••• David Schatz, der älteste Sohn von Yechezkel und Lisa aus Ofra, berichtete vor kurzem im ZDF über sein Leben in der Siedlung im Westjordanland. Glücklicherweise kann man den Beitrag auch online anschauen. Wenn ihr also mal den gepanzerten Bus sehen wollt, mit dem Wechsler nach Ofra fuhr, und wie es dort tatsächlich aussah…
••• Der Verlag teilt mir die ersten Einladungen zu Lesungen mit. Und nach so vielen Jahren der Öffentlichkeitsabwesenheit, fühlt es sich merkwürdig an, dass es sich gleich um zwei große Literaturfestivals handelt: lit.COLOGNE (Köln im März, kurz vor der Buchmesse) und die Vattenfall Lesetage (Hamburg im April). Emotional schwanke ich im Moment zwischen »Leinwand«-Aktionismus (als könnte ich selbst im Moment noch viel tun…) und dem Drang, mich nur noch voll und ganz mit »Diamond District« zu befassen, dessen Figuren und Geschichten immer plastischer werden.
Nebenan liegen die grippefiebernden Kinder. Dass ich mich nur nicht anstecke jetzt, wo es doch in wenigen Tagen erneut nach Antwerpen geht…
Am neuen Buch schreiben – das wäre doch eine sinnvolle Tätigkeit für die nächsten 82 Tage, 3 Stunden und 32 Minuten.
Er wahrlich liebte die Sonne, die purpurn den Hügel hinabstieg,
Die Wege des Walds, den singenden Schwarzvogel
Und die Freude des Grüns.
Ernsthaft war sein Wohnen im Schatten des Baums
Und rein sein Antlitz.
Gott sprach eine sanfte Flamme zu seinem Herzen:
O Mensch!
Stille fand sein Schritt die Stadt am Abend;
Die dunkle Klage seines Munds:
Ich will ein Reiter werden.
Ihm aber folgte Busch und Tier,
Haus und Dämmergarten weißer Menschen
Und sein Mörder suchte nach ihm.
Frühling und Sommer und schön der Herbst
Des Gerechten, sein leiser Schritt
An den dunklen Zimmern Träumender hin.
Nachts blieb er mit seinem Stern allein;
Sah, daß Schnee fiel in kahles Gezweig
Und im dämmernden Hausflur den Schatten des Mörders.
••• Die Monate Januar bis März 1992 habe ich im norddeutschen Wewelsfleth in einem alten Herrenhaus verbracht, das Günter Grass 1985 der Akademie der Künste (Berlin) übereignet hat und das seitdem im Quartalstakt je drei Aufenthaltsstipendiaten der Akademie zur Verfügung steht. Das Haus hat drei Etagen. Ich wohnte in der zweiten, zur Straße hinaus. Mein Arbeitszimmer lag im Erdgeschoss neben der Wohnküche. Ich sah aus dem Fenster auf den Friedhof hinaus. Im ersten Stock lagen die Zimmer meines Freundes Oliver Bukowski, der zufällig gemeinsam mit mir das Stipendium erhalten hatte. Im zweiten Stock, unterm Dach, wo zu früheren Zeiten Grass gezeichnet und geschrieben hatte, wohnte ein Westberliner Autor, dessen Name mir leider entfallen ist. Ich erinnere mich aber noch, dass er damals an einer Erzählung schrieb, deren Hauptfigur Eigner hieß. Ich arbeitete am letzten Drittel des »Alphabet des Juda Liva«, und Bukowski versuchte eine glänzende Prosa, bekam es aber, wie mir schien, irgendwann mit der Angst zu tun und schwenkte auf die Dramatik zurück, sein angestammtes Gebiet. Ich glaube, er reiste damals nach den drei Monaten mit zwei fertigen neuen Stücken ab.
••• Die Reportage »Schabowskis Zettel: Die Nacht, als die Mauer fiel« konnte ich eben nur mit einigen Gläsern Talisker Single Malt ertragen. Es scheint mir nicht einmal geholfen zu haben, darüber zu schreiben. Ihr könnt Euch wahrscheinlich nicht vorstellen, was da in mir aufkocht, wenn ich diese Bilder sehe und gezwungen bin, mich zu erinnern.
