Isar am Nachmittag
29. November 2009
Kerstin S. Klein: Isar am Nachmittag
••• … trifft ziemlich genau meinen Gemütszustand.
Kerstin S. Klein: Isar am Nachmittag
••• … trifft ziemlich genau meinen Gemütszustand.
••• Da letzendlich doch für einen Schutzumschlag votiert wurde, wurde das Design dieser Außenhaut des Buches noch einmal für alle Beteiligten zu einer Herausforderung. Marketing und Vertrieb mochten auf den klassischen Klappentext und die Autoren-Information mit Bild nicht verzichten. Der ISBN-Barcode musste untergebracht werden. Und bei allen Gestaltungselementen sollte es dennoch keinen Hinweis auf ein »vorn« oder »hinten« geben. Das ist in vielerlei Hinsicht bei den Maßgaben nicht einfach. Bei den meisten Büchern ist die linke Umschlagklappe dem Klappentext, die rechte der Autoren-Information vorbehalten. Der Klappentext selbst ist auch ein Problem, denn dieser versucht üblicherweise in größtmöglicher Verdichtung einen Inhalts- oder Handlungsabriss zu geben. Wie soll man das tun, wenn man zwei Bücher in einem zu beschreiben hat? Wir haben uns entschlossen, den Klappentext auf die Klappe des Wechsler-Covers zu platzieren. (Man könnte das Wechsler-Cover somit eher für die »Vorderseite« halten). Dafür folgt der Klappentext dem zeitlichen Handlungsablauf, und der beginnt hinwiederum bei Zichroni. (Womit man das Zichroni-Cover für die legitime »Vorderseite« halten könnte.)
Das Cover-Design stammt von Leander Eisenmann, der in den letzten Jahren schon einige bemerkenswerte Cover für C.H.Beck gestaltet hat. Die Idee, eine Kurzfassung der »Bedienungsanleitung« direkt auf beide Cover zu nehmen, kam, glaube ich, von den Vertretern, und ich finde sie pfiffig, weil die Aufmachung des Buches so gleich Auskunft darüber gibt, dass hier die ungewöhnliche äußere Form und der Inhalt eine Symbiose bilden.
••• Ich erinnere mich noch gut (und gern!) an die Diskussion, die hier Anfang 2008 stattfand, als ich mit dem Beginn des ersten Wechsler-Kapitels der »Leinwand« haderte. Für die Hilfe damals bin ich den Turmseglern noch immer dankbar. Vielleicht kann ich mich mit diesem Vorgeschmack auf »Diamond District« angemessen revanchieren…
»Jakob Eis«, Auszug aus: »Diamond District«
© Benjamin Stein (2009)
Dauer: 14:50 min
(Offline seit 13.12.2009)
••• Am letzten Tag in Antwerpen und auf dem Heimweg nach München habe ich die Eingangsseqeuenz von »Diamond District« schreiben können, ein wichtiges Etappenziel. Vielleicht bin ich vom Film korrumpiert, aber ich teile die Auffassung, dass für einen Roman ebenso gilt, was bei einem Drehbuch gefordert ist: Nach zehn Minuten sollte der erste Plotpoint erreicht sein. Ich bin sogar der Meinung, dass dies bei einem Buch noch wichtiger ist als bei einem Film. Bevor ein Zuschauer das Kino verlässt, muss er schon sehr gelangweilt oder anderweitig verärgert sein. Ein Buch ist schnell aus der Hand gelegt, zumal in der Buchhandlung, wenn das nächste Buch, das man kaufen könnte, direkt daneben steht.
Auf den ersten »Metern« entscheidet sich, ob man den Leser gewonnen oder verloren hat. Man kann ihn natürlich auch später noch leicht verlieren. Aber diese Gefahr ist geringer. Hat sich jemand erst einmal auf einen Stoff, ein Setting, eine Atmosphäre eingelassen, »übersteht« er (oder sie natürlich) auch die eine oder andere Länge, größere Dramaturgiebögen. Am Anfang funktioniert so etwas eher nicht. Vielleicht bin ich davon auch nur deswegen so überzeugt, weil ich es sicher nicht bis zur zehnten Seite durchstehe, wenn mir bis dahin nicht deutlich geworden ist: Das ist interessiert mich, das will ich lesen.
