Auf dem Küchentisch

9. August 2009

»Krötenwanderung« • Eine Gastkolumne von Markus A. Hediger

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Nachdem ich der Frau, die ihre Hand auf meine rechte Schulter gelegt hatte, einen Namen gegeben hatte, wollte ich von unserer letzten Begegnung erzählen und diese als Anlass dafür hernehmen, zu illustrieren, was mir an der Schweiz so fremd geblieben und wie fremd mir der brasilianische Gegensatz dazu geworden ist. Heute hätte ich den Text publizieren sollen, doch während ich ihn überarbeitete, beschlich mich ein ungutes Gefühl. Was ich da tat, war unaufrichtig, unlauter. Unsorgfältig.

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Der Versuch, mir den Abschied von der Schweiz schwer zu machen, bedeutet eben auch, mir die Ankunft in Brasilien nicht gerade leicht zu machen. Ich habe Angst vor dem, was mich in Rio erwartet. Angst, weil ich nicht weiß, was mich dort erwartet. Deshalb wohl erwische ich mich immer wieder dabei, wie ich alles auf Klischees reduzieren möchte. Mich ablenken vom Komplexen, Widersprüchlichen, Unvorhersehbaren. Der sorgfältige Blick auf die Schweiz aber zeigt mir kein Land, sondern Menschen. Karoline.


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Hyperrealistisch

7. August 2009


Ron Mueck: Mask, übrigens eine Skulptur

••• Ich habe hier mal von Bunin geschwärmt, dessen Realismus ich gelegentlich für beängstigend halte, obwohl oder gerade weil ich es ja eher mit dem subjektiven Realismus halte. Ron Mueck könnte mit meinen Auffassungen wohl nichts anfangen. Seine Skulpturen sind wenigstens ebenso beängstigend: hyperrealistisch und mitunter in Überlebensgröße. Wohl bekomm’s!

Turmsegler auf dem iPhone

6. August 2009

Turmsegler auf dem iPhone (Homepage)
iPhone/iPod-Benutzer sehen den Turmsegler ab jetzt so…

••• Die Herzdame hat moniert, dass sie den Turmsegler nicht auf dem iPhone lesen kann. Da musste ich natürlich etwas unternehmen. Jetzt bekommen die iPhone-Fans die ganze Show – dank WPTouch von Dale Mugford und Duane Storey. WPTouch ist ein Plugin für WordPress, das dafür sorgt, dass Besucher mit mobilen Geräten wie iPhone, iPod, Blackberry und Android eine Darstellung des Blogs angezeigt bekommen, die explizit für diese Geräte optimiert und gut per Touchscreen bedienbar ist.

Noch zwei Bilder als Ergänzung auf Wunsch des noch nicht iPhonifizierten Publikums…


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Doch so einfach

6. August 2009

»Krötenwanderung« • Eine Gastkolumne von Markus A. Hediger

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Am 1. August, dem Schweizer Nationalfeiertag, fuhr ich mit meinen Eltern auf die Schwägalp. Mein Vater wollte das riesige weiße Kreuz auf rotem Tuch sehen, das zehn wagemutige Bergsteiger an der Flanke des Säntis angebracht hatten. Es war ein blauer Tag, der Berg majestätisch. So groß wie zwei Fußballfelder hing die Schweizer Marke da oben hoch am symbolträchtigen Felsen. Vier Tage ist es nun her und noch immer spricht mein Vater davon, wie ergriffen er war, als er diese gigantische Fahne sah. Vielleicht ist Heimat nichts anderes als das: ein Symbol, das für ein Stückchen Land steht, und dieses wiederum für bestimmte Eigenschaften. Im Falle der Schweiz mögen es Ordnung und Fortschritt sein. Zusammen ergeben sie jene Qualität, für die Schweizer Produkte weltberühmt sind. Gesetzliche Richtlinien bestimmen, wie viel Schweiz in einem Produkt stecken muss, damit es sich mit dem Schweizer Wappen zieren darf. Mein Vater tut keinen Schritt ohne Schweizer Taschenmesser im Hosensack.

2
Doch so einfach ist es nicht.

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Bendigamos al Altísimo

5. August 2009

Bendigamos al Altísimo,
Al Senor que nos crió,
Démosle agradecimiento
Por los bienes que nos dió.

Alabado sea su Santo Nombre,
Porque siempre nos apiadó.
Load al Senor que es bueno,
Que para siempre su merced.

