Familiengeschichte

14. Juni 2010

Walter Albrecht (1892-1933)••• In den letzten Tagen haben mich viele Freunde und Bekannte – jüdische wie nichtjüdische – auf meinen Artikel vom 3. Juni angesprochen (»Der Autor als Seelenstripper«), und das Feedback ist durch die Bank verständnisvoll und unterstützend, was mich angenehm überrascht und mich vermuten lässt, dass ich in dieser Sache womöglich in neurotischer Übervorsicht agiert habe.

Am Sonntag hatte ich ein mehrstündiges Gespräch mit einer Journalistin, die trotz meines Artikels noch für eine Rundfunksendung »nachfragen« wollte. Nach dem Gespräch hatte aber auch sie verstanden, dass sich eine solche Diskussion für einen 4-Minuten-Beitrag im Radio nicht eignet und dass die Verhandlung des Themas am Beispiel der Autorenvita zumindest fragwürdig ist.

In diesem Gespräch kamen wir noch einmal auf die Frage der deutsch-jüdischen Geschichte zu sprechen, die »Chose«, wie Anna-Patricia Kahn sie nennt, und darauf, warum ich mich offenbar so deutlich in der Verwandtschaft jener Familiengeschichten sehe, die von Verfolgung und Exil aber auch Mord geprägt sind. Dafür gibt es zumindest zwei Gründe, und wenn wir nun schon einmal dabei sind, die Details der Autorenvita näher zu beleuchten, will ich ich sie ergänzend zum o. g. Beitrag hier auch nennen.


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Kreative Zerstörung

13. Juni 2010

Eine Seite aus »Notre Combat« von Linda Ellia, hier gestaltet von VilemEine Seite aus »Notre Combat« von Linda Ellia, hier gestaltet von Philippe Marchand
Eine Seite aus »Notre Combat« von Linda Ellia, hier gestaltet von Vilem bzw. Philippe Marchand

Was sollen wir machen mit einem solchen Buch? Es verbieten? Einige würden es dennoch heimlich herumreichen. Es vergessen? Das wäre beleidigend den Millionen gegenüber, die seinetwegen gestorben sind. Es verbrennen? Das hieße, auf Methoden der Nazis zurückzugreifen …

So heißt es im Vorwort des Buches »Notre Combat« der französischen Künstlerin Linda Ellia. Die Rede ist von Hitlers »Mein Kampf«. Und die zitierten Überlegungen stammen von Simone Veil, ihrerseits Überlebende der Shoah.

Als Linda Ellia eines Tages bei ihrer Tochter auf eine Kopie des Hitler-Buches stieß, war sie schockiert. Wie nur sollte sie der ahnungslosen Teenagerin erklären, was es mit diesem Buch auf sich hat, dass es sich um eines der verheerendsten Bücher überhaupt handelt?


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Bilder aus dem Literaturhaus

10. Juni 2010

Axel Milberg, Benjamin Stein und Ijoma Mangold (v.l.n.r.) im Literaturhaus München (09.06.2010)
Axel Milberg, Benjamin Stein und Ijoma Mangold (v.l.n.r.) im Literaturhaus München (Foto: @kerstinsklein)

••• Die gestrige Lesung im Literaturhaus München war ein Highlight für mich. Einmal in diesem Saal zu lesen, habe ich mir sehr gewünscht, wobei mir der Alptraum nachschlich, vor leeren Reihen zu sitzen, wenn es denn einmal dazu kommen sollte. Bei der Tonprobe (vor tatsächlich leerem Saal) habe ich noch Witze gemacht darüber. Als ich mit Ijoma Mangold und Axel Milberg dann schließlich kurz nach 8 auf die Bühne ging, war ich überwältigt: Der Saal war voll. Ein paar Leute standen sogar ganz hinten. Damit hatte ich nicht gerechnet. Was für ein Heimspiel!


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Eins zu Eins. Der Talk.

10. Juni 2010

BR2 Eins zu Eins. Der Talk.••• Am Dienstag habe ich in den Hörfunkstudios des BR mit Daniela Arnu gesprochen. »Eins zu Eins. Der Talk.« heißt die Sendung, in der sonntags bis freitags jeweils zwischen 16:05 Uhr und 17:00 Uhr auf BR2 ein interessanter Studiogast vorgestellt wird.

