Wir fanden, aber wir hielten es nicht und versagten. Es nahm unsern Kopf in die Hände und küßte ihn. Lange war’s da. Doch immer vergeht, was wir haben, sowie wir es haben. Es flieht, um dann wirklich zu bleiben: als eines, das war. Bliebe es anders, verlör’s sich, sich duckend, im Alltag. Für niedrige Türen, Geliebte, ist Liebe zu groß und verrenkt sich, gedemütigt, rutscht, wenn wir sie schieben, auf Knien, verbeißt sich den Stolz. Und erträgt’s nicht.
Merkten wir nicht, was wir taten? Wie oft putzten wir Zähne gemeinsam, aßen so sprachlos zu Abend, die Aufmerksamkeiten erlascht, wie ein Echo ins Mehl klingt, dem schwarzen für Brot, das uns nährt, aber stumpf macht: das Brot stumpf, das Herz stumpf. So kauen wir. Stromrechnung, Miete, die tägliche Rücksicht, der Einkauf, beiseitegeschobne, als würden sie schänden, Verlangen. Die Zimmer zu schmale, wir spüren Verlust, aber schweigen ums Unheil. Denn sprächen wir’s aus, es wär ein Verrat, denkt man, der’s weckte und herlockt. Plötzlich, da stehn wir uns fremd da, uns selbst und als Fremde einander. Da gingst du.
Verlust ist des Bleibenden Anfang […]
Alban Nikolai Herbst, aus:
»Das bleibende Thier • Bamberger Elegien«
Vierte Elegie
••• Von meinem Besuch letztens in der Arbeitswohnung von Alban Nikolai Herbst – es war mein erster bei ihm – nahm ich ein kleines Buch als Geschenk mit. Sobald ich konnte, am nächsten Morgen im Hotel, begann ich zu lesen und vertagte die Lektüre nach zwei Seiten. Im Vorbeigehen, wusste ich, würde ich dieses Buch nicht lesen können. Ein paar Tage später, wieder zu Hause in München, begann ich erneut. Und wieder wollte es mir nicht gelingen, mich auf den Text einzulassen.
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