Geschliffen wird ein Diamant nahezu geräuschlos auf einer Stahlscheibe, die mit Diamantstaubpaste eingerieben ist.
••• Als ich das letzte Mal hier war, hatten die Diamantäre Urlaub. In der Hoveniersstraat war so gut wie nichts los. Ganz anders heute: Geschäftiges Treiben überall, Juden, Inder und einige Chinesen eilen durch die Straße. Die Hoveniersstraat ist zwar sehr kurz, und es liegen nur ein paar Dutzend Gebäude hier. Diese aber sind sehr tief gebaut und reichen auf der einen Seite bis zur Pelikaanstraat, auf der anderen bis zu Langen Herentalsestraat, so dass sie Tausenden Diamantbüros und -Werkstätten Platz bieten.
Mein Rundgang begann im Juweliergeschäft von Erwin Engel, der gerade winzige Diamanten für den Vollbesatz einer Uhrenlünette sortierte und vermaß. Ich hatte Mühe, mich zu konzentrieren. Es war wohl nicht nur einem gehörigen Schlafdefizit geschuldet, dass ich heute erst um 10:00 Uhr aufgewacht bin. Die Kopfschmerzen gestern waren Vorboten unangenehmerer Dinge. Ich kam bei Erwin Engel mit heftigen Magenschmerzen an, und mein Kreislauf gab eine Achterbahneinlage. Nach kurzer Pause haben wir uns dann natürlich dennoch auf den Weg gemacht.
Antwerpen Stadspark – Brücke über den Teich
••• Wenn man rechtzeitig bucht, kommt man per Flugzeug via Brüssel und Express-Bus nicht nur deutlich schneller, sondern auch günstiger von München nach Antwerpen. So konnte ich heute ausschlafen und war dennoch bereits um 14:00 im Hotel, wieder das »Radisson Blu Park Lane«, da es hier schon beim ersten Besuch sehr angenehm war und das Hotel strategisch bestens liegt, direkt am Stadspark und nur wenige Gehminuten sowohl von den meisten Synagogen als auch vom Diamond District entfernt.
Gestern abend habe ich noch weiter an der Eingangssequenz des ersten Teils von »Diamond District« geschrieben und entsprechend schlecht geschlafen. Die Anspannung ist im Moment enorm. Ich habe nun den ersten Teil schon sehr plastisch vor Augen, aber ich bin noch nicht richtig in Fahrt gekommen. Bislang sitzt jeder Satz, aber lässt sich vorher 10x bitten.
Was heute der »Migrationshintergrund« ist, das war mal die Oma aus Schlesien. Sie saß den ganzen Tag in der Küche rum und verbreitete Schuldgefühle. War sie schlecht gelaunt, schaute sie stumm aus dem Fenster. War sie dagegen guter Laune, erzählte sie Geschichten von früher: dass in Ratibor alles schöner, besser und sauberer war. Oma war eine Nervensäge, aber ein harmloser Mensch, der sich nach etwas sehnte, das es nicht mehr gab. Nie wäre sie auf die Idee gekommen, das Essen aus dem Fenster zu werfen oder ihre Enkel zu schlagen, weil sie selbst als Kind Haus und Hof verlassen musste. Denn Oma hatte zwar einen »Migrationshintergrund«, sie hatte aber auch Manieren. Einer ihrer Lieblingssätze war: »Das macht man nicht.« Der Satz reichte, um sich im Leben zurechtzufinden.
Henryk M. Broder, aus: »Hurra, wir kapitulieren!«
(Von der Lust am Einknicken)
© Pantheon Verlag 2007
••• Ich wurde letztens gefragt, ob mir die zunehmende Kopftuchdichte in München nicht Angst mache und ob sich die Jüdische Gemeinde eigentlich der Initiative gegen Moscheen in Bayern anschließen würde. Wo bliebe denn da das »Recht auf Heimat«, wenn in München Minarette in den Himmel ragten? Da war ich perplex.