Perlenfischer

22. Januar 2007

Fisher © by Parranoya

Werf mein Kleid über mich
wie offenes Wasser,
gefärbt vom Licht
kleiner Sonnen.
Vor jeder Nacht
fällt eine vom Himmel,
fängt sich
in meinem Schoß.

Dann fahren
unsere Finger
wie Schiffchen,
knüpfen am Saum
Netze zum Grund.

Um die Mondwende
spielen wir
Perlenfang, stillen
die Atemnot
in der Tiefe.

© Ina Kutulas (1984)

••• Wenn schon vom Poetenseminar 1985 die Rede war… In diesem Jahr gab es für mich so etwas wie einen Star: Ina-Kathrin Schildhauer (heute: Ina Kutulas). Sie hatte einen grossen Text, und sie hatte einen grossen Auftritt. Sie kam in diesem Jahr erst einige Tage später nach Schwerin. Ich erinnere mich noch gut, wie wir nachts im Kreis um sie sassen und den Erzählungen lauschten vom überwältigenden Eindruck der „Weltfestspiele der Jugend und Studenten“ in Moskau, an denen sie teilgenommen und von denen sie gerade – völlig übernächtigt – zurückgekehrt war.


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Ich brauche Liebe

21. Januar 2007

Klaus Kinski

Ich brauche Liebe! Liebe! Immerzu. Und ich will Liebe geben, weil ich zu viel davon habe. Niemand begreift, daß ich nichts anderes will, als mich zu verschwenden.

••• Wir waren bei Klaus Kinski stehengeblieben. Er war einer der Grössten. Und nicht nur als Schauspieler. Ich habe ihn auch als Autor geliebt. Seine Prosa ist eine Energieexplosion. Man wird atemlos beim Lesen und kann nicht aufhören.

Seine Autobiographie ist in mehreren, stark unterschiedlichen Ausgaben erschienen, da verschiedene Klagen – unter anderem von Familienangehörigen – ihn zu diversen Kürzungen zwangen. Man sollte unbedingt versuchen, antiquarisch ein Exemplar der Erstausgabe mit dem Titel „Ich bin so wild nach deinem Erdbeermund…“ zu bekommen. Es enthält diverse Passagen, die in der heute angeboteten Edition fehlen.


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Weltende (II)

19. Januar 2007

You are the Storm - © by sotoxic

••• Der Sturm hat sich noch nicht gelegt. Da kommt mir noch ein anderes „Weltende“-Gedicht in den Sinn – von einer Dichterin, die ich – nicht ohne Verstörungen – verehre: Else-Lasker Schüler.


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Weltende (I)

18. Januar 2007

Brain Storm - ©  by alexiuss

Dem Bürger fliegt vom spitzen Kopf der Hut,
in allen Lüften hallt es wie Geschrei.
Dachdecker stürzen ab und gehn entzwei
und an den Küsten – liest man – steigt die Flut.

Der Sturm ist da, die wilden Meere hupfen
an Land, um dicke Dämme zu zerdrücken.
Die meisten Menschen haben einen Schnupfen.
Die Eisenbahnen fallen von den Brücken.

Jakob van Hoddis (1887-1942)

••• Heute machen sich alle verrückt. Sturm, Untergangsstimmung, Weltenende!


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Ich bin so wild nach deinem Erdbeermund

18. Januar 2007

Lips - ©2006-2007 ~erusa

Eine verliebte Ballade für ein Madchen namens Yssabeau

Ich bin so wild nach deinem Erdbeermund,
ich schrie mir schon die Lungen wund
nach deinem weißen Leib, du Weib.
Im Klee, da hat der Mai ein Bett gemacht,
da blüht ein schöner Zeitvertreib
mit deinem Leib die lange Nacht.
Da will ich sein im tiefen Tal.
Dein Nachtgebet und auch dein Sterngemahl.

Im tiefen Erdbeertal, im schwarzen Haar,
da schlief ich manches Sommerjahr
bei dir und schlief doch nie zuviel.
Ich habe jetzt ein rotes Tier im Blut,
das macht mir wieder frohen Mut.
Komm her, ich weiß ein schönes Spiel
im dunklen Tal, im Muschelgrund…
Ich bin so wild nach deinem Erdbeermund!

Die graue Welt macht keine Freude mehr,
ich gab den schönsten Sommer her,
und dir hat’s auch kein Glück gebracht;
hast nur den roten Mund noch aufgespart,
für mich so tief im Haar verwahrt…
Ich such ihn schon die lange Nacht
im Wintertal, im Aschengrund…
Ich bin so wild nach deinem Erdbeermund.

Im Wintertal, im schwarzen Erdbeerkraut,
da hat der Schnee sein Nest gebaut
und fragt nicht, wo die Liebe sei.
Ich habe doch das rote Tier so tief
erfahren, als ich bei dir schlief.
Wär nur der Winter erst vorbei
und wieder grün der Wiesengrund!
… ich bin so wild nach deinem Erdbeermund!

François Villon, aus: „Die lasterhaften Balladen des François Villon“
Nachdichtung von Paul Zech
© 1962-2006 Deutscher Taschenbuch Verlag, München


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