Bendigamos al Altísimo,
Por su Ley primeramente,
Que liga a nuestra raza
Con el cielo continuamente.

Alabado sea su Santo Nombre,
Porque siempre nos apiadó.
Load al Senor que es bueno,
Que para siempre su merced.

Bendigamos al Altísimo,
Por el pan segundamente,
Y también por los manjares
Que comimos juntamente.

Pues comimos y bebimos alegremente
Su merced nunca nos faltó.
Load al Senor que es bueno,
Que para siempre su merced.

Bendita sea la casa esta,
El hogar de su presencia,
Donde guardamos su fiesta,
Con alegría y permanencia.

Alabado sea su Santo Nombre,
Porque siempre nos apiadó.
Load al Senor que es bueno,
Que para siempre su merced.

••• Das jüdische Tischgebet, ein Danksegen nach dem Essen, ist lang. Singt man es, braucht man etwa sieben Minuten. Nach spanisch-portugiesischer Tradition wird im Anschluss noch ein weiteres Lied gesungen, das man als Zusammenfassung des langen Tischgebets bezeichnen könnte: »Bendigamos al Altísimo«.

Geschrieben wurde es – meines Wissens und entgegen der Vermutung der Wikipedia, die es für catalanisches Spanisch hält – in Ladino, dem so genannten Judenspanisch.

Die Melodie ist ein Ohrwurm. Ich suche noch nach einer vollständigen Aufnahme. Aber das hier zu hörende Sample der letzten 1 1/2 Strophen vermittelt einen guten Eindruck.

An manchen Tagen steigen in mir, wenn ich es höre, mit Macht die Tränen auf. Heute ist so einer.


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Malerin und Modell

4. August 2009

Benjamin Stein 2009 - Foto: © Oliver Maier
Foto: © Oliver Maier (2009)

••• Ich lasse mich nicht gern fotografieren. Das hat, ich gebe es ohne Umschweife zu, mit einer gewissen Eitelkeit zu tun oder vielmehr einem Komplex, den ich von Kindheit an mit mir herumtrage, inzwischen stark gemildert, doch nie ganz überwunden. Die Muskeln, die mein rechtes Auge bewegen sollten, verweigern seit meiner Geburt den Dienst, und so steht dieses Auge unbeweglich im äußersten rechten Augenwinkel und starrt – inzwischen nahezu blind – ins Leere. Dieses Auge hat wenig Liebe erfahren im Laufe der Jahre, weder von mir noch von anderen. Vielleicht rächt es sich dafür, indem es sich auf Fotos so dominant und irritierend in Szene setzt.

Wenn es um Porträts von mir geht, zitiere ich gern Picasso, der einer von ihm gemalten und über das Ergebnis tief enttäuschten Dame erwiderte: »Madame, eine wie Sie sollte sich fotografieren lassen. Dann sind sie sechs Zentimeter groß und grau.« Mir liegt dieses Format nicht.

Gemalt zu werden, ist mir deutlich lieber, und tatsächlich sind es vier Gemälde, in denen ich mich vor Jahren zum ersten und vielleicht einzigen Mal ganz als mich selbst wiedererkannte. Die Bilder sind verschollen wie auch die Malerin, der ich Modell gesessen habe. Das macht mir die Sache noch sympathischer. Denn viel plastischer als die Gemälde selbst ist mir in Erinnerung, wie sie entstanden sind. Die Geschichte also ist mir geblieben. Und in Geschichten fühle ich mich noch immer am wohlsten.


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Womit man ihn zeichnet

3. August 2009

»Krötenwanderung« • Eine Gastkolumne von Markus A. Hediger

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Zweimal ist es mir passiert, dass, als eine Frau mir ihre Hand auf die rechte Schulter legte, ich danach tagelang unter Schmerzen im Nacken- und oberen Rückenbereich litt. Im selben Moment, in dem die weibliche Hand meine Schulter berührte, fuhr mir der Schmerz ins Fleisch: unerwartet, plötzlich, heftig.

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Beide Frauen waren Schweizerinnen. Die eine üppig in ihrer geordneten Sinnlichkeit, die andere reizend in ihrem aufs Wesentliche reduzierten Überschwang. Beide aber waren sie sesshaft, heimatliebend, eine geputzte Heimat liebend. Des unablässigen Fernwehs müde, erlag ich den Lockungen des Schoßes dieser beiden Frauen. Heim wollte ich, da hinein.


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