11. September 2009
••• Das Wasser rauscht übers Wehr hinterm Gasthaus. Rauschen heißt auch der Fluss in der Eifel, den das Wehr aufstaut und so einen ruhigen Seitenarm bildet, in dem sich gut fischen lässt. »Überm Rauschen« ist schließlich der Titel des neuen, im Juni bei C. H. Beck erschienenen Romans von Norbert Scheuer. Und berauschendes Rauschen ist die lyrische Prosa, in der Scheuer sich in diesem Buch dem Erinnern an eine Kindheit und Jugend in jenem Gasthaus am Wehr — überm Rauschen eben — nähert und der Suche nach einem mytischen Fisch nachspürt, der sich vom geschicktesten Angler nicht fangen lassen will: das Glück, geliebt zu werden.
»Wenn Dichter Romane schreiben…«, meinte Undine Materni einmal schnippisch zu mir als erste Reaktion auf das »Andere Blau«. Ich nahm das nicht eben als Begeisterungsäußerung. Was für Romane sind das?, fragte ich mich natürlich, und mir kamen schmale, großzügig gesetzte Bücher in den Sinn, die einem den Zugang nicht eben leicht machen. Ich dachte an Woolfs »Wellen«, an Hermlins »Abendlicht« und Mayröckers »Reise durch die Nacht«. Aber gelegentlich kann so etwas auch ganz anders ausgehen. Scheuers poetische Variationen über den Fluss, seine Geräusche, Gerüche und Lichtspiegelungen, aus denen die Erinnerungen aufsteigen, sind ähnlich dicht wie Woolfs Betrachtungen des Meeres in den »Wellen«. Scheuer aber beweist sich in dieser dichten Sprache auch als Erzähler, der zu fesseln vermag und — bei aller Ruhe des Erzählflusses — einen Sog erzeugt, dem man sich als Leser bereitwillig hingeben kann.
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Tags: Norbert Scheuer • Prosa
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10. September 2009
Stephen Zelnick at Minding the Campus writes about the cardinal sin of teaching poetry. ‚I told a student her interpretation of a poem was wrong. From that moment I was regarded as an enemy to freedom,‘ he writes. This is a familiar scene to me. I sat through many hours listening to some half-baked, half-assed, juvenile interpretation of a poem or passage with an otherwise perfectly capable professor nodding their head all along the way. I’m not sure when a university classroom became a place where students go to be told how wonderful their baseless readings are. It seems to have something to do with the diffusion of Deconstructive readings, which appear random, and arbitrary; in fact, they intend to point out the arbitrariness of language itself on some high level so the students are not wrong to perceive this.
••• Einige der interessanteren Litblogs in den USA werden von Professoren geschrieben. D. G. Myers ist hier nur ein Beispiel. Demletzt bin ich auf Daniel E. Pritchard und sein Blog »The Wooden Spoon« aufmerksam geworden. Das gehört »Auf die Rolle«.
Das oben von Pritchard zitierte Blog »Minding the Campus« ist übrigens ein Universitätsblog mit einem Redaktionsteam, dem sowohl Studenten als auch Professoren angehören. Da mal reinzulesen, ist ebenfalls nicht uninteressant.
Kennt eigentlich jemand vergleichbare deutsche Litblogs von Literatur-Professoren oder Fakultäten?
Tags: D. G. Myers • Daniel E. Pritchard • Auf der Rolle
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9. September 2009
.מצוה גדולה להיות בשמחה תמיד
••• »Es ist eine große Mitzvah, immer glücklich zu sein«, sagte Rav Nachman, der Breslover Rebbe. Wenn das keine Herausforderung ist…
Täglich zu lesen. Sollte ich mir in Sichtweite einrahmen.
Tags: Ausser der Reihe
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7. September 2009
Altes Kesselhaus (Ravensburg
als wär seither noch keine zeit vergangen
faulen im salpeterweiß die selben wände
und in den winkeln wie seit ewigkeiten hangen
die vagen spinnen noch an ihrer fäden ende
die stühle sind mit staub bedeckt und zeigen
wie nah sie dem zerbrechen sind im golde
der sonnenflecken die durch blind zersprungne scheiben
hereingefallen sind im roten abendneigen
es ist als ob ich wiederkommen sollte
und etwas auch als wollt es mich vertreiben
es ist als ob noch keine zeit vergangen wäre
säumnis –
säumnis –als zögerte noch immer in den wänden
weil ich nicht wegbleib und nicht wiederkehre
ein feuriger wink von geisterhaften händen.
Wolfgang Hilbig, aus: „die versprengung“
© S. Fischer Verlag (2002)
••• Durch eine höchst unwillkommene Magengeschichte ins Bett geworfen, habe ich gestern per Laptop DVD geschaut: »Der Rote Kakadu«. Aus irgendeinem Grunde hatte ich eine seichte Komödie à la »Sonnenallee« vermutet. Das war es nun gar nicht.
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Tags: Sonette • Wolfgang Hilbig • Lyrik
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7. September 2009
Literatur im Netz – Das Blog-Archiv des DLA Marbach
••• Die erste Archivierung des Turmseglers ist nunmehr beim DLA Marbach online. Ich bin angenehm überrascht, wie gut diese Archivierung funktioniert. Die typischen Blog-Features wie etwa Tags sind nutzbar, auch die Podcast-Elemente inklusive Player. Ein Problem scheinen im Moment noch die Einbettungen externer Objekte wie Videos zu bereiten.
Tags: Ausser der Reihe
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4. September 2009
I still blog out of enthusiasm for the authors and works I’m blogging about. Some bloggers may blog for getting big audiences, income by ads, fame. I don’t care. Whether blogging is (still) hip or not doesn’t matter to me as long as it is fun and insightful and helps to maintain my discipline in the daily writing routine. I have to keep the instrument playing. My next novel project is already on its way. And I’ll hold myself to the rule: One page per day in publishable quality, no less. From my blogging years I know I can, so everything else is solely a question of discipline. This experience alone is priceless.
••• Soeben ist im »Commonplace Blog« mein Beitrag zum Online-Symposium »The Function of Book Blogging at the Present Time« erschienen: »As long as it is insightful and disciplined«.
Tags: Benjamin Stein • Poetik
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4. September 2009
Efeu — © SilentSweetDeath@deviantart.com (2007-2009)
der rote duft der nacht —
die rosen verglühen im dunklen
efeu an trunknen bäumen
im schlafenden gras
such ich mein herz
wo ichs gelassen find ich
nichts feuchtes im dunkel.
ach
ich schmeck mir
so steinern heut
aber irgendwo flüstern
mit meinem herzen
frauen die ich nicht geküßt hab
von der süße der rosen und
wie dunkel der efeu ist.
Wolfgang Hilbig, aus: „abwesenheit“
© S. Fischer Verlag (1979)
••• Gestern war mir nach Hilbig. Ich habe endlich den dicken Suhrkamp-Band mit seinen Gesammelten Gedichten aus dem Regal genommen und mich, mit Zettellesezeichen bewaffnet, durch die Gedichte geschlängelt, angefangen bei den frühen aus »abwesenheit« bis hin zu den letzten und den nachgelassenen, die ich noch nicht kannte.
Wie schnell so einer kalt wird (also kanonisiert), wenn er stirbt, dachte ich mir angesichts dieses ersten Bandes seiner »Werkausgabe«. Der zweite Band mit den Erzählungen und Kurzprosa ist unterdessen übrigens auch erschienen. Muss ich noch kaufen.
Tags: Wolfgang Hilbig • Lyrik
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