14. Juli 2009
Ein Gastbeitrag von Markus A. Hediger
••• Als ich vor einem Jahr meine autobiographischen Fiktionen beendete, ahnte ich nicht, wie sehr sie mein Selbstbild und – als Folge daraus – mein Leben bestimmen würden. Ich hatte sie in einem rauschhaften Zustand geschrieben, der wochenlang anhielt und mich taumelnd durch eine plötzlich eingetretene oder gefundene Kongruenz zwischen persönlicher Geschichte und aktuell Erlebtem tanzen ließ. Sprache wurde zur Musik, die sich selbst sang. Als das Büchlein schließlich publiziert war, wollte ich weiterschreiten, weiterarbeiten an meiner Fiktion, aber es gelang mir nicht. Es war, als hielte mich die Welt zurück, als zwänge sie mich zum Stillstand.
Fiktion beschränkt sich nicht nur auf das Geschilderte. Teil einer Fiktion ist auch ihre Konstruktion, ist auch ihre Wortwahl, ihr Rhythmus. Fiktion zeichnet sich weniger durch das aus, was sie erzählt, sondern durch das Wie.
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Tags: Markus A. Hediger • Gastbeiträge • Poetik
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13. Juli 2009
Markus A. Hediger: Krötenkarneval – Autobiographische Fiktionen
ISBN 978-39523236-5-6, 160 Seiten, Gallimard-Paperback
Euro 14,-
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••• Dies ist eine Beschwörung. Schaut in den »Rückspiegel« und stellt fest: Wer Hedigers Buch noch nicht gelesen hat, der hat etwas verpasst. Und das würde ich auch felsenfest behaupten, wenn ich nicht der Verleger dieses wunderbaren Bandes wäre. Die Titelgrafik übrigens stammt von der Herzdame, nach wie vor mein favorisiertes Cover unter den Editionstiteln.
Tags: Markus A. Hediger • Prosa
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13. Juli 2009
J. D. Salinger (2009)
••• In den letzten zwei Wochen habe ich zum ersten Mal Salinger gelesen. Um welches Buch es sich handelte, muss man ja nicht erwähnen. Ich war enttäuscht und begeistert. Enttäuscht hat mich der nach meinem Geschmack völlig unspannende Ablauf dieser Teenager-Geschichte. Begeistert hingegen war ich von der für mein Gefühl sehr gut getroffenen Sprache, die Salinger seinem Helden Caulfield verpasst. Ich habe die aktuelle Ausgabe von Kiepenheuer & Witsch gelesen in der Übersetzung also von Eike Schönfeld von 1962 und offenbar im Jahr 2003 nachträglich in die neue deutsche Rechtschreibung übertragen, die mir an manchen Stellen wirklich Beschwerden bereitet. Es tut mir Leid. Auch wenn das sinnvoll ist, ich gewöhne mich nur allzu langsam daran und stocke jedes Mal wieder im Lesefluss.
Wie es möglich war, dass sich dieser Roman unterdessen sage und schreibe mehr als 75 Millionen mal verkauft hat, ist mir ein Mysterium. Als Autor ist Salinger nach diesem Streich verstummt und ist es bis heute – 40 Jahre später – geblieben. Ich finde das okay. Wer wollte einen Autor zwingen, Buch auf Buch zu schreiben, nur weil dieser Roman ein solcher Erfolg war?
D. G. Myers vom »Commonplace Blog« sieht das in seinem Beitrag »Suspended in literary amber«, den ich bei ihm – what a coincidence – vor wenigen Tagen las, weniger versöhnlich:
Like an overprotective parent, Salinger has fought desperately to prevent Holden from achieving independence, and the folie à deux has arrested the development of both. Among other things, The Catcher in the Rye is a less interesting novel because it has had no descendants and inheritors, only rivals and apes.
