••• Ein kleines Wieder-Willkommen für die Herzdame, die heute nach kurzer Abwesenheit zurückkehrt… Als ich das Video gestern entdeckte … wow, knock out. Und wenn wir schon gerade von bewusstseinserweiternden Drogen sprachen: welche Verschwendung von Talent, wenn es mit dieser Dame weiter so schnurstracks abwärts ginge.
Der Text übrigens hat es mir auch angetan. Gleich zwei Fragen kamen auf, von denen ich nur eine beantworten konnte.
»Für einen Mann ist das Antlitz eines Mädchens natürlich das Antlitz der eigenen Seele«, schrieb ein russischer Dichter, und genau das steht hinter den Heldentaten von Theseus oder dem Heiligen Georg, der Suche von Orpheus und Dante. Die schiere Mühsal jener Unternehmungen zeugt von einem anderen Motiv als einzig und allein der Begierde. […]
Ein junges Mädchen ist, kurz gesagt, das Double der eigenen Seele, und man nimmt sie genau deshalb ins Visier, weil man keine Alternative findet, außer vielleicht in einem Spiegel.
••• Glücklicherweise ist p.- nach kurzzeitiger Absenz wieder ins Online-Leben zurückgekehrt und übernimmt heute per Kommentar die Rolle der Muse. So kann ich dieses Brodsky-Musen-Sequel endlich fortsetzen, nachdem auch ich die letzten Tage ein wenig absent war.
Im weiteren Verlauf seines Essays über die Muse und den Dichter als vermeintlichen notorischen Wüstling macht Brodsky einen Schwenk. Künstlerische und erotische Aktivität seien beide Ausdruck schöpferischer Energie und damit beide Sublimationen. Indem Brodsky weiter den russischen Dichter zitiert, macht er den Dichter, von dessen Muse er spricht, vom bloßen Scribenten auch wieder zum Autor.
Die Muse in ihrer körperlichen (menschlichen) Erscheinung ist der bewusst oder unbewusst gewählte Spiegel oder auch ein Verstärker für die Signale, die zu schwach wären, um von sich aus hörbar zu werden. Was auch immer „diktiert“ wird, war im Dichter (die -innen mögen verzeihen, sie sind selbstredend einbezogen) vorhanden. Die Muse löst lediglich die Zunge oder meinetwegen das im Unbewussten verhedderte Wort, so dass es hörbar wird und geschrieben werden kann.
Im allgemeinen stand im Kalender eines Dichters der Antike als einzige Weiblichkeit neben der Geliebten nur seine Muse. In der modernen Vorstellung überschneiden sich die beiden; in der Antike taten sie das nicht, weil die Muse eigentlich unkörperlich war.
••• Beunruhigen Sie sich nicht, lieber looka. Dass Sie den Turmsegler „in den Reader nehmen“, ist ja überhaupt eine gute Idee und sehr zu begrüssen. Und lange warten brauchen Sie auf die Fortsetzung dieses Musen-Sequels auch nicht. Violá, hier geht es schon weiter…
••• Jeden Tag laufe ich am neuen Jüdischen Museum am Münchner Jakobsplatz vorbei. Ich bin jedoch erst ein einziges Mal hineingegangen und auch das nur per Zufall und nicht, um mir die Ausstellung anzusehen. Ich war vor dem direkt daneben liegenden Gemeindehaus mit einem Informanten verabredet, von dem ich mir Aufklärung erhofft hatte betreffend Amnon Zichronis vermutliche psychoanalytische Ausbildung in den 80er Jahren des letzten Jahrhunderts in New York.
Um es vorauszuschicken: Ich habe keinerlei Informationen erhalten, was mich sehr bekümmert, denn diese Recherche-Lücke ist vermutlich die tatsächliche Ursache der Unterbrechung meiner Arbeit an der „Leinwand“. Ich bin bereits 50 Tage – und das sind 50 Seiten – im Rückstand. Ich schiebe das auf das Zigaretten-Problem. Aber es könnte, das muss ich ehrlicherweise einräumen, auch an der schwierigen Informationsbeschaffung liegen: Ich weiß schlichtweg nicht, wie eine solche Ausbildung in den 1980er Jahren ablief. Und woher soll ich die Informationen bekommen?
••• Aphorismen – so dachte ich bisher – sind so etwas wie Abfallprodukte der literarischen Arbeit. Sie als eigenständiges Genre zu begreifen, das wäre mir nicht in den Sinn gekommen. (Lernen Literaturwissenschaftler dergleichen im Studium? Das würde mich wirklich einmal interessieren.)
Glücklicherweise trägt die aktuelle Akzente-Ausgabe nun wieder einmal zu meiner Bildung bei und macht mir klar, dass Aphorismen nicht nur als eigenständiges Genre anzusehen sind, sondern dass mitunter ein ganzes Werk ganz um dieses Genre angelegt sein kann. Das Beispiel: Nicolás Gómez Dávila, geboren 1913 in Bogotá, Kolumbien und gestoren 1994 ebenda.
Ich finde die Vorstellung, ausschließlich tiefsinnige eindestillierte Weltwahrheitssätze zu produzieren, auch nach der Lektüre der Dávila-Aphorismen und Essays über sie und den Autor ein wenig merkwürdig. Aber sie haben doch auch einen unwiderstehlichen Reiz: sie sind so schön tiefsinnig, eindestilliert und — wahr?
Lieber p.-, dies hier war das Zitat zum Thema Nachwelt, das mir letztens am Telefon nicht wortwörtlich einfallen wollte:
Für die Nachwelt schreiben heißt nicht, daß man uns morgen liest. Es heißt, eine bestimmte Qualität des Schreibens anzustreben. Selbst wenn uns keiner liest.