Heute nun bin ich mal interessant. Mit Daniela Arnu habe ich natürlich über »Die Leinwand« gesprochen, aber auch über meine literarischen Anfänge im Zirkel des Lyriker-Ehepaares Grasnick, über Wehrdienstverweigerung und Nachtpförtnerdasein, über orthodoxes Leben in München und den Turmsegler, die Verbindungen zwischen Literatur und Softwareentwicklung und und und…


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Heute im Literaturhaus München

9. Juni 2010

Literaturhaus München

••• Literaturinteressierte Münchner gehen heute – ganz klarer Fall – ins Literaturhaus am Salvatorplatz. Entweder findet man sich um 19:30 Uhr in der Bibliothek ein, wo Dr. Martin Scherer mit SAID über dessen west-östliche Betrachtungen unter dem Titel »Das Niemandsland ist unseres« sprechen wird. Oder aber man kommt zu 20:00 Uhr in den Saal des Literaturhauses, wo die offizielle Münchner Buchvorstellung der »Leinwand« stattfinden wird.

Mein geschätzter Verleger Dr. Wolfgang Beck wird den Abend eröffnen. Dann übernimmt Ijoma Mangold von der »ZEIT« die Moderation. Axel Milberg, als Schauspieler u. a. »Tatort-Kommissar« und Sprecher diverser sehr gelungener Hörbücher, wird Amnon Zichroni lesen und ich selbst Jan Wechsler. Wir werden so viel Spannendes und Interessantes vorzulesen und zu verhandeln haben, dass wir auf eine Band verzichten …

Karten gibt es an der Abendkasse. Reservieren kann man unter der Rufnummer 089-29193427.

Verschlungene Pfade

4. Juni 2010

faz.net Bücher der Woche

••• »Die Leinwand« ist unter den FAZ-»Büchern der Woche«. Morgen nachzulesen in der FAZ und heute bereits online: ein sehr genauer und ganz bezaubernder Artikel von Anja Hirsch unter dem Titel »Für meines Autors Gleichung gibt es viele Lösungen«.

Wie fein Benjamin Stein die beiden Teile komponiert hat, erweist sich hier: Jan Wechsler erzählt ja tatsächlich reziprok, Amnon Zichroni dagegen eher in einer Zielgeraden von der Kindkeit an aufwärts. Nicht auszudenken, welche Linien sich noch ergeben, folgte man sogar dem Angebot, nach jedem Kapitel das Buch zu wenden, um im je anderen Strang weiterzulesen. Steins Bauplan mag mathematischen Potenzierungsgesetzen folgen. Die Vervielfältigung seiner Themen – Fälschung, Identitätsverlust, Neuschreibung – betreibt er jedoch rein poetisch, mit einer genüsslichen Freude am Dunklen, Triebhaften. Und so folgt man den verschlungenen Pfaden dieses Romans über die Leinwand unseres Selbst ausgesprochen gern.

[Autor verabschiedet sich lächelnd ins Wochenende.]

Der Autor als Seelenstripper

3. Juni 2010

••• »Seine Eltern blendeten ihr Judentum komplett aus.« So steht es in Ijoma Mangolds Stein-Porträt »Religion ist kein Wunschkonzert«, und dies ist der einzige Satz in diesem Artikel, der nicht zutreffend ist. Ich habe das so auch nicht gesagt, vielmehr: »Jüdischkeit spielte in meinem Elternhaus absolut keine Rolle.«

Jüdische Identität hat aus nahe liegenden Gründen viel mit der Frage zu tun, ob man überhaupt jüdisch ist. Und diese Frage ist – gerade in unserer Zeit und in diesem Land – mitunter schwieriger zu beantworten, als man annehmen möchte. Denn das jüdische wie das deutsche Verhältnis zu dieser Frage ist nach der Shoah und bis heute ein – um es gelinde zu sagen – neurotisch belastetes, wenn nicht Schlimmeres.


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