Paul Celan: In Ägypten
Video Art: Herry Dim
Musik: Peter Habermehl
Rezitation: Berthold Damshäuser
Du sollst zum Aug der Fremden sagen: Sei das Wasser.
Du sollst, die du im Wasser weißt, im Aug der Fremden suchen.
Du sollst sie rufen aus dem Wasser: Ruth! Noëmi! Mirjam!
Du sollst sie schmücken, wenn du bei der Fremden liegst.
Du sollst sie schmücken mit dem Wolkenhaar der Fremden.
Du sollst zu Ruth und Mirjam und Noëmi sagen:
Seht, ich schlaf bei ihr!
Du sollst die Fremde neben dir am schönsten schmücken.
Du sollst sie schmücken mit dem Schmerz um Ruth, um Mirjam und Noëmi.
Du sollst zur Fremden sagen:
Sieh, ich schlief bei diesen!
••• Noch ein letzter der Celan-Video-Texte, die ich gestern auf YouTube fand. (Die älteren Beiträge zur „Todesfuge“ und „Umsonst“ habe ich mit den entsprechenden Video-Links aktualisiert.)
Es wäre einiges dazu zu schreiben. Doch vorerst will ich es mir nur merken… Alles weitere später – vielleicht.
In der Mandel – was steht in der Mandel?
Das Nichts.
Es steht das Nichts in der Mandel.
Da steht es und steht.
Im Nichts – wer steht da? Der König.
Da steht der König, der König.
Da steht er und steht.
Judenlocke, wirst nicht grau.
Und dein Aug – wohin steht dein Auge?
Dein Aug steht der Mandel entgegen.
Dein Aug, dem Nichts stehts entgegen.
Es steht zum König.
So steht es und steht.
Menschenlocke, wirst nicht grau.
Leere Mandel, königsblau.
••• Auf der Suche nach ein wenig mehr Informationen über Lars-Arvid Brischke, aus desses Poetik-Essay ich letzte Woche hier zitierte, stiess ich auf den Metroproleten, das Weblog-Alter-Ego von Brischke. Nur 78 Zugriffe, beklagte der Metroprolet, hätte obiges Video bei YouTube, und: „jeder pimpf hat mehr“. Nun, inzwischen sind es 10x so viele. Und die Turmsegler fügen bestimmt noch einige Views hinzu.
PS: Was „Mandorla“ bedeutet, darüber musste ich mich nun von einem Pfarrer aufklären lassen. Und dass die Namen Mandel/Mendel von Immanuel („G’tt mit uns“) kommen, das hätte ich auch nicht gewusst.
Ein ungewöhnlicher Celan, finde ich, und/aber immer wieder zu hören.
What you
depart from is
not the way
and olive tree
blown white in
the wind
washed in the
Kiang and Han
what whiteness
will you add to
this whiteness,
what candor?
••• Nachdem so viel von Ezra Pound die Rede war, fand ich ich obiges YouTube-Video interessant. Die neue deutsche Ausgabe des „ABC des Lesens“, auf das ich schon seit einem Jahr warte, ist übrigens erneut verschoben. Schade.
willst du den hohlweg
nehmen
oder
durch große wasser
in andere welten tauchen?
du weißt es: auf dieser seite des spiegels
halte ich alle tore besetzt
und führe dich auf jedem pfad
durch adergeflecht labyrinthe und dschungel
doch immer wieder zu mir
willst du den hohlweg nehmen
oder den fluss? (den fährmann
zahlt niemand mit liebe)
auf der anderen seite
das weißt du auch
wachsen feuerschlünde und paradiese
aus deinen eigenen augen dir zu
du fliehst auf den strand
doch es bleibt selbst im abdruck
des fußes im sand
noch genügend von dir
dich zu kennen
willst du den hohlweg nehmen
oder das meer?
du ahnst es:
es führen
tausend wege hinein
doch keiner heraus
••• Dass mit dem „Selbstbildnis als Seraph“ etwas nicht stimmte, schwante mir schon, als ich am letzten Sonntag den Publish-Button drückte. Aber was? Der Begleittext hat mich heute auf die richtige Spur gebracht: Der Seraph muss weg.
Aus der Perspektive der Teramaschine, die keine Außenstehenden akzeptiert, ist Lyrik total daneben […] „Wie kommt man eigentlich dazu, Gedichte zu schreiben?“ […] „Man kommt selten dazu.“ Und man kommt nur dazu, wenn man es so weit kommen lässt. Für einen Menschen, der wie die Teramaschine tickt, wird es dazu nie kommen.
••• Die jüngste Ausgabe von BELLA Triste, über deren Sonderausgabe zur deutschen Gegenwartslyrik ich hier vor einigen Monaten geschrieben habe, wartet erneut mit einem Dossier zur Lyrik-Debatte auf. Unter den Essays, die zum Teil Erwiderungen auf Beiträge anderer Autoren in der Sonderausgabe sind, findet sich auch ein Beitrag von Lars-Arvid Brischke. Er trägt den Titel „Das Weltbewegende der Lyrik von heute“. Und nach meinem Empfinden umreisst Brischke in diesem Beitrag phantastisch, was sicher auch die Einlassungen von A. N. Herbst (in seiner Poetikvorlesung) sowie von Michael Perkampus in Kommentaren zu meiner Kritik an eben dieser Vorlesung im Subtext mit sich führen: das ambivalente Verhältnis zwischen Markt (bei Brischke die Teramaschine) und Dichtung (bei Brischke ganz auf Lyrik beschränkt).