Charlotte Grasnick und José Pablo Quevedo
9. Mai 2012
Charlotte Grasnick und der peruanische Dichter José Pablo Quevedo nach einer Lesung in Berlin (2005) • Foto: Ulrich Grasnick (CC BY-SA 3.0)
Charlotte Grasnick und der peruanische Dichter José Pablo Quevedo nach einer Lesung in Berlin (2005) • Foto: Ulrich Grasnick (CC BY-SA 3.0)
Liebes Bärchen,
ich ziehe es vor, meinen Nachlass schon heute zu regeln. Und ganz gleich, was ich zum Zeitpunkt meines Todes besitzen sollte: Ich bestehe darauf, dass wie ausgeführt verfahren wird. Die Mietshäuser werden einiges abwerfen, zum Leben mehr als genug. Du wirst die Villa halten und Dir sicher sein können, dass kein dahergelaufener Matz Dir nur des Geldes wegen den Hof macht. Das wäre doch unangenehm.
Im Testament nicht erwähnt ist ein Luxemburger Konto (s. beiliegende Papiere). Ich habe eine Tochter in Prag. Sie heißt Eva und wird das Geld brauchen können. Ich vermache es ihr unter dem Vorbehalt, dass sie das kleine Restaurant in Prag, Kapucinská 4, sobald als möglich vom Staat zurückkauft. Sie kann es selbst führen oder verwalten lassen; das ist mir gleich. Aber sie muss es kaufen!
Soweit das Angenehme.
M. C. Escher: Zeichnende Hände, 1948
••• Ich bin fertig mit der Überarbeitung des »Alphabet des Juda Liva«. Was ich und warum mit dem Text angestellt habe, werde ich später noch berichten. Anbei erst einmal eine Textprobe aus dem Epilog. Ich fühlte mich enorm an Szenen aus der »Leinwand« erinnert. Irgendwas an meinen Erzählern ist definitiv fragwürdig. Erschreckend auch, dass diese Erzähler – in jedem Buch bisher – unterwegs ihre Frauen verbummeln.
Es gibt kein wirkliches Gelingen, hatte er gesagt: Nur verschiedene Grade des Scheiterns.
Verehrter Jacoby,
was leibhaftige Feuerengel betrifft, kann ich Ihnen versichern, dass sie unstrittig existieren. Ich muss es wissen, denn ich bin mit einem solchen verheiratet.
Wenn Sie in meinen damaligen Seminaren auch meist zu schlafen beliebten, wird Ihnen doch sicher nicht verborgen geblieben sein, dass ich ein entschiedener Verfechter mystischer Theorien bin. (Mein angeschlagener Ruf innerhalb unseres weltlichen Instituts ist wohl vor allem darauf zurückzuführen.) Und Seraphen, verehrter wissensdurstiger Skeptiker, suchen mit Vorliebe die Nähe von Mystikern.
Meine Ehe mit einem solchen Wesen ist daher nicht verwunderlich.
Als ich meine Frau kennenlernte, war sie knapp siebzehn. Inzwischen geht sie auf die Fünfzig zu, was alles sagt; und sie ist einverstanden damit, dass ich Ihnen, gewissermaßen aus erster Hand, einige Einzelheiten über den Charakter dieser besonderen Kategorie von Engeln anvertraue.