Buchuntergang

31. Oktober 2009

Phillip Roth - Foto: Douglas Healey
Phillip Roth – Foto: Douglas Healey

Das Buch konnte nicht mit dem Kino mithalten, es konnte nicht mit dem Fernsehen mithalten – und es wird nicht mit dem Computer mithalten können.

••• In 25 Jahren würden Bücher nur noch von einer kultischen Minderheit gelesen werden. Vergleichbar mit Leuten, die heute lateinische Gedichte lesen. So Phillip Roth in einem Interview. Ganz absurd scheint diese Bücherendzeitvision ja nicht. Aber wird es so schlimm werden? Kultische Minderheit…

Handschriftenfund

30. Oktober 2009

Notizen der ersten Leinwand-Sätze (Zichroni)

••• Gerade drüber gestolpert: Die ersten Sätze der »Leinwand« habe ich im Flugzeug nach Israel geschrieben, in ein von der Herzdame geschenktes Moleskine. Man kann den letztendlichen Text immerhin schon erahnen.


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NaNoWriMo

30. Oktober 2009

National Novel Writing Month Website

••• Das Kürzel NaNoWriMo (schon mal was von LTI gehört?!) steht für »National Novel Writing Month«, wobei »national« hier USA meint. Diesen Nationalen Romanschreibemonat gibt es bereits seit 10 Jahren, und es ist immer der November, wahrscheinlich, weil man da eh nicht vor die Tür gehen mag. Worum geht es? Ganz einfach: Zwischen dem 1. November und dem 30. November einen Roman von 50.000 Wörtern (ca. 175 Seiten) zu schreiben. Quantität vor Qualität, heißt es in den FAQ: Just create! (Überarbeiten könne man dann später…)

Ich denke ja, wenn jemand nicht schreibt: Gut so! Einfach bleiben lassen und sich des Lebens freuen. Aber man kann darüber offenbar auch anderer Meinung sein. Mich interessiert brennend, was die Turmsegler davon halten.

Wer die Idee sympathisch findet, kann ja noch schnell die Bleistifte spitzen und heute um Mitternacht loslegen. Ich wünsche schon mal gutes Gelingen!

Feurige Reden

29. Oktober 2009

Heinrich V - Szene aus dem gleichnamigen Film von und mit Kenneth Branagh
Heinrich V – Szene aus dem gleichnamigen Film von und mit Kenneth Branagh

••• Eines meiner liebsten Stücke von Shakespeare ist »Heinrich V«. Besonders angetan haben es mir bei diesem Stück seine feurigen Reden. So etwa die unmissverständliche Antwort Heinrichs auf Botschaft und Geschenk des Dauphin von Frankreich – eine Truhe voller Tennisbälle – auf das englische Ultimatum. Oder die Aufforderung zur Kapitulation an die Stadtoberen des belagerten Harfleur.

Das Highlight aber war für mich immer Heinrichs große Rede vor der Schlacht bei Azincourt. 12.000 von Kämpfen und Märschen ermattete englische Soldaten treffen auf ein frisches Heer von 60.000 Franzosen. Eine Niederlage scheint unvermeidlich. In der Nacht vor der Schlacht mischt sich der König unerkannt unter seine Soldaten, die den Morgen fürchten, während die Franzosen ihn ersehnen. Er spürt ihre Angst, die Mutlosigkeit vor der aussichtslos erscheinenden Schlacht.


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Worin die Notwendigkeit liegt

28. Oktober 2009

Ilse Aichinger
Ilse Aichinger (*1921)

••• Das ist mal wieder eine Fügung: Vor einigen Tagen erst dachte ich unvermittelt an Günter Eich und seine »Träume«-Hörspiele, über die ich schon lange einmal hier schreiben will, es aber immer wieder aufschiebe; und heute erreicht mich via @Hilbi ein Tweet mit Hinweis auf ein Interview mit Ilse Aichinger, die – was ich bis eben gar nicht wusste – 19 Jahre mit Günter Eich verheiratet war.


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Die Kinder der Toten gehen spielen

24. Oktober 2009

Guillaume Apollinaire, la colombe poignardée et le jet d'eau.
Guillaume Apollinaire, la colombe poignardée et le jet d’eau.

