Nicht bei Trost

3. Juli 2007

Franz Dodel - Nicht bei Trost - a never ending Haiku

••• Tankas haben oft einen Gesprächscharakter im Sinne von Rede (die ersten drei Zeilen) und Gegenrede oder Antwort (die zwei Schlusszeilen). Im Japan der Edo-Zeit machte man sich ein Gesellschaftsspiel daraus, Tankas aus dem Stregreif zu dichten und in Form eines Gesprächs zu verketten, wobei ein Tanka jeweils das Thema oder Material des Schlusses des Vorgänger-Tankas aufnahm.

Eine solche Verkettung der Kurzgedichtform hat auch Franz Dodel geschaffen. Sein auf drei wunderschöne Bände aufgeteilter 6.000-Zeilen-Haiku ist dabei nicht wirklich eine Verkettung von Haikus, sondern ein ständiger Wechsel zwischen Zeilen zu 5 und 7 Silben. „Nicht bei Trost – a never ending Haiku“ nennt Dodel sein Werk. Er nutzt die Form als ein Gefäss, in das er seine Dichtung tropfen lässt, nicht strukturlos, doch assoziativ mäandernd, oft wie ein Mantra. Dabei gelingen ihm zuhauf Momente grosser Poesie.


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Kafka zu lesen

3. Juli 2007

Luis Scafati zu Kafkas Gregor Samsa
„La Metamorfosis“ – © Luis Scafati

••• Franz Kafka zu lesen, lohnt immer, nicht nur am heutigen Tag, da er 124 Jahre alt geworden wäre. Einer seiner berühmtesten Figuren, Gregor Samsa, der sich eines Tages in einen Käfer verwandelt fand, hat Luis Scafati eine phantastische Serie von Gemälden gewidmet, die – wie ich finde – ihrerseits inspirieren.

Japanische Kurzgedichte

2. Juli 2007

••• Bei meinen Streifzügen durch die poetischen Formenlandschaften bin ich früh auf eine Gattung gestossen, die sich seit längerer Zeit auch im deutschsprachigen Raum grosser Beliebtheit erfreut, obgleich es eine Form ist, die ganz und gar nicht für eine europäische Sprache gemacht ist. Die Rede ist von japanischen Kurzgedichten: Tankas und Haikus.


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blaue stunde

1. Juli 2007

Smoke – © vikking20@deviantart.com

Smoke – © vikking20@deviantart.com

in der blauen stunde streift
meine zunge im schafspelz
geständnisse ab
an deiner haut

heute will ich auf steinen schlafen
hörst du mich sagen und
ehrlicher klirren die ketten nie
als am tag des verrats

in der blauen stunde
gehn die kinder durchs ried
und köpfen mit hölzernen schwertern
was vom schilf noch blieb

© Benjamin Stein (2007)

••• Das könnte der heutige Gegenentwurf sein zum Gedicht vom Donnerstag: in der Form wie im Inhalt. Ob es auch epigonal ist, müssen andere entscheiden…

Das Buch der Nächte

29. Juni 2007

Zu jener Zeit streunten die Wölfe noch in eisigen Winternächten durchs Land und kamen auf Nahrungssuche bis in die Dörfer, wo sie Geflügel, Ziegen und Schafe ebenso rissen wie Esel, Kühe und Schweine. In Ermangelung von Besserem schlangen sie manchmal sogar Hunde und Katzen hinunter, doch sobald die Gelegenheit sich bot, labten sie sich begierig an Menschenfleisch. Sie schienen übrigens eine ganz besondere Vorliebe für Kinder und Frauen zu haben, deren zarteres Fleisch ihrem Hunger zu gefallen wusste. Und ihr Hunger war wirklich ungeheuerlich, er wetteiferte mit der Kälte, dem Elend oder dem Krieg, dessen letzter Widerhall und dreistester Ausdruck er zu dieser Zeit zu sein schien.

Sylvie Germain, aus: „Das Buch der Nächte“

Sylvie Germain••• Im Urlaub habe ich einen der besten Romane gelesen, der mir je untergekommen ist: „Das Buch der Nächte“ der Französin Sylvie Germain. Auf 300 Seiten erzählt Sylvie Germain die europäische Version von „Hundert Jahre Einsamkeit“. Es ist die Geschichte von 100 barbarischen Jahren (1850-1950), die Geschichte dreier grosser Kriege, die Geschichte von fünf Generationen der Familie Peniél, denen je ein Kapitel dieses Romans gewidmet ist. Germain nennt die Kapitel Nächte (Wasser, Erde, Rosen, Blut, Asche). Und diese Nächte sind Sinnbild der Einsamkeit und Isolation der Peniéls in einer fremden, feindseligen Welt, ausgesetzt in einem ganz unausweichlich sich entfaltenden Plot grausamer Zerstörung.


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