der Männerabteilung befahren.
Sie ist besessen gekommen,
Sie gibt zu sie nimmt das spinnende Licht durch die federnde Wand wahr,
besessen von allen Himmeln.
Schläft sie im engen Trog doch hat sie die Freiheit des Umgehns gewonnen,
Ja, sie rast nach Begehr
Auf Narrenhausdielen die dünn sind weil meine dort meine Tränen
sich tummeln.
Und vom Licht nun zu guter Letzt in ihre Arme genommen
Darf ich unfehlbar
Das erste Gesicht erdulden das setzte die Sterne in Flammen.
Übertragung: Erich Fried
••• Nach einem ruinös anstrengenden Tag stand gestern eigentlich ein Goran-Bregovic-Konzert in der Münchner Muffathalle auf dem Programm des Babysitter-Abends. Das hätte ich gestern nicht überstanden. Relativ leicht war die Herzdame zu einer Planänderung überredet. In München ist Filmfest. Also auf zu einem Double-Feature.
In Genesis 1 geht der Schöpfer nach einem formvollendeten Plan vor, so penibel durchstrukturiert, dass sich seine Perfektion und – möchte man fast sagen – Symmetrie sogar in der Struktur seiner sprachlichen Überlieferung niederschlägt. Gott geht weniger wie ein Künstler, als vielmehr wie ein Ingenieur vor, der einem genauen Bauplan folgt.
Er beschließt, was er erschaffen will und sagt es an (»Und Gott sprach«)
Er setzt sein Vorhaben um (»Und Gott machte«, »schuf« etc.)
Er beurteilt sein Werk (»Und Gott sah, dass es gut war«)
Ein durchdachtes, vollkommenes Kunstwerk also, sorgfältig orchestriert sowohl in seiner Entstehung als auch in seiner Vollendung, in das Gott am sechsten Tag den Menschen da hineinsetzt. Es ist genauso geworden, wie er es sich vorgestellt hatte, als er die ersten Worte sprach und das Licht erschuf.
Und dennoch geht etwas schief. Irgendetwas funktioniert nicht so, wie es sollte. Weshalb sonst sollte der Schöpfer sich nur wenige Zeilen später veranlasst sehen, erneut seine Hände in die Erde zu senken und die Welt ein zweites Mal zu erschaffen?
Was war es, was eine »Überarbeitung« der Schöpfung notwendig machte?