Die Kinder der Toten gehen spielen
Auf dem Friedhof mit Marmor und Zypressen.
Die alten Frauen
Kommen hierhin um zu weinen.
Das ist der Tag der Toten und aller ihrer Seelen.
Die Kinder und die alten Frauen
Zünden Talglichter und Kerzen an
Auf jedem katholischen Grab.
Die Kopftücher der Alten
Die Wolken am Himmel
Sind wie Ziegenbärte
Die warme Luft lässt den Horizont des Friedhofs zittern
Wo frische Blumenbestecke heute jeden Stein schmücken
Die Luft zittert von Flammen und Gebeten.
Ah! dass es heute regnet
Die Tränen dieser Toten
Um die Flammen auszulöschen.
Dass doch diese Toten wiederkehren
Und ihr Totentanz
Um die Frauen zum Lachen zu bringen.
Dass sie alle von Ihren Bahren steigen:
Die Kluge Jungfrau und die Hure,
Die Bettler im Bierrausch verschieden,
Die Blinden blind wie das Schicksal
Und die hübschen jungen Gefallenen
Und die Kinder beim Beten gestorben,
Die Bürgermeister, die Schiffer
Und die Regierungsräte
Und die Zigeuner ohne Papiere.
Das Leben verfault ihnen im Bauch
Das Kreuz wächst zwischen ihren Füßen
Dass sie doch alle im Tanz wiederkehren.
Der Wind braust um die unbewegten Zypressen.
Die Kinder zünden die ausgelöschten Kerzen wieder an.
Und welke Blätter
Bedecken jetzt die Toten.
Der Wind vom Rhein heult zusammen mit dem Käuzchen.
Tote Kinder sprechen manchmal mit ihren Müttern
Und Tote möchten manchmal gerne zurückkehren.
– Oh! ich möchte nicht dass du herauskommst
Der Herbst ist voller abgeschlagener Hände
– Nein, nein das sind doch welke Blätter
– Das sind die Hände der lieben toten Frauen
Das sind deine Hände, deine abgeschlagenen Hände.
Die Flammen zittern auf dem Friedhof bis in die Nacht.
Wir haben heute so viel geweint
Mit diesen Toten, ihren Kindern und den alten Frauen,
Unter dem sonnenlosen Himmel
Auf dem Friedhof voller Flammen.
Im Wind sind wir dann von dort zurückgegangen.
Die Kastanien rollten unter unseren Füßen
Wie Herzen toter Frauen.
Die Stachelschalen der Kastanien
Waren wie das verwundete Herz der Muttergottes
Von der man nicht weiß ob ihre Haut
Die Farbe der Kastanien im Herbste hatte.
Mit sieben Schmerzen sind Schalen und Herzen gespickt.
Die Herzen der Frauen und der Männer,
Herzen mit Versen bespickt die sich im Faulen vereinen
O Herz der Toten.

Guillaume Apollinaire (1880-1918)
(entstanden 1901, veröffentlicht 1909 in »La Voile de Pourpre«)

••• Die Herzdame zeichnet wieder, was mich sehr freut. Letztens mühte sie sich eine ganze Nacht lang über einem aufwendigen Muster. Ganz abgesehen davon, dass mich die Blumen tatsächlich ablenkten von der devot Knieenden, fiel mir auch später nicht auf, dass die Dame nicht mit Linien gezeichnet ist sondern aus Worten eines Gedichtes. Das fiel mir ein, als ich die gezeichneten Gedichte Apollinaires sah.


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Unterm Pont Mirabeau

22. Oktober 2009

Pont Mirabeau, Paris
Pont Mirabeau, Paris

Unterm Pont Mirabeau fließt die Seine.
Was Liebe hieß,
muß ich es in ihr wiedersehn?
Muß immer der Schmerz vor der Freude stehn?

Nacht komm herbei, Stunde schlag!
Ich bleibe, fort geht Tag um Tag.

Die Hände, die Augen geben wir hin.
Brücken die Arme,
darunter unstillbar ziehn
die Blicke, ein mattes Fluten und Fliehn.

Nacht komm herbei, Stunde schlag!
Ich bleibe, fort geht Tag um Tag.

Wie der Strom fließt die Liebe, so
geht die Liebe fort.
Wie lang währt das Leben! Oh,
wie brennt die Hoffnung so lichterloh!

Nacht komm herbei, Stunde schlag!
Ich bleibe, fort geht Tag um Tag.

Wie die Tage fort, wie die Wochen gehn!
Nicht vergangene Zeit
noch Lieb werd ich wiedersehn!

Unterm Pont Mirabeau fließt die Seine.
Nacht komm herbei, Stunde schlag!
Ich bleibe, fort geht Tag um Tag.

Guillaume Apollinaire (1880-1918)
Nachdichtung: Hans Magnus Enzensberger

••• Eben spielte die Herzdame eine ungeheuer dramatische Rezitation ab. Ich fühlte mich erinnert an Neruda. Aber es war Französisch: Guillaume Apollinaire.

Diese Hörprobe sei aber noch aufgeschoben. Stattdessen gönnen wir uns mal ein Chanson…


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