26. August 2007
Seit mich mein Engel nicht mehr bewacht,
kann er frei seine Flügel entfalten
und die Stille der Sterne durchspalten,
denn er muß meiner einsamen Nacht
nicht mehr die ängstlichen Hände halten
seit mich mein Engel nicht mehr bewacht.
Rainer Maria Rilke
••• Per Mail habe ich leider noch nicht wie gehofft Hinweise auf markante Engelsgedichte bekommen. So suche ich selbst weiter.
Wäre dieses Weblog nicht, ich würde mich wohl nicht dafür interessieren, wie die einzelnen Autoren ausgesehen haben oder auch noch aussehen. So gehe ich aber doch immer wieder auf die Suche auch nach Poträts der zitierten Dichter. So durfte ich heute zum ersten Mal Rilke in die Augen sehen. Meine Knie zittern noch leicht…
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24. August 2007
••• „Erinnern und Entdecken“ ist das Motto dieses Weblogs. Ab heute erinnert der Turmsegler sich auch an den eigenen Werdegang. Im Rückspiegel (Sidebar rechts oben) wird ab kommenden Montag jeden Tag ein anderer Link zu einem früheren Turmsegler-Beitrag eingeblendet – und zwar in der Reihenfolge des damaligen Erscheinens. Für Leser, die nicht von Anfang an dabei waren, gibt es so jeden Tag zwei Entdeckungen.
Und man muss nicht mal den Kopf wenden.
Tags: Turmsegler • Ausser der Reihe
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23. August 2007
I am the one
who always goes
away with my home
which can only stay inside
in my blood – my home which does not fit
with any geography.
Sujata Bhatt
aus: „Point No Point“
© Carcanet Press (1997)
••• Auf den Seiten des Literaturhauses Bremen findet sich nicht nur dieses Gedicht von Sujata Bhatt, sondern auch Informationen zur ihrem Werdegang, ihren Themen und ihren Büchern.
Ich habe Sympathie für die Heimatlosen. Aber diese Variante der aussergeographischen Heimat ist noch immer die erfreulichste, weil dauerhafteste, am wenigsten angreifbare. Mit dieser Art Heimat in sich kann man fast überall heimisch werden.
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23. August 2007
Selbstbildnis mit blauem, weiß gestreiftem Kleid
1906
Schon das Kleid allein
läßt uns an Sommer denken
in Frankreich –
an Picknicks in der Bretagne –
Den blauweißen Duft
des Atlantiks –
Die rechte Hand an meinem Kinn.
Nicht zur Faust geballt.
Die Finger sind ausgestreckt –
ganz leicht berühren sie mein Kinn –
Ganz leicht nur –
Ich bin nicht müde.
Kannst du denn nicht sehen,
wie ernst ich es meine, Rodin?
Stell dir vor, so was würde
ich zu ihm sagen.
Ja, würde er sagen, zu ernst
für eine Frau.
Nein würde ich antworten, ich muß es
ernster meinen als ein Mann.
Die Sonne brennt auf mein Kleid
und läßt es nur noch stärker
strahlen – doch ich steh abseits
und schweige – ich will es so,
allein sein.
© Sujata Bhatt (2007)
aus dem Zyklus: „Paula Modersohn-Becker“
Aus dem Englischen von Michael Augustin
in: „Akzente“ 4/2007, Hanser Verlag
••• Sujata Bhatt wurde 1956 in Ahmedabad (Indien) geboren. Sie wanderte 1968 mit ihrer Familie in die Vereinigten Staaten aus. Gegenwärtig lebt sie mit ihrem Mann, dem deutschen Autor Michael Augustin, und ihrer Tochter in Bremen. Obgleich fern des Geburtslandes, ist sie heute eine der bekanntesten zeitgenössischen Dichterinnen Indiens.
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22. August 2007
Bat – © by Edward Gorey
nun saugt die fledermaus
an deinem puls
und spreizt die flügel
und ihr herr geht
ganz mondän
in leder eingeschnürt
die wüsten kammern
deines schlosses ab
er atmet tief und haucht
ein rauhes raunen
in die mauerritzen
im kerzenwiderschein
erkennt er sich
als schemen an der wand
kein spiegelbild
ein schatten nur
der sich verzerrt und flieht
sobald die dämmerung
aus deinen augen
steigt
© Benjamin Stein (2007)
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21. August 2007
cigarette — © 2004-2007 by ~5tellaWasADiver@deviantart.com
mit einer zigarette taucht am abend
die traurigkeit der kindheit wieder auf
aus der erinnerung entsteigen narbend
gehüllt in rauch verdrängte schatten auf
zerfließen langsam malen an die wand
das bild des baums vorm haus: dem wind sich neigend
das mählich sich verzerrt und aus ihm steigend
erreicht im dunkel mich dann deine hand
die tröstend harte und sie will nicht weichen
beharrlich bleibt sie läßt nicht ab von mir
und wiederholt der liebe kalte zeichen
wie du mich einst ertrugst in dir und mir
das leben gabst: mit schmerz – gerade so
ruft mich dein schatten fort ins nirgendwo
© Benjamin Stein (1988)
••• Das ist eines der Gedichte, bei denen ich mir über die Jahre immer unsicher war, ob es nicht doch lieber zu vernichten sei. Das letzte Terzett schien mir immer misslungen, aber man kann, wenn so ein Text einmal „ausgeatmet“ ist, nicht ohne weiteres den Schluss durch einen anderen ersetzen. Das wäre mir – wunderlich vielleicht – doch unehrlich erschienen.
Nun, ich habe es trotz der Bedenken aufgehoben, möglicherweise weil es die Brücke zum Motiv des bei lebendigem Leib verbrennenden Rottenstein (nicht wirklich, oder doch?) im „Alphabet des Juda Liva“ gewesen sein könnte.
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20. August 2007
Rope — © by matt-west@deviantart
Der abgerissene Strick kann wieder geknotet werden.
Er hält wieder, aber
Er ist zerrissen.
Bertolt Brecht
••• Wie oft habe ich diese Verse gelesen oder auch zitiert — und zwar immer im Zusammenhang mit Beziehungen, die, nach Verletzungen zumeist, zu zerbrechen drohten. Und ich habe dabei innerlich jeweils eifrig genickt. Aber man kann sich auch fortgesetzt heftig irren. Und das hier ist so ein Fall.
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