Tags: D. G. Myers • J. D. Salinger • Prosa
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12. Juli 2009
Of all tyrannies a tyranny sincerely exercised for the good of its victims may be the most oppressive. It may be better to live under robber barons than under omnipotent moral busybodies. The robber baron’s cruelty may sometimes sleep, his cupidity may at some point be satiated; but those who torment us for our own good will torment us without end, for they do so with the approval of their own conscience.
C. S. Lewis
••• Ich schaue mir gelegentlich die Youtube-Videos von Laughter1099 an, ein sehr kultivierter Pfeifenraucher aus den USA, der in seiner »Virtual Smoking Lounge« allerlei Wissenswertes und Überlegenswertes zum Thema Pfeifenrauchen ventiliert. Die Tabaksteuer ist bei uns wie auch in den USA gerade wieder einmal deutlich angehoben worden. Und in einigen Bundesstaaten der USA wird unterdessen sogar an Gesetzen gefeilt, die einem das Rauchen in den eigenen vier Wänden verbieten sollen. Alles natürlich nur zu unserem Besten, versteht sich. In diesem Zusammenhang zitiert Dave in seinem Video »The Tyranny of the Do Gooders« C. S. Lewis. Und dieses Zitat wollte ich mir für »Pans Wiederkehr« merken, wenn die Arbeit an diesem Roman nun auch erst einmal aufgeschoben ist zugunsten von »Diamond District«.
Übrigens hoffe ich, bereits im August die erste Recherchereise nach Antwerpen antreten zu können. Und besonders freut mich, dass ich womöglich die Herzdame mitnehmen kann auf diesen »investigativen Trip«.
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10. Juli 2009
Diamond District Antwerpen
••• Dem treuen Team, das mir während der Arbeit an der »Leinwand« zur Seite stand, habe ich gestern ein ausführliches Exposé für einen neuen Roman geschickt. Die Antworten waren so, dass mir nun wohl nichts anderes übrig bleibt, als jäh die Spur zu wechseln, »Pans Wiederkehr« links liegen zu lassen und mit den Recherchen für dieses neue Buch zu beginnen. Es ist eine faszinierende Geschichte, und es wird wieder eine herausfordernde und – wie ich finde – interessante Erzählkonstruktion. Arbeitstitel: »Diamond District«.
Ein Exposé ist noch kein Buch, sagt die Herzdame gerade. Nun ja, das ist wohl so. Aber so klar wie dieses Buch habe ich »Die Leinwand« anfänglich noch nicht vor Augen gehabt.
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10. Juli 2009
••• Einen sehr schönen Nachruf auf Charlotte Grasnick finde ich eben erst im Textarchiv der Berliner Zeitung.
Wann immer Charlotte Grasnick einen Lyrikband veröffentlichte, daraus im Literaturcafé an der Landsberger Allee las oder wie in den letzten Jahren öfter, auf der von ihr und ihrem Mann, dem Dichter Ulrich Grasnick, geleiteten Lesebühne im Kulturhaus Karlshorst: Immer schwang irgendwie die Bildende Kunst mit. Diese Ost-Berliner Lyrikerin hatte eine Sprache, die das Bildhafte durch die Begleitung von Linien, Kringeln, Zeichen und Chiffren gleichsam verlangte. Und so illustrierten Maler und Grafiker wie Dieter Goltzsche, gern ihre Gedichte, weil es eine poetische Entsprechung gab.
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10. Juli 2009
Libelle in München Uptown
••• Ich bin scheinbar momentan so radioaktiv, dass Insekten in meiner Nähe spontan mutieren. Dieses Libellenexemplar, über das ich eben gestolpert bin, maß 15 cm. Libellen haben mich schon immer fasziniert. Aber das letzte lebende Exemplar, an das ich mich erinnere, schwirrte während eines Badenachmittags an der hochsommerlichen Alten Spree bei Neu Zittau vor meiner Nase herum. Das ist sicher 20 Jahre her. Und eine Libelle in dieser Größe habe ich in Freiheit noch nie gesehen.
Hat mich gefreut, Sie getroffen zu haben.
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