Ein Koffer (2)

3. Februar 2008

••• Vielleicht ist es ja für den einen oder anderen von Interesse, was geschah, nachdem ich die Tür geöffnet hatte…


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Ein Koffer (1)

2. Februar 2008

••• Es könnte also, meinen die Turmsegler-Leser, doch gehen… Also machen wir die Probe aufs Exempel und schauen uns den ersten Teil der Geschichte einmal an, die sich letzte Woche hier zugetragen hat und von der ich längst berichtet hätte, wären mir nicht die erwähnten Zweifel gekommen.


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So geht das nicht

1. Februar 2008

Für gewöhnlich öffnen wir am Schabbes* nicht die Tür, wenn es klingelt. Familie und Freunde, zumal jüdische, würden am Schabbes nicht klingeln. Sie wären angemeldet und würden, um die vereinbarte Zeit herum, auf der gegenüberliegenden Strassenseite warten, wo man sie vom Fenster aus sehen und nach unten gehen könnte, um sie ins Haus zu lassen.

••• Das ist nun sicher kein schlechter Kapitelanfang. Warum wird die Tür für gewöhnlich nicht geöffnet? Und warum – denn das impliziert das „für gewöhnlich“ – wurde sie an einem bestimmten Schabbes doch geöffnet? Und was geschah?

Nur leider geht das so nicht! Denn warum Familie und Freunde an diesem Tag nicht klingeln würden, das versteht der „uneingeweihte“ Leser nicht ohne die gigantische Fussnote. Und schon hat das alles nichts mehr mit Literatur zu tun.

Nun sollen die beiden Protagonisten in „Mayim Rabim“ aber einfach reden, als wären sie unter sich. Sie würden niemals aus dem Erzählen heraus in einen Vortrag wechseln. Wozu auch?

Wie ich dieses Problem lösen soll, ist mir unklar. Und das ist es auch, was mich im Moment an der Fortsetzung des Textes hindert. Was ich erzählen will, spielt in einer Welt, in der man am Schabbes keinen Klingelknopf drückt. Die Figuren wissen das, die Leser nicht. Und es gibt für die Figuren keinerlei Veranlassung, diesen Umstand zu erklären. Ein Abrücken von der „monologischen Methode“, also dem Erzählen aus dem Zentrum der Figur heraus, kommt nicht in frage. Es muss doch aber einen Weg geben, den Leser dennoch mit in diese Welt zu nehmen…

Aber wie? – Knifflige Sache.


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Judith

31. Januar 2008

Caravaggio: Judith enthauptet Holofernes
Caravaggio: Judith enthauptet Holofernes

Holofernes:
Weib ist Weib, und doch ist da ein Unterschied. Nirgends fühlt ein Mann so sehr, wieviel er wert ist, als an Weiberbrust. Ha, wenn sie seiner Umarmung entgegenzittern, im Kampf zwischen Wollust und Schamgefühl, wenn sie Miene machen, als ob sie fliehen wollen, und dann mit einmal von ihrer Natur übermannt, an seinen Hals fliegen; wenn dann, durch verräterische Küsse in jedem Blutstropfen geweckt, ihre Begierde mit der Begierde des Mannes um die Wette läuft, und sie ihn auffordern, wo sie doch Widerstand leisten sollten, ja, das ist Leben. Wenn das Auge, das jetzt in Wonne bricht, sich finster schloß, als der Überwinder hereintrat, wenn die Hand, die jetzt schmeichelnd drückt, ihm gern Gift in den Wein gemischt hätte. Da erfährt mans, warum die Götter sich die Mühe gaben, Menschen zu machen. Da hat man ein Genügen, ein überfließendes Maß! Das ist ein Triumph.

Judith (gleichzeitig, wie im Gebet versunken):
Ich suchte des Nachts in meinem Bette, den meine Seele liebt. Ich suchte, aber ich fand ihn nicht. Ich schlafe, aber mein Herz wacht. Da ist die Stimme meines Freundes, der anklopft: Tue mir auf, liebe Freundin; denn mein Haupt ist voll Taues und meine Locken voll Nachttropfen. Ich habe meinen Rock ausgezogen, wie soll ich ihn wieder anziehen? Ich habe meine Füße gewaschen, wie soll ich sie wieder besudeln? Aber mein Freund streckte seine Hand durchs Türloch, und mein Leib erzitterte davor. Da stand ich auf, daß ich meinem Freund auftäte; meine Hände troffen mit Myrrhen, und Myrrhen liefen über meine Finger an dem Riegel am Schloß. Und da ich meinem Freund aufgetan hatte, war er weg und hingegangen. Ich suchte, aber ich fand ihn nicht; ich rief, aber er antwortete mir nicht. Ich beschwöre euch, ihr Töchter Jerusalems, findet ihr meinen Freund, so sagt ihm, daß ich vor Liebe krank liege.

Siegfried Matthus, aus dem Libretto zu „Judith“
Oper in zwei Akten nach dem gleichnamigen Drama von Friedrich Hebbel
und Texten aus den Psalmen sowie dem Hohelied Salomos


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Mit der Stirn an die Wellen

30. Januar 2008

Er:
Die Liebe der Schwester ist auf jener Seite.
Es ist der Fluß dazwischen.
Krokodile liegen auf der Sandbank.

Ich steige herab zum Wasser.
Ich stoße
mit der Stirn an die Wellen.
Mein Herz ist stark
wegen des Uferdammes.

Die Flut ist wie das Land
für meine Füße durch ihre Liebe,
die mich fest sein läßt.

Wasserzauber
sollte sie
aufsagen für mich.

Ich sehe:
Die Schwester ist gekommen!
Mein Herz springt.
Meine beiden Arme fliegen auseinander
sie zu umarmen.
Mein Herz rast an seinem Platz
wie für alle Ewigkeit
: Glück
Zu mir kam die Schwester.

Ende des Liedes

aus: „liebe sagen – lyrik aus dem ägyptischen altertum“
© Philipp Reclam jun. Leipzig, 1972, 1982
Übertragung: Hannelore Kischkewitz

••• Ein starker Nachtrag zum Beitrag „liebe sagen“. Dieses Lied hätte vor der letzten Strophe zu Ende sein sollen. Ich hatte immer das Gefühl, da hätte jemand anders das Gedicht fortgesetzt, vielleicht weil der Dichter einfach zu viel Raum gelassen hatte zwischen dem Wasserzauber und „Ende des Liedes“…