In der Nacht vom 9. auf den 10. November 1989 habe ich ahnungslos geschlafen. Gegen 5:00 Uhr morgens klingelte das Telefon, ewig. Ich wurde wach. Aufstehen wollte ich nicht. Irgendwann nahm mein Vater ab, und ich hörte ihn sagen: »Du stehst auf dem Kudamm, jaja! Blau biste! Weißt Du eigentlich, wie spät es ist?! Hör doch auf: Kudamm!« Da habe ich das Radio angeschaltet und gehört, was los war. Angerufen hatte ein Kollege meines Vaters, der nachts noch über die Bornholmer Brücke nach Westberlin gekommen war. Er mag tatsächlich blau gewesen sein, als er anrief. Aber er rief wirklich vom Kudamm aus an.
••• Von der Herzdame waren hier gelegentlich schon Bilder zu sehen. Und zu meiner und Markus A. Hedigers großer Freude hat sie ja auch letztes Jahr das Cover des »Krötenkarnevals« gestaltet. Auf Steve Loyas Kunstblog »go flying turtle« gibt es nun ein Interview mit Kerstin und einen schönen Querschnitt durch ihre künstlerischen Arbeiten der letzten Jahre, eine, wie ich finde, sehr gelungene Auswahl.
Bevor ihr das Interview lest, möchte ich auch hier nochmals ausdrücklich darauf hinweisen, dass ich nicht zu jenem Teil von »friends and family« gehöre, dem ihre Arbeiten zu dunkel oder zu skurril erscheinen. Im Gegenteil: Ich bewundere den Mut, mit dem sie kein Thema, das sie bewegt, ausspart. Sie ist da deutlich mutiger als ich.
»Sigh no more, ladies, sigh no more«, aus dem Kenneth-Branagh-Film
»Much ado about nothing«
Sigh no more, ladies, sigh no more,
Men were deceivers ever,
One foot in sea and one on shore,
To one thing constant never:
Then sigh not so, but let them go,
And be you blithe and bonny,
Converting all your sounds of woe
Into Hey nonny, nonny.
Sing no more ditties, sing no moe,
Of dumps so dull and heavey;
The fraud of men was ever so,
Since summer first was leavy:
Then sigh not so, but let them go,
And be you blithe and bonny,
Converting all your sounds of woe
Into Hey nonny, nonny!
••• Mit einem der Buchhandelsverteter kam ich am letzten Donnerstag auf die Shakespeare-Verfilmungen von Kenneth Branagh zu sprechen. Ich sammle Shakespeare-Übersetzungen und Shakespeare-Verfilmungen, und bei den Filmen zählen die von und mit Kenneth Branagh zu meinen Favoriten. »Much ado about nothing« beispielsweise, eines der – nun ja – seichteren Stücke Shakespeares, zeigt bei aller Gefälligkeit doch auch, auf welch hohem sprachlichen Niveau sich Entertainment bewegen kann. Nicht zu verachten sind auch die Filmmusiken, bei den Branagh-Adaptionen zumeist – wie bei »Heinrich V« und eben auch »Much ado about nothing« – von Patrick Doyle für großes Symphonieorchester komponiert.
Als wir später auch auf die unvermeidliche Frage des potenziellen Büchersterbens zu sprechen kamen, überlegte ich, welche Bücher ich gern elektronisch zur Hand hätte, so dass man sie immer bei sich haben kann. Das wären zunächst alle Gedichtbände, das wären Dante, die Odyssee, Raoul Schrotts »Ilias« und meine Shakespeare-Sammlung (im Original und mit den Übersetzungen, insbesondere denen von Frank Günther). Auf die Bücher würde ich deswegen noch lang nicht verzichten wollen. Aber einen Ziegel wie die »Ilias« trägt man nun einmal nicht so leicht mit sich herum.