Hyperfiction

20. Februar 2007

••• Aus einem Grund, den ich heute noch nicht entschleiern mag, kommt mir ein Ticker auf Petra Öllingers Literaturwerkstatt-Blog wie gerufen: Knapp zusammengestellt eine Sammlung von Links zu Essays, Interviews und sonstigen Betrachtungen zum Thema Literatur im Kontext des Hyperlinks. Während die Inhalte den Zeitaufwand zu lohnen scheinen, ist dennoch Vorsicht geboten beim Ansteuern der Seiten. Soviel grafische und textuelle Scheusslichkeiten auf einem Haufen sind mir lange nicht mehr untergekommen. Gab es da nicht irgendwo eine Browser-Option, um alle Hintergrundbilder und Formatierungen abzuschalten…

Ende August

20. Februar 2007

Natural Architecture - © 2003-2007 ~eigenart@deviantart.com

Mit weißen Bäuchen hängen die toten Fische
zwischen Entengrütze und Schilf.
Die Krähen haben Flügel, dem Tod zu entrinnen.
Manchmal weiß ich, daß Gott
am meisten sich sorgt um das Dasein der Schnecke.
Er baut ihr ein Haus. Uns aber liebt er nicht.

Eine weiße Staubfahne zieht am Abend der Omnibus,
wenn er die Fußballmannschaft heimfährt.
Der Mond glänzt im Weidengestrüpp,
vereint mit dem Abendstern.
Wie nahe bist du, Unsterblichkeit, im Fledermausflügel,
im Scheinwerfer-Augenpaar,
das den Hügel herab sich naht.

Günter Eich, aus: „Botschaften des Regens“
© Suhrkamp Verlag 1955

Ich glaube nicht an den lieben Gott. Wie käme ich dazu. Auch an Vorbestimmung glaube ich nicht; es gibt nichts, was unser Leben lenkt. Alles, was geschieht, geschieht rein zufällig, außer, wir haben es entsprechend eingerichtet. Manchmal kommt es dann trotzdem ganz anders und manchmal haben wir Glück. Und manchmal beides zusammen.

••• So beginnt Petra Hofmanns Erzählung „Ach, mein Joseph“, die ich in der letztens hier besprochenen Ausgabe von „entwürfe“ gelesen habe. „Uns aber liebt er nicht“, lässt sich das Ich bei Günter Eich vernehmen, das also die Existenz Gottes selbst nicht gleich leugnet.

Ich teile weder die eine noch die andere Ansicht und finde doch in beiden etwas Wahrhaftiges. Eingangs des täglichen jüdischen Hauptgebets, der „Sch’mone Essre“, heisst es: G’tt, gross, mächtig und furchtbar

Von lieb ist keine Rede.


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Schlußstück

19. Februar 2007

Der Tod ist groß.
Wir sind die Seinen,
lachenden Munds.
Wenn wir uns mitten im Leben meinen,
wagt er zu weinen
mitten in uns.

Rainer Maria Rilke

••• Da wir beim Thema sind… Heute lese ich einen Essay von Rabbiner Maurice Lamm über Sterbebegleitung. Und was lese ich da?

Während die Stunde der Dämmerung in der äusseren Natur leuchtende und unvergessliche Szenen hervorbringt, ist sie bei den Menschen meist grau und bleich, ein Dunst, der von der aufkommenden Finsternis verschluckt wird. Dies müsste nicht so sein. Nach dem anfänglichen Trauma sollte das Sterben als eine Stille empfunden werden, eine gelassene Heiterkeit, ein Zusammenkommen aller Ereignisse des Lebens, ein Schlussstrich, der alles zusammenfasst, ein bisher nicht gekannter Friede. Der unablässige Druck, „es zu schaffen“, der Drang nach immer mehr Besitz entfallen. Nun gibt es keinen Ruhm mehr zu ernten, keine unerreichbaren Ziele mehr zu erreichen, keine kleinlichen Machtpositionen mehr zu ergattern. Kein berühmtes Vorbild muss mehr nachgeahmt, niemand mehr beeindruckt werden. Keine Spiele sind mehr zu spielen. […] Der Patient am Lebensende kann sich endlich loslösen von allem, was nicht mehr unmittelbar zu seinem eigenen Selbst gehört. Er kann lieben, wen er lieben möchte, es gibt keine Hintergedanken mehr. Er ist allein mit seinem Sinn und seiner Seele, mit seinen Erinnerungen, seinem Glauben und seinen Werten. […] Es mag das erste Mal sein, dass er es sich leisten kann, in Reinheit und in völliger Aufrichtigkeit mit seinem eigenen Selbst zu leben.

Der Gedanke lohnt, ob dieser Zustand nicht auch zu erreichen wäre, bevor wir dem Tod ins Auge schauen müssen. Das wäre ein Leben.

Gevatter Tod

18. Februar 2007

Angel of Death AKA Grim Reaper - © 2006-2007 ~sinslave@deviantart.com
»Grim Reaper« • © sinslave

Es hatte ein armer Mann zwölf Kinder und mußte Tag und Nacht arbeiten, damit er ihnen nur Brot geben konnte. Als nun das dreizehnte zur Welt kam, wußte er sich in seiner Not nicht zu helfen, lief hinaus auf die große Landstraße und wollte den ersten, der ihm begegnete, zum Gevatter bitten. Der erste, der ihm begegnete, das war der liebe Gott. Der wußte schon, was er auf dem Herzen hatte, und sprach zu ihm: „Armer Mann, du dauerst mich, ich will dein Kind aus der Taufe heben, will für es sorgen und es glücklich machen auf Erden.“ Der Mann sprach: „Wer bist du?“ – „Ich bin der liebe Gott.“ – „So begehr‘ ich dich nicht zum Gevatter“, sagte der Mann, „du gibst dem Reichen und lässest den Armen hungern.“ Das sprach der Mann, weil er nicht wußte, wie weislich Gott Reichtum und Armut verteilt. Also wendete er sich von dem Herrn und ging weiter.


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Traum

17. Februar 2007

bluebeard - © 2006-2007 *lauren-rabbit@deviantart.com
bluebeard – © 2006-2007 by Lauren E. Simonutti

In der Nacht kam der Tod zu mir
Ich sagte:
„Noch nicht“
Er fragte:
„Warum noch nicht?“
Ich wußte nichts zu erwidern

Er schüttelte den Kopf
und ging langsam zurück
in den Schatten
Warum noch nicht?
Geliebte
weißt du keine Antwort?

Erich Fried, aus: „Liebesgedichte“
Verlag Klaus Wagenbach Berlin
(1983)

••• Das vertrödelte Buch waren die „Liebesgedichte“ von Erich Fried. Da fiel mir der „Gevatter Tod“ ein. Wie war das noch? Solange der Tod am Kopfende des Bettes steht…