Morgens und abends zu lesen

8. Februar 2007

Umbrella - by NELA.LAZAREVIC

Der, den ich liebe,
Hat mir gesagt,
Daß er mich braucht.
Darum
Gebe ich auf mich acht
Sehe auf meinen Weg
Und fürchte von jedem
Regentropfen
Daß er mich erschlagen
könnte.

Bertolt Brecht

••• Assoziation zu Gabriela Mistrals Vers

Auf meinen Leib achte ich nur, damit ich dein Grab schützen kann vor Regen und Schnee.

aus „Falls der Tod kommt“.

Geräusche in der Rotunde der Zeit

7. Februar 2007

Mushrooms - © 2006-2007 maria-ana-m@deviantart.com

••• Jeden zweiten Mittwoch kommt der Babysitter. Normalerweise gehen wir dann ins Kino. Heute sollte es etwas anderes sein. Auf dem Weg zur Arbeit war mir ein Plakat aufgefallen. In der Rotunde der Pinakothek der Moderne (wir sind in München) würde es einen John-Cage-Abend geben, das Konzert für Klavier und Orchester von 1958. Da sind wir also hin. Der Veranstalter hatte befürchtet, vor leerem Saal zu stehen, aber es war bis auf den letzten Platz alles besetzt.

Nun hat das „Klavierkonzert“ mit einem Konzert im gewöhnlichen Sinne wenig gemein. Es geht um Klänge im Raum, um Stille und – um Zeit. Den Musikern steht ein Angebot an Klangmaterial zur Verfügung. Die Aufführung bewegt sich zwischen Ausführungsfreiheit und wenigen, aber klaren Vereinbarungen, etwa zur Dauer einer Variation des Stücks. Und selbst hier kann es Überraschungen geben. Denn es gibt undirigierte und dirigierte Stücke. Die Aufgabe des Dirigenten ist es dabei, die Uhr des Musikers zu sein, die dieser selbst nicht hat. Er beschreibt mit den Armen den Lauf eines Sekundenzeigers ums Zifferblatt. An die Stelle der Zeitminute tritt so die gefühlte (und dirigierte Minute) des Dirigenten, der die Musiker folgen müssen.


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Krüge

7. Februar 2007

Exposed Pottery - © 2006-2007 =33xiT@deviantart.com
Exposed Pottery – ©2006-2008 by =33xiT@deviantart.com

„Alle sind wir Krüge“, sagte der Töpfer, und als ich lächelte, fügte er hinzu: „Du bist ein leerer Krug. Eine große Liebe hat dich umgestülpt, und nun wirst du dich nicht mehr füllen. Du warst nicht demütig. Du sträubst dich, wie andere Krüge zu den Zisternen hinabzusteigen, unreines Wasser in dich aufzunehmen. Auch bist du nicht bereit, dich von den kleinen Liebkosungen zu nähren, wie es einige meiner Krüge tun, die sich den langsam gleitenden Tropfen öffnen, die die Nacht in sie fließen läßt, die von solcher kurzen Kühle leben. Du bist auch nicht rot, sondern weiß vor Durst. Nur die höchste Glut kennt diese entsetzliche Weiße.“

Gabriela Mistral, aus: „Desolación“
Übertragung: Albert Theile
© der Übertragung Luchterhand 1958

••• Dieses Gedicht aus dem Zyklus „Motive des Töpfertons“ kam mir immer wie die späte Versöhnung der Dichterin mit sich selbst und dem eigenen Schicksal vor. Jetzt stelle ich fest: Die „Sonette vom Tode“ und diese Gedichte stammen alle aus der gleichen Zeit, aus dem gleichen Band: „Desolación“.

Heute bin ich stolz

6. Februar 2007

Hommage to Artists - by Kerstin S. Klein••• Heute bin ich besonders stolz – auf meine Frau. Ihr schönstes Moleskine hat sie mir für meine Turmsegler-Notizen geschenkt. Die vielen anderen füllt sie mit Zeichnungen. Nachdem in den letzten Jahren die Zeit für uns beide etwas knapp war, uns mit Kunst und Literatur zu beschäftigen, hat sie im letzten Jahr wieder begonnen zu zeichnen und sich an Artist-Card-Foren (ATC) zu beteiligen. Für diejenigen, die (wie ich damals) nicht wissen, was das ist: ATCs haben das Format von amerikanischen Kreditkarten. Man tauscht sie, einzeln oder in Themen-Sätzen, was einem mitunter sehr schwer fällt. Auf diversen Websites gibt es riesige Galerien, die von grossen Fan-Gemeinden frequentiert werden.

Ich durfte nur ab und an mal einen Blick auf einige Karten werfen. Doch jetzt darf ich ganz offiziell spannen. Sie hat ein eigenes Weblog gestartet, dessen Idee mir sehr gefällt: Sie zeigt neben besonders gelungenen ATCs (heute gibt es ein Mosaik eines sehr spannenden Satzes) auch ihre Skizzen und Übungen in grösseren Formaten als den ATCs.


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Falls der Tod kommt

6. Februar 2007

Postkarte von Gabriela Mistral an Eduardo Barrios

Bist du verwundet, fürchte dich nicht, mich zu rufen. Ruf mich, wo immer du bist, selbst aus dem Bett der Schande. Ich werde herbeieilen, wäre auch der Boden bis zu deiner Türe mit Dornen bestreut.

Ich will nicht, daß irgendeiner, nicht einmal Gott, dir das Kissen unter dem Haupt richte.

Auf meinen Leib achte ich nur, damit ich dein Grab schützen kann vor Regen und Schnee. Meine Hand wird auf deinen Augen ruhen. Die schreckliche Nacht sollen sie nicht erblicken.

Gabriela Mistral, aus: „Desolación“
Übertragung: Albert Theile
© der Übertragung Luchterhand 1958


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